Unsere Geschichte über Vergewaltigung und Versöhnung
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0:00 - 0:03[Dieser Vortrag enthält
Beschreibungen sexueller Gewalt; -
0:03 - 0:04Ansehen auf eigene Verantwortung]
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0:05 - 0:09Tom Stranger: 1996, mit 18 Jahren,
erhielt ich die einmalige Gelegenheit, -
0:09 - 0:12an einem internationalen
Austauschprogramm teilzunehmen. -
0:12 - 0:16Ironischerweise bin ich ein Australier,
der kaltes Wetter bevorzugt, -
0:16 - 0:21also war ich aufgeregt, aber auch traurig,
als ich ins Flugzeug nach Island stieg, -
0:21 - 0:24nachdem ich mich von meinen Eltern
und Brüdern verabschiedet hatte. -
0:25 - 0:28Ich wurde in einer tollen
isländischen Familie aufgenommen, -
0:28 - 0:29die mit mir wandern ging
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0:29 - 0:32und mir half, die melodische,
isländische Sprache zu lernen. -
0:33 - 0:36Ich hatte zu Beginn etwas
mit Heimweh zu kämpfen. -
0:36 - 0:38Ich ging nach der Schule snowboarden
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0:38 - 0:40und ich schlief sehr viel.
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0:40 - 0:44Zwei Stunden Chemieunterricht
in einer fremden Sprache -
0:44 - 0:46können sehr einschläfernd wirken.
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0:46 - 0:47(Gelächter)
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0:48 - 0:51Mein Lehrer empfahl mir,
für das Schultheater vorzusprechen, -
0:51 - 0:54um mehr soziale Kontakte zu knüpfen.
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0:54 - 0:57Ich bekam zwar keine Rolle
in dem Theaterstück, -
0:57 - 0:59aber ich lernte dadurch Thordis kennen.
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0:59 - 1:02Eine jugendliche Romanze begann
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1:02 - 1:04und wir trafen uns mittags,
um Händchen zu halten -
1:04 - 1:06und durch Reykjaviks
Altstadt zu spazieren. -
1:07 - 1:10Ich lernte ihre gastfreundliche Familie
und sie meine Freunde kennen. -
1:11 - 1:13Unsere Beziehung ging
seit etwas mehr als einem Monat, -
1:13 - 1:16als der Weihnachstball
der Schule stattfand. -
1:18 - 1:21Thordis Elva: Ich war 16 Jahre alt
und das erste Mal verliebt. -
1:22 - 1:24Zusammen zum Weihnachtsball zu gehen,
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1:24 - 1:26war die öffentliche Bestätigung
unserer Beziehung, -
1:26 - 1:29und ich fühlte mich wie
das glücklichste Mädchen der Welt. -
1:29 - 1:32Nicht mehr wie ein Kind,
sondern wie eine junge Frau. -
1:33 - 1:35Aufgrund meiner gerade
entdeckten Reife dachte ich, -
1:35 - 1:39es wäre nur natürlich in dieser
Nacht erstmals Rum zu probieren. -
1:39 - 1:42Das war eine schlechte Idee.
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1:42 - 1:43Mir wurde sehr übel,
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1:43 - 1:45ich verlor immer wieder das Bewusstsein
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1:45 - 1:48und musste mich mehrmals übergeben.
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1:48 - 1:51Der Sicherheitsdienst
wollte die Rettung rufen, -
1:51 - 1:54aber Tom wurde zu meinem Ritter
in schimmernder Rüstung. -
1:54 - 1:56Er sagte, er würde mich
nach Hause bringen. -
1:57 - 1:58Es war wie im Märchen.
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1:59 - 2:03Mit seinen starken Armen um mich
legte er mich sicher in mein Bett. -
2:04 - 2:08Aber die Dankbarkeit, die ich fühlte,
verwandelte sich schnell in Schrecken, -
2:08 - 2:13als er begann, mich auszuziehen
und sich auf mich setzte. -
2:13 - 2:15Mein Kopf war wieder klar,
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2:15 - 2:18aber mein Körper war noch
zu schwach, um sich zu wehren. -
2:18 - 2:20Der Schmerz war unbeschreiblich.
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2:21 - 2:23Ich hatte das Gefühl, zerrissen zu werden.
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2:24 - 2:25Um nicht verrückt zu werden,
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2:25 - 2:29zählte ich still die Sekunden
meines Weckers. -
2:30 - 2:37Seit jener Nacht weiß ich, dass zwei
Stunden 7.200 Sekunden enthalten. -
2:39 - 2:42Obwohl ich tagelang humpelte
und wochenlang weinte, -
2:42 - 2:46passte dieser Vorfall nicht zu meiner
Vorstellung von Vergewaltigung, -
2:46 - 2:47wie ich sie aus Filmen kannte.
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2:47 - 2:49Tom war kein bewaffneter Verrückter.
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2:49 - 2:51Er war mein Freund.
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2:51 - 2:54Und es geschah nicht
in einer schmutzigen Gasse, -
2:54 - 2:56sondern in meinem eigenen Bett.
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2:57 - 3:00Als ich das, was mir passiert war,
als Vergewaltigung identifizierte, -
3:00 - 3:05war sein Austauschprogramm bereits vorbei
und er war wieder in Australien. -
3:05 - 3:08Also sagte ich mir, es wäre sinnlos
das Geschehene anzusprechen. -
3:08 - 3:13Außerdem war es bestimmt
irgendwie meine Schuld. -
3:13 - 3:15Ich wuchs in dem Glauben auf,
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3:15 - 3:17dass Mädchen nicht grundlos
vergewaltigt werden. -
3:18 - 3:20Der Rock war zu kurz,
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3:20 - 3:23das Lächeln war zu breit,
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3:23 - 3:25der Atem roch nach Alkohol.
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3:26 - 3:29Und ich war in allen Punkten schuldig,
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3:29 - 3:31also war ich selbst daran Schuld.
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3:31 - 3:33Erst Jahre später erkannte ich,
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3:33 - 3:37dass nur eins meine Vergewaltigung
hätte verhindern können, -
3:37 - 3:39und das war nicht mein Rock
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3:39 - 3:41oder mein Lächeln
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3:41 - 3:43oder mein kindliches Vertrauen.
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3:44 - 3:48Der einzige, der meine Vergewaltigung
hätte verhindern können, -
3:48 - 3:50ist der Mann, der mich vergewaltigte --
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3:50 - 3:52wenn er sich selbst daran gehindert hätte.
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3:52 - 3:55TS: Ich habe nur vage
Erinnerungen vom nächsten Tag: -
3:56 - 3:58die Nachwirkungen des Alkohols,
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3:58 - 4:01eine gewisse Leere, die ich
zu unterdrücken versuchte. -
4:02 - 4:03Sonst nichts.
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4:04 - 4:06Aber ich ging nicht zu Thordis.
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4:07 - 4:12Ich muss klarstellen, dass ich meine
Tat nicht als das sah, was sie war. -
4:12 - 4:16Das Wort "Vergewaltigung" erklang nicht
in meinem Kopf, so wie es sollte. -
4:17 - 4:20Ich quälte mich nicht mit
Gedanken an die letzte Nacht. -
4:22 - 4:24Es war keine bewusste Ablehnung,
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4:24 - 4:28sondern das Gefühl, dass es verboten wäre,
mir die Realität einzugestehen. -
4:28 - 4:32Das gewaltige Trauma,
das ich verursacht hatte, -
4:33 - 4:35kam In meiner Beschreibung
der Ereignisse nicht vor. -
4:36 - 4:42Ehrlich gesagt, verleugnete ich die
gesamte Tat in den nachfolgenden Tagen. -
4:42 - 4:45Ebenso wie zu dem Zeitpunkt
als ich sie beging. -
4:45 - 4:46Ich verfälschte die Wahrheit,
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4:46 - 4:50indem ich mir einredete, es wäre
Sex und keine Vergewaltigung. -
4:51 - 4:55Diese Lüge führte zu
entsetzlichen Schuldgefühlen. -
4:56 - 4:58Ich machte kurz darauf
mit Thordis Schluss. -
4:58 - 5:02Ich sah sie noch mehrmals während
meiner restlichen Zeit in Island. -
5:02 - 5:05Dabei verspürte ich jedes Mal
ein bedrückendes Gefühl. -
5:06 - 5:10Tief in mir wusste ich, dass ich
etwas unsagbar Falsches getan hatte. -
5:11 - 5:14Ohne es zu planen, vergrub ich
die Erinnerungen tief in mir -
5:14 - 5:16und ließ sie nicht mehr hochkommen.
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5:18 - 5:24Es folgte eine neunjährige Phase
bestehend aus "Leugnen und Weglaufen" -
5:24 - 5:28Wann immer mir bewusst zu werden schien,
welchen Schmerz ich verursacht hatte, -
5:29 - 5:31lief ich davor weg.
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5:32 - 5:34Entweder durch Ablenkung,
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5:34 - 5:36Drogenmissbrauch,
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5:36 - 5:37Abenteuerlust
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5:37 - 5:41oder die akribische Überwachung
meiner inneren Stimme. -
5:41 - 5:43Ich weigerte mich,
statisch und lautlos zu sein. -
5:45 - 5:49Außerdem stützte Ich mich besonders
auf andere Teile meines Lebens, -
5:49 - 5:52um ein neues Selbstbild zu erschaffen.
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5:53 - 5:54Ich war Surfer,
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5:54 - 5:56Student der Sozialwissenschaften,
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5:56 - 5:58Freund guter Menschen,
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5:58 - 6:00geliebter Bruder und Sohn,
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6:00 - 6:02Tourguide für Freizeitaktivitäten
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6:02 - 6:03und schließlich Jugendsozialarbeiter.
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6:04 - 6:08Ich klammerte mich an die Vorstellung,
kein schlechter Mensch zu sein. -
6:09 - 6:12Ich dachte nicht, ich hätte das in mir.
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6:12 - 6:15Ich dachte, ich sei aus
einem anderen Holz geschnitzt. -
6:15 - 6:16Ich wuchs behütet auf,
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6:16 - 6:19meine liebevolle Familie
und meine Vorbilder, -
6:19 - 6:21alle Menschen, die mir nahe stehen,
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6:21 - 6:23waren herzlich und aufrichtig
gegenüber Frauen. -
6:25 - 6:30Es dauerte lange bis ich es schaffte,
mich meiner dunklen Seite zu stellen -
6:30 - 6:31und Fragen an sie zu richten.
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6:34 - 6:38TE: Neun Jahre nach dem Weihnachtsball,
als ich 25 Jahre alt war, -
6:38 - 6:40steuerte ich direkt auf einen
Nervenzusammenbruch zu. -
6:41 - 6:45Mein Selbstwertgefühl war unter
einer zermürbenden Stille begraben, -
6:45 - 6:48die mich von allen Menschen,
die mir etwas bedeuteten, isolierte. -
6:48 - 6:51Ich war erfüllt von fehlgeleiteten
Hass- und Wutgefühlen, -
6:51 - 6:53die ich an mir selbst ausließ.
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6:54 - 7:00Einmal lief ich nach einem Streit
weinend aus dem Haus und in ein Café. -
7:00 - 7:02Dort bat ich die Kellnerin um einen Stift.
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7:03 - 7:04Ich hatte immer ein Notizbuch bei mir.
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7:05 - 7:08Ich behauptete, es sei für Ideen
in inspirierenden Momenten, -
7:08 - 7:13aber in Wahrheit brauchte ich es,
um stets mit etwas herumspielen zu können. -
7:13 - 7:18Denn in Momenten des Stillstands
begann ich wieder die Sekunden zu zählen. -
7:18 - 7:23Aber an jenem Tag bestaunte ich die Worte,
die mein Stift zu Papier brachte -
7:23 - 7:28und die den bedeutendsten Brief
meines Lebens schufen, adressiert an Tom. -
7:28 - 7:32Neben einer Beschreibung
der Gewalt, der er mich aussetzte, -
7:32 - 7:37starrten mich die Worte
"Ich will Vergebung finden" an. -
7:37 - 7:39Das überraschte niemanden mehr als mich.
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7:40 - 7:44Aber tief in mir spürte ich, dass das
der Weg aus meinem Leid wäre. -
7:44 - 7:51Denn egal, ob er meine Vergebung
verdiente, hatte ich Frieden verdient. -
7:51 - 7:54Meine Phase der Scham war vorüber.
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7:56 - 7:58Bevor ich den Brief abschickte,
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7:58 - 8:00bereitete ich mich auf mögliche,
negative Antworten vor, -
8:00 - 8:04bzw. auf die wahrscheinlichste Antwort:
nämlich überhaupt keine Rückmeldung. -
8:05 - 8:10Auf die Antwort, die ich bekam,
war ich jedoch nicht vorbereitet. -
8:10 - 8:15Ich erhielt ein getipptes Geständnis
voll bitterem Bedauern von Tom. -
8:16 - 8:20Es stellte sich heraus, dass auch
er sich von der Stille gefangen fühlte. -
8:20 - 8:24So begann eine achtjährige Korrespondenz,
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8:24 - 8:28die nie einfach, aber immer ehrlich war.
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8:30 - 8:33Ich befreite mich von der Last,
die zu Unrecht auf meinen Schultern lag. -
8:33 - 8:37Im Gegenzug gestand er ein,
was er getan hatte. -
8:37 - 8:40Unser schriftlicher Austausch
wurde zu einem Podium, -
8:40 - 8:42um die Folgen dieser Nacht zu analysieren.
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8:42 - 8:48Das reichte von extrem qualvoll
bis hin zu unbeschreiblich heilend. -
8:48 - 8:52Trotzdem konnte ich
nicht damit abschließen. -
8:52 - 8:56Vielleicht weil der Email-Verkehr
zu unpersönlich war, -
8:56 - 8:58oder weil es leicht ist mutig zu sein,
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8:58 - 9:02wenn man sich hinter seinem Bildschirm
am anderen Ende der Welt verstecken kann. -
9:02 - 9:08Aber wir hatten einen Austausch begonnen,
den ich zur Gänze ausschöpfen wollte. -
9:08 - 9:14Nach der achtjährigen Korrespondenz
und fast 16 Jahre nach jener Nacht, -
9:14 - 9:18brachte ich also den Mut auf,
einen ungewöhnlichen Vorschlag zu machen: -
9:18 - 9:23Wir treffen uns persönlich und stellen uns
endgültig unserer Vergangenheit. -
9:25 - 9:28TS: Island und Australien
sind geografisch etwa so. -
9:29 - 9:31In der Mitte dazwischen liegt Südafrika.
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9:32 - 9:38Wir entschieden uns für Kapstadt, um dort
eine Woche gemeinsam zu verbringen. -
9:38 - 9:46Die Stadt entpuppte sich als erstaunlich
wirksam für Versöhnung und Vergebung. -
9:46 - 9:48In keinem anderen Land wurden
Heilung und Wiederannäherung -
9:48 - 9:51auf eine so harte Probe
gestellt wie in Südafrika. -
9:51 - 9:55Südafrika versuchte sich als Nation
getreu seiner Vergangenheit zu entfalten -
9:55 - 9:57und sich den Details
seiner Geschichte hinzugeben. -
9:59 - 10:03Diese Erkenntnis verstärkte die Wirkung,
die Kapstadt auf uns hatte, noch mehr. -
10:04 - 10:08Im Laufe dieser Woche erzählten wir uns
buchstäblich unsere Lebensgeschichten, -
10:08 - 10:10von Anfang bis zum Ende.
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10:11 - 10:14Dabei analysierten wir
unsere eigene Geschichte. -
10:16 - 10:18Wir folgten strikt einer Regel,
nämlich Ehrlichkeit. -
10:18 - 10:24Dabei blieben eine gewisse Entblößung und
unverhohlene Verletzlichkeit nicht aus. -
10:24 - 10:26Es gab zermürbende Geständnisse
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10:26 - 10:32und Momente, in denen wir die Erlebnisse
des anderen, nicht glauben konnten. -
10:32 - 10:37Die weitreichenden Folgen sexueller Gewalt
wurden ausgesprochen und gefühlt, -
10:37 - 10:39von Angesicht zu Angesicht.
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10:40 - 10:45In anderen Momenten
fanden wir aufsteigende Klarheit -
10:45 - 10:50und sogar völlig unerwartetes,
befreiendes Gelächter. -
10:51 - 10:56Wir gaben unser Bestes,
einander aufmerksam zuzuhören. -
10:57 - 11:03Unsere individuellen Wahrnehmungen
waren voll absoluter Reinheit -
11:03 - 11:06und sie erhellten unsere Seelen.
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11:09 - 11:13TE: Rache nehmen zu wollen,
ist eine natürliche menschliche Emotion -- -
11:13 - 11:14sie ist sogar instinktiv.
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11:15 - 11:21Jahrelang wollte ich nur eins: Tom so
zu verletzen, wie er mich verletzt hatte. -
11:22 - 11:25Aber wenn ich keinen Weg aus dem
Hass und der Wut gefunden hätte, -
11:25 - 11:27weiß ich nicht, ob ich heute hier wäre.
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11:28 - 11:32Das heißt nicht, dass ich nicht auch
zwischendurch Zweifel hatte. -
11:33 - 11:38Als das Flugzeug auf der Landebahn
in Kapstadt aufsetzte, dachte ich: -
11:38 - 11:42"Warum habe ich mir nicht einfach einen
Therapeuten und eine Flasche Wodka besorgt -
11:42 - 11:44wie normale Menschen?"
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11:44 - 11:47(Gelächter)
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11:47 - 11:53Manchmal fühlte sich unsere Suche nach
Verständnis wie eine unmögliche Aufgabe an -
11:53 - 12:00und ich wollte aufgeben und heim zu meinem
geliebten Mann Vidir und unserem Sohn. -
12:00 - 12:07Aber trotz unserer Schwierigkeiten endete
diese Reise mit einem siegreichen Gefühl. -
12:07 - 12:10Licht hatte über Schatten triumphiert.
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12:11 - 12:15Etwas Konstruktives konnte
aus den Scherben entstehen. -
12:17 - 12:18Ich habe irgendwo gelesen,
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12:18 - 12:22man soll versuchen, der Mensch zu sein,
den man brauchte, als man jünger war. -
12:22 - 12:23Als ich ein Teenager war,
-
12:23 - 12:27hätte ich gerne gehört,
dass die Schuld nicht bei mir lag, -
12:27 - 12:30dass es Hoffnung gibt
nach einer Vergewaltigung, -
12:30 - 12:34dass man sogar glücklich werden kann,
so wie ich mit meinem Ehemann. -
12:34 - 12:38Daher begann ich, fieberhaft zu schreiben,
als ich aus Kapstadt zurückkehrte, -
12:38 - 12:41Daraus entstand ein Buch,
bei dem Tom mitwirkte. -
12:41 - 12:47Ich hoffe, es kann Leuten an beiden Enden
des Täter-Überlebenden-Spektrums helfen. -
12:47 - 12:53Es ist zumindest eine Geschichte, die wir
gebraucht hätten, als wir jünger waren. -
12:55 - 13:02Mit unserer Geschichte gehen unweigerlich
Wörter wie Opfer und Vergewaltiger einher. -
13:03 - 13:05Solche Bezeichnungen
ermöglichen eine Zuordnung, -
13:05 - 13:09aber sie können auch
entmenschlichend wirken. -
13:10 - 13:12Wenn jemand als Opfer erachtet wird,
-
13:12 - 13:20ist es einfacher jemanden als beschädigt,
entehrt oder wertlos abzustempeln. -
13:21 - 13:23Wenn jemand als Vergewaltiger
gebrandmarkt wird, -
13:23 - 13:29ist es viel einfacher, ihn als Monster
oder Unmensch zu bezeichnen. -
13:29 - 13:33Aber wie sollen wir jemals verstehen, was
Gewalt in unserer Gesellschaft bewirkt, -
13:33 - 13:38wenn wir uns weigern die Menschlichkeit
jener anzuerkennen, die sie verursachen? -
13:39 - 13:40Und wie --
-
13:40 - 13:42(Applaus)
-
13:42 - 13:47Und wie können wir Überlebende bestärken,
wenn wir sie Wertlosigkeit spüren lassen? -
13:48 - 13:51Wie können wir Lösungen
für die größten Bedrohungen -
13:51 - 13:55im Leben von Frauen und Kindern
auf der ganzen Welt diskutieren, -
13:55 - 13:59wenn die Wörter, die wir verwenden,
Teil des Problems sind? -
14:02 - 14:04TS: Ich weiß heute,
-
14:04 - 14:09dass mein Handeln in jener Nacht 1996
ein egoistischer Raub war. -
14:10 - 14:12Ich dachte, ich verdiente Thordis' Körper.
-
14:14 - 14:20Ich wuchs unter positiven, sozialen
Einflüssen und gerechten Menschen auf. -
14:20 - 14:24Aber bei diesem Anlass entschied
ich mich für die negative Seite. -
14:24 - 14:27Jene Seite, die in Frauen
geringeren Wert sieht -
14:27 - 14:32und denkt, Männer hätten ein
unausgesprochenes Recht auf deren Körper. -
14:34 - 14:37Diese Einflüsse kamen jedoch von außen.
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14:38 - 14:42In diesem Zimmer traf ich allein
die Entscheidung, sonst niemand. -
14:43 - 14:48Wenn man sich etwas eingesteht und
sich wirklich zu seiner Schuld bekennt, -
14:48 - 14:51kann etwas Überraschendes passieren.
-
14:51 - 14:54Ich nenne es das Eigentums-Paradox.
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14:55 - 14:58Ich dachte, ich würde unter der Bürde
der Verantwortung zerbrechen. -
14:58 - 15:02Ich dachte, meine Bescheinigung
als Mensch würde mit entzogen werden. -
15:02 - 15:06Stattdessen erhielt ich die Chance,
anzuerkennen, was ich getan hatte. -
15:07 - 15:10Ich erkannte, dass ich nicht völlig
Eigentümer meiner Selbst war. -
15:11 - 15:19Was du getan hast, muss nicht die Summe
dessen ausmachen, wer du bist. -
15:19 - 15:20Der Lärm in meinem Kopf ließ nach.
-
15:21 - 15:25Dem hemmungslosen Selbstmitleid
wurde der Sauerstoff entzogen -
15:25 - 15:29und es wurde durch den frischen Wind
der Akzeptanz ersetzt -- -
15:31 - 15:35die Akzeptanz, diese wundervolle
Person verletzt zu haben; -
15:35 - 15:41die Akzeptanz, Teil einer großen und
gewöhnlichen Gruppe von Männern zu sein, -
15:41 - 15:43die sexuelle Gewalt
an ihren Partnern verübt. -
15:45 - 15:47Unterschätzen Sie nicht
die Macht von Worten. -
15:48 - 15:51Thordis zu sagen,
dass ich sie vergewaltigt habe, -
15:51 - 15:54veränderte die stille Übereinkunft, die
ich mit mir selbst und auch mit ihr hatte. -
15:56 - 16:01Aber am wichtigsten ist, dass die Schuld
von Thordis zu mir überging. -
16:01 - 16:07Viel zu oft geht die Verantwortung an die
weiblichen Überlebenden sexueller Gewalt -
16:07 - 16:10und nicht an die Männer, die sie verübten.
-
16:11 - 16:17Viel zu oft finden die Beteiligten durch
Leugnen und Weglaufen nicht zur Wahrheit. -
16:19 - 16:22Es ist inzwischen zweifellos
zu einem öffentlichen Thema geworden -
16:22 - 16:27und so wie viele andere bestärkt es uns,
dass es heute kaum mehr möglich ist, -
16:27 - 16:31sich dieser schwierigen aber
wichtigen Diskussion zu entziehen. -
16:31 - 16:35Ich sehe es als meine Verantwortung,
dass wir unsere Stimmen hinzufügen. -
16:38 - 16:43TE: Was wir getan haben, ist kein Rezept,
das wir anderen verschreiben wollen. -
16:43 - 16:46Niemand hat das Recht, anderen zu sagen,
-
16:46 - 16:50wie sie ihre schwersten Qualen oder
größten Fehler bewältigen sollen. -
16:51 - 16:54Das Schweigen zu brechen, ist nie einfach.
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16:54 - 17:00An manchen Orten kann es sogar tödlich
enden, über Vergewaltigung zu sprechen. -
17:00 - 17:04Ich weiß, dass sogar das
traumatischste Ereignis meines Lebens -
17:04 - 17:07ein Beweis für meine Privilegien ist.
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17:07 - 17:12Ich kann darüber reden, ohne geächtet
oder sogar getötet zu werden. -
17:12 - 17:19Aber mit dem Privileg einer Stimme kommt
auch die Verantwortung sie zu nutzen. -
17:19 - 17:23Das schulde ich anderen Überlebenden,
die diese Möglichkeit nicht haben. -
17:25 - 17:29Unsere Geschichte ist einzigartig
und doch so verbreitet. -
17:29 - 17:33Sexuelle Gewalt ist eine globale Epidemie.
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17:33 - 17:35Aber es muss nicht so sein.
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17:36 - 17:39Was mir auf meinem
Heilungsweg geholfen hat, -
17:39 - 17:41war, mich ausführlich über
sexuelle Gewalt zu informieren. -
17:41 - 17:46Deshalb lese, schreibe und spreche ich
seit mehr als einem Jahrzehnt darüber. -
17:47 - 17:49Ich besuche Konferenzen
auf der ganzen Welt. -
17:49 - 17:56Meiner Erfahrung nach sind die
Teilnehmer fast ausschließlich weiblich. -
17:57 - 18:04Es ist höchste Zeit aufzuhören, sexuelle
Gewalt als ein Frauenthema zu behandeln. -
18:04 - 18:13(Applaus)
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18:17 - 18:23Der Großteil sexueller Gewalt gegen Frauen
und Männer wird von Männern verursacht. -
18:23 - 18:27Und dennoch sind ihre Meinungen
zu diesem Thema viel zu schwach vertreten. -
18:29 - 18:33Es werden hierbei jedoch alle benötigt.
-
18:34 - 18:38Denken Sie nur an all das Leid,
das wir lindern könnten, -
18:38 - 18:42wenn wir uns trauen würden,
dem Problem gemeinsam gegenüberzutreten. -
18:43 - 18:44Danke.
-
18:44 - 18:48(Applaus)
- Title:
- Unsere Geschichte über Vergewaltigung und Versöhnung
- Speaker:
- Thordis Elva, Tom Stranger
- Description:
-
1996 verliebten sich die Teenager Thordis Elva und der australische Austauschschüler Tom Stranger. Nach einem Schulball wurde Thordis von Tom vergewaltigt. Daraufhin gingen sie viele Jahre lang getrennte Wege. In diesem einzigartigen Vortrag werden wir von Elva und Stranger durch Jahre der Scham und des Schweigens geführt und eingeladen, das allgegenwärtige, globale Thema von sexueller Gewalt in einer neuen und ehrlichen Weise zu besprechen. Um zum F&A-Blog zu gelangen, besuchen Sie go.ted.com/thordisandtom.
- Video Language:
- English
- Team:
- closed TED
- Project:
- TEDTalks
- Duration:
- 22:48
Angelika Lueckert Leon approved German subtitles for Our story of rape and reconciliation | ||
Angelika Lueckert Leon edited German subtitles for Our story of rape and reconciliation | ||
Angelika Lueckert Leon accepted German subtitles for Our story of rape and reconciliation | ||
Angelika Lueckert Leon edited German subtitles for Our story of rape and reconciliation | ||
Andrea Kapplmüller edited German subtitles for Our story of rape and reconciliation | ||
Andrea Kapplmüller edited German subtitles for Our story of rape and reconciliation | ||
Andrea Kapplmüller edited German subtitles for Our story of rape and reconciliation | ||
Andrea Kapplmüller edited German subtitles for Our story of rape and reconciliation |