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Young-ha Kim: Seid Künstler, jetzt!

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    Mein Thema heute ist:
  • 0:02 - 0:05
    "Seid Künstler, jetzt!"
  • 0:05 - 0:08
    Wenn das Thema angesprochen wird,
    werden die meisten Menschen angespannt
  • 0:08 - 0:11
    und wehren sich dagegen:
  • 0:11 - 0:14
    "Kunst ernährt mich nicht
    und ich bin gerade zu beschäftigt.
  • 0:14 - 0:16
    Ich muss zur Schule gehen,
    einen Job bekommen,
  • 0:16 - 0:18
    meine Kinder in den Unterricht schicken..."
  • 0:18 - 0:24
    Sie denken: "Ich bin zu beschäftigt.
    Ich habe keine Zeit für Kunst."
  • 0:24 - 0:27
    Es gibt Hunderte von Gründen, warum wir
    gerade jetzt kein Künstler sein können.
  • 0:27 - 0:29
    Fallen Ihnen nicht auch gerade einer ein?
  • 0:29 - 0:31
    Es gibt so viele Gründe,
    warum wir es nicht sein können,
  • 0:31 - 0:33
    Wir sind uns noch nicht einmal nicht sicher,
    warum wir es sein sollten.
  • 0:33 - 0:35
    Wir wissen nicht, warum
    wir Künstler sein sollten,
  • 0:35 - 0:39
    aber wir haben viele Gründe,
    warum wir es nicht sein können.
  • 0:39 - 0:43
    Warum wehren sich Menschen sofort gegen
    die Idee, sich mit Kunst zu beschäftigen?
  • 0:43 - 0:47
    Vielleicht denken Sie, dass
    Kunst für die Hochbegabten
  • 0:47 - 0:52
    oder für die gründlich und
    professionell Ausgebildeten ist.
  • 0:52 - 0:57
    Und einige von Ihnen denken vielleicht,
    dass Sie sich zu weit von der Kunst entfernt haben.
  • 0:57 - 1:01
    Naja, vielleicht haben Sie das ja,
    aber ich glaube das nicht.
  • 1:01 - 1:04
    Das ist das Thema meiner Rede heute.
  • 1:04 - 1:05
    Wir sind alle als Künstler geboren.
  • 1:05 - 1:09
    Wenn Sie Kinder haben,
    wissen Sie, was ich meine.
  • 1:09 - 1:13
    Fast alles, was Kinder tun, ist Kunst.
  • 1:13 - 1:16
    Sie malen mit Buntstiften auf die Wand.
  • 1:16 - 1:19
    Sie tanzen zu Son Dam Bis
    Tanz im Fernsehen,
  • 1:19 - 1:23
    aber man kann es nicht einmal Son Dam Bis Tanz
    nennen – er wird zum eigenen Tanz der Kinder.
  • 1:23 - 1:28
    Da tanzen sie also einen seltsamen Tanz
    und nötigen allen ihren Gesang auf.
  • 1:28 - 1:32
    Ihre Kunst ist vielleicht etwas,
    das nur ihre Eltern ertragen können,
  • 1:32 - 1:37
    und weil sie diese Kunst
    den ganzen Tag lang üben,
  • 1:37 - 1:41
    werden die Erwachsenen um sie herum
    ehrlicherweise ein wenig müde.
  • 1:41 - 1:44
    Kinder führen manchmal Monodramen auf –
  • 1:44 - 1:47
    House-Musik zu spielen ist in der Tat
    ein Monodrama oder ein Theaterstück.
  • 1:47 - 1:50
    Und wenn sie etwas älter werden,
  • 1:50 - 1:52
    fangen einige Kinder an zu lügen.
  • 1:52 - 1:57
    In der Regel erinnern sich Eltern
    an das erste Mal, wenn ihr Kind lügt.
  • 1:57 - 1:59
    Sie sind schockiert.
  • 1:59 - 2:02
    "Jetzt zeigst du dein wahres Gesicht," sagt Mama.
    Sie denkt: "Warum kommt er so nach seinem Vater?"
  • 2:02 - 2:05
    Sie fragt ihn: "Was für ein Mensch wirst du werden?"
  • 2:05 - 2:07
    Aber Sie sollten sich keine Sorgen machen.
  • 2:07 - 2:13
    Der Moment, in dem Kinder mit dem Lügen beginnen,
    ist der Moment, in dem die Geschichten beginnen.
  • 2:13 - 2:15
    Sie reden über Dinge, die sie nicht sehen.
  • 2:15 - 2:17
    Es ist erstaunlich.
    Ein wunderbarer Moment.
  • 2:17 - 2:19
    Eltern sollten feiern.
  • 2:19 - 2:23
    "Hurra! Mein Junge beginnt endlich zu lügen!"
  • 2:23 - 2:26
    Alles klar! Das muss gefeiert werden.
  • 2:26 - 2:29
    Zum Beispiel sagt ein Kind: "Mama, weißt du was?
    Ich hab auf dem Heimweg ein Alien getroffen."
  • 2:29 - 2:33
    Dann antwortet eine typische Mutter:
    "Lass den Unsinn."
  • 2:33 - 2:37
    Nun, ideale Eltern würden
    folgendermaßen antworten:
  • 2:37 - 2:40
    "Wirklich? Ein Alien? Wie sah es aus?
    Hat es irgendwas gesagt?
  • 2:40 - 2:42
    Wo hast du es denn getroffen?"
    "Äh, vor dem Supermarkt."
  • 2:42 - 2:44
    Wenn Sie so eine Unterhaltung haben,
  • 2:44 - 2:51
    muss das Kind sich die nächste Antwort einfallen lassen
    um das zu verantworten, was es angefangen hat.
  • 2:51 - 2:53
    Bald entwickelt sich eine Geschichte.
  • 2:53 - 2:57
    Das ist natürlich eine infantile Geschichte,
  • 2:57 - 3:01
    aber sich einen Satz nach
    dem anderen auszudenken
  • 3:01 - 3:05
    ist das Gleiche, was ein professioneller
    Schriftsteller wie ich macht.
  • 3:05 - 3:07
    Im Wesentlichen ist das nichts anderes.
  • 3:07 - 3:10
    Roland Barthes hat einmal über
    die Romane von Flaubert gesagt:
  • 3:10 - 3:13
    "Flaubert hat keinen Roman geschrieben.
  • 3:13 - 3:16
    Er hat lediglich einen Satz nach
    dem anderen miteinander verbunden.
  • 3:16 - 3:20
    Der Eros zwischen den Sätzen,
    das ist die Essenz von Flauberts Roman."
  • 3:20 - 3:23
    Das ist richtig – einen Roman zu schreiben,
    bedeutet grundsätzlich einen Satz zu schreiben,
  • 3:23 - 3:27
    und dann, ohne die Bedeutung
    des ersten zu gefährden,
  • 3:27 - 3:28
    den nächsten Satz zu schreiben.
  • 3:28 - 3:30
    Und Sie fahren fort, Verbindungen herzustellen.
  • 3:30 - 3:32
    Schauen Sie sich diesen Satz an:
  • 3:32 - 3:34
    "Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen
    erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem
    ungeheueren Ungeziefer verwandelt."
  • 3:34 - 3:37
    Ja, das ist der erste Satz aus Kafkas Buch
    "Die Verwandlung."
  • 3:37 - 3:40
    Durch das Schreiben eines
    so unvertretbaren Satzes
  • 3:40 - 3:42
    und das Weiterschreiben,
    um ihn zu rechtfertigen,
  • 3:42 - 3:47
    wurde Kafkas Werk ein Meisterwerk
    der zeitgenössischen Literatur.
  • 3:47 - 3:50
    Kafka zeigte seine Arbeit nicht seinem Vater.
  • 3:50 - 3:52
    Er verstand sich nicht gut mit seinem Vater.
  • 3:52 - 3:56
    Ganz allein schrieb er diese Sätze.
  • 3:56 - 3:59
    Hätte er das seinem Vater gezeigt, hätte der
    sich gedacht: "Mein Junge ist verrückt geworden."
  • 3:59 - 4:01
    Und das ist richtig. In der Kunst geht es darum,
    ein bisschen verrückt zu sein
  • 4:01 - 4:03
    und den nächsten Satz zu rechtfertigen,
  • 4:03 - 4:06
    was nicht so viel von dem
    unterscheidet, was ein Kind tut.
  • 4:06 - 4:08
    Ein Kind, das gerade angefangen hat zu lügen,
  • 4:08 - 4:11
    macht die ersten Schritte als Geschichtenerzähler.
  • 4:11 - 4:14
    Kinder machen Kunst.
  • 4:14 - 4:15
    Sie werden nicht müde und haben Spaß dabei.
  • 4:15 - 4:17
    Ich war vor ein paar Tagen auf der Insel Jeju.
  • 4:17 - 4:22
    Wenn Kinder am Strand sind, lieben es
    die meisten, im Wasser zu spielen.
  • 4:22 - 4:25
    Aber manche von ihnen
    verbringen viel Zeit im Sand,
  • 4:25 - 4:27
    um Berge und Meere zu bauen –
    naja, keine Meere,
  • 4:27 - 4:31
    aber verschiedene Dinge –
    Menschen und Hunde, etc...
  • 4:31 - 4:32
    Aber ihre Eltern sagen ihnen:
  • 4:32 - 4:34
    "Es wird alles von den Wellen weggespült."
  • 4:34 - 4:36
    Mit anderen Worten, ist es nutzlos.
  • 4:36 - 4:37
    Es ist nicht notwendig.
  • 4:37 - 4:39
    Aber Kindern macht das nichts aus.
  • 4:39 - 4:40
    Sie haben Spaß in diesem Augenblick
  • 4:40 - 4:42
    und spielen weiter im Sand.
  • 4:42 - 4:45
    Kinder tun das nicht, weil es
    ihnen jemand gesagt hat.
  • 4:45 - 4:46
    Es hat ihnen nicht ihr Chef gesagt
  • 4:46 - 4:49
    oder irgend jemand, sie tun es einfach.
  • 4:49 - 4:55
    Als Sie klein waren, wette ich, dass Sie Zeit damit verbracht
    haben, die Freude der einfachen Kunst zu genießen.
  • 4:55 - 4:59
    Wenn ich meine Studenten bitte,
    über ihren glücklichsten Moment zu schreiben,
  • 4:59 - 5:05
    schreiben viele über eine frühe
    künstlerische Erfahrung als Kind.
  • 5:05 - 5:08
    Klavier spielen zu lernen und zum ersten Mal
    vierhändig mit einem Freund zu spielen,
  • 5:08 - 5:13
    oder einen lächerlichen Sketch mit Freunden aufzuführen
    und dabei wie Idioten auszusehen – solche Dinge.
  • 5:13 - 5:16
    Oder der Moment, als sie den ersten Film entwickelten,
    den sie mit einer alten Kamera gemacht hatten.
  • 5:16 - 5:18
    Sie sprechen über diese Art von Erfahrungen.
  • 5:18 - 5:21
    Sie müssen auch einen solchen Moment gehabt haben.
  • 5:21 - 5:23
    In diesem Moment macht Kunst Sie glücklich,
  • 5:23 - 5:24
    weil es keine Arbeit ist.
  • 5:24 - 5:27
    Arbeit macht Sie nicht glücklich, oder?
    Meistens ist sie schwer.
  • 5:27 - 5:30
    Vom französische Schriftsteller Michel Tournier
    gibt es einen berühmten Spruch.
  • 5:30 - 5:32
    Er ist eigentlich ein wenig schelmisch.
  • 5:32 - 5:37
    "Arbeit ist gegen die Natur des Menschen.
    Der Beweis ist, dass sie uns müde macht."
  • 5:37 - 5:38
    Richtig? Warum würde Arbeit uns ermüden,
    wenn sie in unserer Natur läge?
  • 5:38 - 5:40
    Spielen ermüdet uns nicht.
  • 5:40 - 5:41
    Wir können die ganze Nacht lang spielen.
  • 5:41 - 5:44
    Wenn wir über Nacht arbeiten, sollten wir
    Überstunden bezahlt bekommen.
  • 5:44 - 5:47
    Warum? Weil es anstrengend ist
    und wir uns ermüdet fühlen.
  • 5:47 - 5:51
    Aber Kinder machen normalerweise
    Kunst aus Spaß. Es ist Spielen.
  • 5:51 - 5:54
    Sie zeichnen nicht, um das Werk
    an jemanden zu verkaufen,
  • 5:54 - 5:57
    oder spielen Klavier, um Geld
    für die Familie zu verdienen.
  • 5:57 - 6:00
    Natürlich gab es Kinder, die das mussten.
  • 6:00 - 6:01
    Kennen Sie diesen Herrn?
  • 6:01 - 6:05
    Er musste durch Europa touren
    um seine Familie zu unterstützen –
  • 6:05 - 6:07
    Wolfgang Amadeus Mozart –
  • 6:07 - 6:10
    aber ist Jahrhunderte her, also können wir
    bei ihm eine Ausnahme machen.
  • 6:10 - 6:14
    Leider endet irgendwann unsere Kunst –
    so ein freudiger Zeitvertreib.
  • 6:14 - 6:18
    Kinder müssen zum Unterricht,
    zur Schule gehen, Hausaufgaben machen
  • 6:18 - 6:21
    und natürlich nehmen sie
    Klavier- oder Ballett-Unterricht,
  • 6:21 - 6:23
    aber sie haben keinen Spaß mehr.
  • 6:23 - 6:26
    Es wird Ihnen gesagt, das zu machen, und es
    herrscht Wettbewerb. Wie kann das Spaß machen?
  • 6:26 - 6:32
    Wenn Sie in der Grundschule sind
    und immer noch auf die Wand malen,
  • 6:32 - 6:36
    kriegen Sie sicher Ärger mit Ihrer Mutter.
  • 6:36 - 6:40
    Außerdem...
  • 6:40 - 6:42
    Wenn Sie sich, während Sie älter werden,
    weiterhin wie ein Künstler aufführen,
  • 6:42 - 6:46
    wird der Druck zunehmen –
  • 6:46 - 6:52
    man wird Ihre Handlungen in Frage stellen
    und Sie bitten, sich anständig zu benehmen.
  • 6:52 - 6:58
    Das ist meine Geschichte: Ich war ein Achtklässler
    und nahm an einem Malwettbewerb in der Schule teil.
  • 6:58 - 7:01
    Ich versuchte mein Bestes, mein Lehrer kam zu mir
  • 7:01 - 7:05
    und fragte: "Was machst du?"
  • 7:05 - 7:06
    "Ich male fleißig," sagte ich.
  • 7:06 - 7:08
    "Warum verwendest du nur Schwarz?"
  • 7:08 - 7:11
    In der Tat war malte ich den Malblock
    eifrig in Schwarz aus.
  • 7:11 - 7:14
    Und ich erklärte ihm:
  • 7:14 - 7:17
    "Es ist eine dunkle Nacht und
    eine Krähe sitzt auf einem Zweig."
  • 7:17 - 7:18
    Da sagte mein Lehrer:
  • 7:18 - 7:23
    "Wirklich? Nun, Young-ha, du bist vielleicht nicht so gut im Zeichnen, aber du hast ein Talent zum Geschichtenerzählen."
  • 7:23 - 7:26
    Naja, die Antwort hätte ich gerne gehabt.
  • 7:26 - 7:29
    "Jetzt setzt es aber was, du Schlawiner!"
    war die Antwort. (Gelächter)
  • 7:29 - 7:30
    "Jetzt setzt es was!", sagte er.
  • 7:30 - 7:33
    Wir sollten den Palast, das Gyeonghoeru zeichnen, usw...,
  • 7:33 - 7:35
    aber ich malte alles schwarz,
  • 7:35 - 7:37
    Also zerrte er mich aus der Gruppe.
  • 7:37 - 7:39
    Da gab es auch viele Mädchen,
  • 7:39 - 7:41
    also ich war völlig gedemütigt.
  • 7:41 - 7:45
    Meine Erklärungen oder Ausreden wurden nicht gehört,
  • 7:45 - 7:48
    und ich hab es wirklich gewaltig bekommen.
  • 7:48 - 7:53
    Wenn er ein idealer Lehrer gewesen wäre, hätte er
    so reagiert, wie ich es gerade beschrieben habe,
  • 7:53 - 7:55
    "Young-ha hat vielleicht kein Talent fürs Zeichnen,
  • 7:55 - 7:59
    aber er hat eine Gabe zum Erfinden von Geschichten,"
    und er hätte mich ermutigt.
  • 7:59 - 8:02
    Aber so einen Lehrer findet man selten.
  • 8:02 - 8:05
    Später wuchs ich auf und
    besuchte die Museen Europas –
  • 8:05 - 8:07
    Ich war Student – und ich fand,
    das war wirklich unfair.
  • 8:07 - 8:12
    Schauen Sie mal, was ich fand. (Gelächter)
  • 8:12 - 8:17
    Werke wie dieses hingen in Basel,
    während ich bestraft wurde
  • 8:17 - 8:22
    und ich vorne stand
    mit meiner Zeichnung des Palastes im Mund.
  • 8:22 - 8:25
    Sehen Sie sich das an.
    Sieht nicht wie eine Tapete aus?
  • 8:25 - 8:27
    Zeitgenössische Kunst, wie ich später herausfand, lässt
    sich nicht mit einer lahmen Geschichte wie meiner erklären.
  • 8:27 - 8:31
    Krähen werden nicht erwähnt.
  • 8:31 - 8:34
    Die meisten Werke haben keinen Titel: "Ohne Titel".
  • 8:34 - 8:37
    Auf jeden Fall geht es in der zeitgenössischen
    Kunst des 20. Jahrhunderts darum,
  • 8:37 - 8:43
    etwas Merkwürdiges zu tun und die Leere
    mit Erläuterung und Interpretation zu füllen –
  • 8:43 - 8:44
    im Wesentlichen das gleiche, was ich getan habe.
  • 8:44 - 8:47
    Natürlich war meine Arbeit sehr amateurhaft,
  • 8:47 - 8:50
    aber wenden wir uns berühmteren Beispielen zu.
  • 8:50 - 8:53
    Dies ist von Pablo Picasso.
  • 8:53 - 8:59
    Er steckte einen Lenker in einen Fahrrad-Sitz
    und nannte es "Stierkopf". Klingt überzeugend, oder?
  • 8:59 - 9:03
    Als nächstes wurde ein Urinal auf die Seite
    gelegt und "Fountain" genannt.
  • 9:03 - 9:05
    Das war Duchamp.
  • 9:05 - 9:09
    Also die Lücke zwischen der Erklärung und einer
    seltsamen Handlung mit Geschichten zu füllen –
  • 9:09 - 9:13
    das ist es wirklich, worum es bei
    zeitgenössischer Kunst überhaupt geht.
  • 9:13 - 9:15
    Picasso sagte sogar mal:
  • 9:15 - 9:19
    "Ich zeichne nicht das, was ich sehe,
    sondern das, was ich denke."
  • 9:19 - 9:22
    Ja, das heißt, dass ich nicht
    Gyeonghoeru zeichnen musste.
  • 9:22 - 9:26
    Ich wünschte, ich hätte damals das Zitat von Picasso gekannt.
    Ich hätte besser mit meinem Lehrer argumentieren können.
  • 9:26 - 9:29
    Leider werden die kleinen Künstler in uns erstickt,
  • 9:29 - 9:35
    bevor wir gegen die Unterdrücker
    der Kunst kämpfen können.
  • 9:35 - 9:36
    Sie werden eingesperrt.
  • 9:36 - 9:38
    Das ist unsere Tragödie.
  • 9:38 - 9:43
    Also was passiert, wenn die kleinen Künstler
    eingeschlossen, verbannt oder sogar getötet werden?
  • 9:43 - 9:44
    Unser künstlerische Leidenschaft verschwindet nicht.
  • 9:44 - 9:47
    Wir wollen uns ausdrücken, uns offenbaren,
  • 9:47 - 9:53
    aber mit dem Tod des Künstlers zeigt sich
    das künstlerische Verlangen in dunkler Form.
  • 9:53 - 9:55
    In Karaoke-Bars gibt es immer Leute,
  • 9:55 - 9:58
    die "She's Gone" oder "Hotel California" singen
  • 9:58 - 10:00
    während sie Gitarren-Riffs imitieren.
  • 10:00 - 10:03
    In der Regel klingen sie wirklich schrecklich.
  • 10:03 - 10:05
    Manche Leute werden so zu Rockern.
  • 10:05 - 10:07
    Oder andere Leute tanzen in Clubs.
  • 10:07 - 10:11
    Menschen, die gerne Geschichten erzählt hätten,
  • 10:11 - 10:14
    trollen schließlich nächtelang im Internet.
  • 10:14 - 10:17
    So offenbart sich schriftstellerisches Talent
    auf der dunklen Seite.
  • 10:17 - 10:21
    Manchmal sehen wir Väter,
    die mit mehr Begeisterung als ihre Kinder
  • 10:21 - 10:24
    mit Lego spielen oder
    Plastik-Roboter zusammenbauen.
  • 10:24 - 10:26
    Sie sagen: "Fass das nicht an.
    Papa macht es für dich."
  • 10:26 - 10:27
    Das Kind hat bereits das Interesse verloren
    und macht etwas anderes,
  • 10:27 - 10:31
    aber der Vater baut die Burgen allein weiter.
  • 10:31 - 10:36
    Dies zeigt, dass der künstlerische Impuls
    in uns unterdrückt, aber nicht verschwunden ist.
  • 10:36 - 10:40
    Aber er kann sich oft auch negativ,
    in Form von Eifersucht zeigen.
  • 10:40 - 10:45
    Es gibt ein Lied namens "Ich würde gern im Fernsehen sein". Warum hätten wir das gerne?
  • 10:45 - 10:49
    Im Fernsehen sehen wir viele Menschen,
    die das tun, was wir gerne getan hätten,
  • 10:49 - 10:51
    aber wozu wir nie gekommen sind.
  • 10:51 - 10:57
    Sie tanzen, sie handeln – und je mehr sie tun,
    desto mehr werden sie gelobt.
  • 10:57 - 11:00
    Also fangen wir an, sie zu beneiden.
  • 11:00 - 11:04
    Wir werden zu Diktatoren mit einer Fernbedienung
    und fangen an, die Menschen im Fernsehen zu kritisieren.
  • 11:04 - 11:10
    "Er kann einfach nicht schauspielern."
    "Das nennst du singen? Sie trifft die Töne nicht."
  • 11:10 - 11:12
    Wir sagen schnell solche Sachen.
  • 11:12 - 11:15
    Wir werden eifersüchtig,
    nicht, weil wir böse sind,
  • 11:15 - 11:20
    aber weil wir die kleinen Künstler
    in uns eingesperrt haben.
  • 11:20 - 11:23
    Das ist meine Meinung.
  • 11:23 - 11:25
    Was sollten wir also tun?
  • 11:25 - 11:26
    Ja, das ist richtig.
  • 11:26 - 11:29
    Wir müssen jetzt anfangen,
    unsere eigene Kunst zu machen.
  • 11:29 - 11:30
    Genau in dieser Minute können
    wir den Fernseher ausschalten.
  • 11:30 - 11:32
    Loggen Sie sich aus dem Internet aus,
  • 11:32 - 11:35
    stehen Sie auf und fangen Sie an, etwas zu tun.
  • 11:35 - 11:37
    Dort, wo ich Studenten in der
    Schauspielschule unterrichte,
  • 11:37 - 11:40
    gibt es einen Kurs Theaterwissenschaft.
  • 11:40 - 11:44
    In diesem Kurs müssen alle Studenten
    ein Theaterstück einstudieren.
  • 11:44 - 11:48
    Jedoch sollten Schauspiel-Studenten
    nicht Theater spielen.
  • 11:48 - 11:50
    Sie können z.B. das Stück schreiben,
  • 11:50 - 11:53
    und die Autoren können an der Bühnenkunst arbeiten.
  • 11:53 - 11:55
    Ebenso können Bühnenkunst-Studenten Schauspieler werden, Akteure, und so kann man ein Stück inszenieren.
  • 11:55 - 11:59
    Zuerst fragen sich die Studenten,
    ob sie das tatsächlich können,
  • 11:59 - 12:03
    aber später haben sie so viel Spaß. Ich sehe selten
    jemanden, der während des Stückes unglücklich ist.
  • 12:03 - 12:07
    In der Schule, beim Militär oder sogar in einer psychiatrischen Anstalt: Sobald Sie Menschen dazu bringen, genießen sie es.
  • 12:07 - 12:12
    Ich habe das in der Armee gesehen –
    viele Menschen hatten Spaß beim Schauspielern.
  • 12:12 - 12:15
    Ich habe noch eine andere Erfahrung gemacht:
  • 12:15 - 12:19
    In meiner Schreib-Klasse gebe ich
    den Studenten eine besondere Aufgabe.
  • 12:19 - 12:25
    Ich habe die Schüler wie Sie in der Klasse –
    viele, die keinen Abschluss im Schreiben haben
  • 12:25 - 12:29
    Manche haben einen Abschluss in Kunst oder Musik,
    und glauben, dass sie nicht schreiben können.
  • 12:29 - 12:33
    Ich gebe ihnen leere Papierbögen und ein Thema.
  • 12:33 - 12:35
    Es kann ein einfaches Thema sein:
  • 12:35 - 12:37
    Schreiben Sie über die unglücklichste Erfahrung
    in Ihrer Kindheit.
  • 12:37 - 12:41
    Es gibt eine Bedingung: Sie müssen
    wie verrückt schreiben. Wie verrückt!
  • 12:41 - 12:44
    Ich laufe herum und ermutige sie,
  • 12:44 - 12:48
    "Los, los!" Sie müssen wie verrückt
    ein oder zwei Stunden schreiben.
  • 12:48 - 12:51
    Sie dürfen nur in den ersten fünf Minuten nachdenken.
  • 12:51 - 12:54
    Der Grund, warum ich sie wie
    verrückt schreiben lasse ist der:
  • 12:54 - 12:57
    Wenn Sie langsam schreiben und
    viele Gedanken haben,
  • 12:57 - 12:59
    dann schleicht sich der künstlerische Teufel ein.
  • 12:59 - 13:03
    Dieser Teufel wird Ihnen Hunderte von Gründen geben
  • 13:03 - 13:06
    warum Sie nicht schreiben können:
  • 13:06 - 13:09
    "Menschen werden Sie auslachen.
    Das ist nicht gut geschrieben!
  • 13:09 - 13:11
    Was für ein Satz ist das?
    Sehen Sie sich Ihre Handschrift an!"
  • 13:11 - 13:12
    Er wird viele Dinge sagen.
  • 13:12 - 13:15
    Sie müssen so schnell laufen,
    dass der Teufel Sie nicht einholen kann.
  • 13:15 - 13:19
    Das wirklich gut Geschriebene aus meiner Klasse
  • 13:19 - 13:21
    kam nicht aus den Aufgaben mit langer Frist,
  • 13:21 - 13:25
    sondern aus den 40-60 Minuten
    wilden Schreibens der Studenten
  • 13:25 - 13:28
    mit einem Bleistift direkt vor mir.
  • 13:28 - 13:30
    Die Studenten fallen in eine Art Trance.
  • 13:30 - 13:35
    Nach 30 bis 40 Minuten schreiben sie,
    ohne zu wissen, was sie schreiben.
  • 13:35 - 13:38
    Und in diesem Moment verschwindet
    der nagende Teufel.
  • 13:38 - 13:39
    So kann ich sagen:
  • 13:39 - 13:43
    Es geht nicht um die Hunderte von Gründen,
    warum man kein Künstler sein kann,
  • 13:43 - 13:48
    sondern um den einen Grund,
    warum man ein Künstler sein muss.
  • 13:48 - 13:49
    Warum wir etwas nicht sein können, ist nicht wichtig.
  • 13:49 - 13:52
    Die meisten Künstler wurden
    aus diesem einem Grund Künstler.
  • 13:52 - 13:56
    Sobald wir den Teufel in unserem Herzen einschlafen
    lassen und unsere eigene Kunst starten,
  • 13:56 - 13:58
    erscheinen unsere Feinde von außen.
  • 13:58 - 14:01
    Meistens haben sie die Gesichter
    unserer Eltern. (Gelächter)
  • 14:01 - 14:04
    Manchmal sehen sie aus wie unsere Ehepartner,
  • 14:04 - 14:06
    aber sie sind nicht Ihre Eltern oder Ehepartner.
  • 14:06 - 14:09
    Sie sind Teufel. Teufel.
  • 14:09 - 14:11
    Sie kamen kurz verwandelt auf die Erde
  • 14:11 - 14:15
    um Sie davon abzuhalten, künstlerisch zu werden,
    ein Künstler zu werden.
  • 14:15 - 14:17
    Und sie haben eine Zauberfrage.
  • 14:17 - 14:23
    Wenn wir sagen: "Ich versuche das Schauspielern mal.
    Es gibt eine Schauspielschule im Gemeindezentrum,"
  • 14:23 - 14:28
    oder: "Ich würde gerne italienische Lieder lernen,"
    fragen sie: "Ach ja? Ein Theaterstück? Wozu?"
  • 14:28 - 14:31
    Die magische Frage lautet: "Wozu?"
  • 14:31 - 14:35
    Aber Kunst ist nicht für irgendwas.
  • 14:35 - 14:37
    Kunst ist das höchste Ziel.
  • 14:37 - 14:41
    Sie rettet unsere Seelen und
    lässt uns glücklich leben.
  • 14:41 - 14:47
    Sie hilft uns, uns auszudrücken und ohne die Hilfe
    von Alkohol oder Drogen glücklich zu sein.
  • 14:47 - 14:51
    Also als Antwort auf so eine pragmatische Frage
  • 14:51 - 14:54
    müssen wir mutig sein.
  • 14:54 - 14:58
    "Naja, einfach zum Spaß.
    Sorry, dass ich ohne dich Spaß habe",
  • 14:58 - 15:02
    das sollten Sie sagen. "Ich werde einfach
    weitermachen und es trotzdem tun."
  • 15:02 - 15:07
    Die ideale Zukunft, die ich mir vorstelle,
    ist eine, in der wir alle mehrere Identitäten haben,
  • 15:07 - 15:11
    zumindest eine davon ist ein Künstler.
  • 15:11 - 15:14
    Ich in war mal New York und stieg in ein Taxi.
    Ich setzte mich auf den Rücksitz
  • 15:14 - 15:18
    und vor mir sah ich etwas,
    das mit Theater zu tun hatte.
  • 15:18 - 15:19
    Also fragte ich den Fahrer: "Was ist das?"
  • 15:19 - 15:23
    Er sagte, es sei sein Profil. "Und was sind Sie?"
    fragte ich. "Schauspieler", sagte er.
  • 15:23 - 15:27
    Er war ein Taxifahrer und ein Schauspieler.
    Ich fragte: "Welche Rollen spielen Sie in der Regel?"
  • 15:27 - 15:29
    Er sagte stolz, dass er König Lear spielt.
  • 15:29 - 15:30
    König Lear.
  • 15:30 - 15:32
    "Wer ist es, der mir sagen kann, wer bin ich?"
    – eine große Zeile von König Lear.
  • 15:32 - 15:35
    Das ist die Welt, von der ich träume.
  • 15:35 - 15:39
    Jemand ist tagsüber ein Golfer
    und nachts ein Schriftsteller.
  • 15:39 - 15:42
    Oder ein Taxifahrer und ein Schauspieler,
    ein Banker und ein Maler,
  • 15:42 - 15:47
    der heimlich oder öffentlich
    seine eigene Kunst aufführt.
  • 15:47 - 15:52
    1990 kam Martha Graham, die Legende
    des modernen Tanzes, nach Korea.
  • 15:52 - 15:58
    Die große Künstlerin, damals schon weit über 90,
    kam am Flughafen Gimpo an
  • 15:58 - 16:01
    und ein Reporter stellte ihr eine typische Frage:
  • 16:01 - 16:04
    "Was muss man tun,
    um eine große Tänzerin werden?
  • 16:04 - 16:06
    Haben Sie einen Rat für
    angehende koreanische Tänzerinnen?"
  • 16:06 - 16:11
    Nun, sie war die Meisterin. Dieses Foto wurde 1948
    aufgenommen und da sie war bereits eine gefeierte Künstlerin.
  • 16:11 - 16:13
    1990 wurde ihr diese Frage gestellt.
  • 16:13 - 16:16
    Sie sagte nur dies:
  • 16:16 - 16:20
    "Just do it." – "Tu es einfach."
  • 16:20 - 16:22
    Wow. Ich war gerührt.
  • 16:22 - 16:26
    Nur diese drei Worte und dann
    verließ sie den Flughafen. Das war's.
  • 16:26 - 16:29
    Also was sollen wir jetzt tun?
  • 16:29 - 16:33
    Lasst uns jetzt Künstler sein. Sofort.
    Wie?
  • 16:33 - 16:34
    Tut es einfach!
  • 16:34 - 16:35
    Vielen Dank.
  • 16:35 - 16:37
    (Beifall)
Title:
Young-ha Kim: Seid Künstler, jetzt!
Speaker:
Young-ha Kim
Description:

Warum hören wir je auf zu spielen und zu erschaffen? Mit Charme und Humor beruft sich der gefeierte koreanische Schriftsteller Young-ha Kim auf die berühmtesten Künstler der Welt, um Sie zu überzeugen, das innere Kind zu entfesseln – den Künstler, der für immer spielen möchte. (Gefilmt bei TEDxSeoul)

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Video Language:
Korean
Team:
closed TED
Project:
TEDTalks
Duration:
16:57

German subtitles

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