-
Dolmetscherin: Piano, "p",
ist mein liebstes musikalische Symbol.
-
Es bedeutet, sanft zu spielen.
-
Wenn man ein Musikinstrument spielt
und in der Partitur ein "p" bemerkt,
-
muss man sanfter spielen.
-
Zwei "p" s -- noch sanfter.
-
Vier "p" s -- extrem sanft.
-
Das ist meine Zeichnung eines p-Baums,
-
die zeigt,
-
egal wie viele Abertausende "p" s es gibt,
-
man erreicht nie vollkommene Stille.
-
Das ist meine aktuelle
Definition von Stille:
-
ein sehr dunkler Klang.
-
Ich möchte Ihnen etwas
-
über die Geschichte der American
Sign Language, ASL, vermitteln,
-
und etwas zu meinem Hintergrund.
-
Französische Gebärdensprache
kam Anfang des 18 Jh. nach Amerika,
-
und vermischte sich im Laufe
der Zeit mit lokalen Gesten,
-
daraus entwickelte sich die heute
als ASL bekannte Sprache.
-
Sie hat also eine etwa
200jährige Geschichte.
-
Ich wurde taub geboren,
-
und mir wurde beigebracht,
dass Klang kein Teil meines Lebens ist.
-
Damals glaubte ich daran.
-
Heute erkenne ich,
dass das überhaupt nicht stimmte.
-
Klänge waren ein großer
Teil meines Lebens,
-
und kamen mir täglich in den Sinn.
-
Als Gehörlose in einer Welt
voller Klänge zu leben,
-
war wie in einem fremden Land zu leben,
-
blindlings die Regeln, Bräuche,
Verhaltensweisen und Normen befolgend,
-
ohne sie je in Frage zu stellen.
-
Wie kann ich Klang überhaupt erfassen?
-
Ich beobachte menschliches Verhalten
und die Reaktion auf Klänge.
-
Menschen sind wie meine Lautsprecher,
sie verstärken Klang.
-
Ich lerne und kopiere das Verhalten.
-
Gleichzeitig habe ich gelernt,
dass ich Klänge produziere,
-
und gesehen, wie Leute auf mich reagieren.
-
So habe ich zum Beispiel gelernt:
-
"Schlag die Tür nicht zu!"
-
"Mach' nicht so viel Krach,
wenn du aus der Chips-Tüte ist."
-
(Gelächter)
-
"Rülps nicht,
-
und während du isst,
-
achte darauf, mit dem Besteck
nicht den Teller zu kratzen."
-
All diese Dinge nenne ich
"Klang-Etikette".
-
Vielleicht denke ich mehr
über Klang-Etikette nach
-
als der durchschnittliche
Hörende das je tut.
-
Ich bin bei Klang hyper-wachsam.
-
Ich warte immer in eifriger,
nervöser Erwartung
-
bei Geräuschen, was als nächstes kommt.
-
Daher diese Zeichnung.
-
TBD, to be decided [zu entscheiden].
-
TBC, to be continued [fortzusetzen].
-
TBA, to be announced [bekanntzumachen].
-
Sie bemerken sicher die Notenlinien --
-
es gibt keine Noten zwischen den Linien.
-
Weil die Linien schon Klänge beinhalten
-
durch die subtilen Kleckse und Schmieren.
-
In der Gehörlosenkultur
entspricht Bewegung Klang.
-
Das ist ein Zeichen
für Notenlinien in ASL.
-
Eine typische Notenlinie enthält 5 Linien.
-
Es fühlt sich nicht natürlich an,
es mit dem Daumen
-
nach oben zu gebärden.
-
In meinen Zeichnungen sehen Sie,
dass ich bei vier Linien bleibe.
-
Im Jahr 2008 hatte ich die Gelegenheit,
nach Berlin, Deutschland, zu reisen,
-
für ein Kunststipendium.
-
Davor hatte ich als Malerin gearbeitet.
-
In diesem Sommer besuchte ich
verschiedene Museen und Galerien.
-
Als ich von einem Ort zum nächsten ging,
-
merkte ich, dass es dort
keine Visuelle Kunst gab.
-
Damals war Sound im Trend
-
und mir fiel auf,
dass es keine visuelle Kunst gab,
-
alles war akustisch.
-
Klang war also in mein
Kunst-Revier eingedrungen.
-
Wird es mich stärker
von der Kunst entfernen?
-
Ich merkte, dass das gar nicht
der Fall sein musste.
-
Ich kannte Klang.
-
Ich kenne ihn so gut,
-
dass ich es nicht nur
durch meine Ohren erfahren kann.
-
Ich konnte es tatsächlich fühlen
-
oder als etwas Visuelles erleben,
-
oder sogar als eine Vorstellung.
-
Ich entschied daher,
das Eigentum über Klang zurückzufordern
-
und in meine Kunsttätigkeit aufzunehmen.
-
Ich beschloss mit allem,
was mir über Klang beigebracht worden war,
-
aufzuräumen und es zu verlernen.
-
Ich begann ein neues Œuvre.
-
Als ich das der Kunstszene vorstellte,
-
überwältigte mich die Unterstützung
und Aufmerksamkeit, die ich erhielt.
-
Ich erkannte:
-
Klang ist wie Geld,
-
Macht, Kontrolle --
-
soziale Währung.
-
In meinem Innern fühlte ich immer,
dass Klang Ihr Ding war,
-
von hörenden Personen.
-
Töne sind so mächtig,
-
dass sie entweder mich
und mein Werk entmachten
-
oder mich stärken konnten.
-
Ich entschied, gestärkt zu werden.
-
Es gibt eine starke Kultur
rund um die gesprochene Sprache.
-
Und nur weil ich meine eigentliche Stimme
nicht zur Kommunikation nutze,
-
scheint es der Gesellschaft so
als hätte ich gar keine Stimme.
-
Daher muss ich mit Personen arbeiten,
die mich als Gleichwertige unterstützen
-
und zu meiner Stimme werden.
-
So bin ich in der Lage in der heutigen
Gesellschaft relevant zu bleiben.
-
In der Schule, auf der Arbeit
und in Einrichtungen
-
arbeite ich mit verschiedenen
ASL-Dolmetschern.
-
Deren Stimmen werden
zu meiner Stimme und Identität.
-
Sie helfen mir, gehört zu werden.
-
Ihre Stimmen besitzen Wert und Währung.
-
Indem ich mir ihre Stimme leihe,
-
erhalte ich ironischerweise
eine temporäre Form von Währung,
-
so ähnlich wie einen Kredit
mit sehr hohen Zinsen aufzunehmen.
-
Wenn ich diese Praxis nicht fortsetze,
-
fühle ich, ich könnte einfach
in Vergessenheit geraten
-
und keine Form von
sozialer Währung bewahren.
-
Mit Klängen als mein neues Kunstmedium
-
tauchte ich in die Welt der Musik ein.
-
Mich überraschte, die Ähnlichkeiten
zwischen Musik und ASL zu sehen.
-
Zum Beispiel
-
kann eine Musiknote
-
nicht vollständig auf Papier
eingefangen und ausgedrückt werden.
-
Gleiches gilt für ein Konzept in ASL.
-
Sie sind beide
extrem räumlich und flexiv --
-
was bedeutet, dass kleine Änderungen
-
die gesamte Bedeutung
von Gebärden und Klängen
-
beeinflussen können.
-
Hier eine Piano-Metapher,
-
damit sie besser verstehen,
wie ASL funktioniert.
-
Stellen Sie sich ein Piano vor.
-
ASL wird in viele verschiedene
grammatische Parameter aufgegliedert.
-
Wenn Sie beim Klavierspielen jedem Finger
einen anderen Parameter zuordnen --
-
wie Gesichtsausdruck, Körperbewegung,
-
Geschwindigkeit, Handzeichen usw.,
-
während sie Piano spielen --
-
Englisch ist eine lineare Sprache,
-
als würde man immer eine Taste
nach der anderen spielen.
-
ASL ist jedenfalls mehr wie ein Akkord --
-
alle 10 Finger müssen gleichzeitig
zum Einsatz kommen,
-
um ein klares Konzept
oder eine Idee in ASL auszudrücken.
-
Wenn nur eine Taste
den Akkord verändern würde,
-
bekäme es eine völlig andere Bedeutung.
-
Das selbe trifft auf die Musik zu,
was Tonlage, Ton und Volumen betrifft.
-
In ASL kann man durch Spielen mit
den verschiedenen grammatische Parametern
-
verschiedene Ideen ausdrücken.
-
Z. B. das Zeichen für ETWAS-ANSCHAUEN.
-
Das ist das Zeichen ETWAS-ANSCHAUEN.
-
Ich schaue Sie an.
-
Ich starre Sie an.
-
(Gelächter)
-
(Gelächter)
-
Oh -- erwischt!
-
(Gelächter)
-
Oh oh.
-
Was schauen Sie an?
-
Aufhören.
-
(Gelächter)
-
Dann dachte ich:
-
"Was, wenn ich ASL durch
eine Musik-Brille betrachte?"
-
Würde ich ein Zeichen kreieren
und es immer wieder wiederholen,
-
wäre es eine Art visuelles Musikstück.
-
Das ist z. B. das Zeichen für "Tag",
-
die Sonne geht auf und unter.
-
Das ist "ganztägig".
-
Würde ich es wiederholen und verlangsamen,
-
sieht es visuell wie ein Musikstück aus.
-
Ganzer... Tag.
-
Gleiches gilt für die "ganze Nacht".
-
"Die ganze Nacht".
-
Das ist GANZ-NACHT,
dargestellt in dieser Zeichnung.
-
Das brachte mich dazu
-
über drei verschiedene Arten
von Nacht nachzudenken:
-
"letzte Nacht",
-
"über Nacht",
-
(Singt) "die ganze Nach lang".
-
(Gelächter)
-
Gefühlsmäßig hat das dritte viel mehr
Musikalität als die anderen beiden.
-
(Gelächter)
-
Dieses stellt dar, wie Zeit
in ASL ausgedrückt wird
-
und wie der Abstand zum Körper
Änderungen im Zeitverlauf ausdrücken kann.
-
Zum Beispiel:
-
1H ist eine Hand, 2H sind zwei Hände,
-
Präsens passiert am nächsten
zu und vor dem Körper.
-
Zukunft ist vor dem Körper
und Vergangenheit hinter dem Rücken.
-
Das erste Beispiel ist "vor langer Zeit".
-
Dann "Vergangenheit",
-
"gewohnt"
-
und das letzte, mein Favorit,
-
mit einer sehr romantischen
und dramatischen Idee,
-
"es war einmal".
-
(Gelächter)
-
"Viervierteltakt"
-
ist ein musikalischer Begriff
-
mit einer spezifischen Taktart
von vier Schlägen pro Takt.
-
Sehe ich das Wort "Viervierteltakt",
-
denke ich automatisch "gleichzeitig".
-
Also, RH: rechte Hand, LH: linke Hand.
-
Die Notenlinien sind
über dem Kopf und der Brust.
-
[Kopf: RH, Blitz-Kralle]
-
[Viervierteltakt]
-
[Brust: LH, Blitz-Kralle]
-
Ich zeige jetzt ein Handzeichen
namens "Blitz-Kralle".
-
Können Sie es mir bitte nachmachen?
-
Alle die Hände hoch.
-
Jetzt werden wir es vor dem Kopf
und der Brust machen,
-
wie beim "Viervierteltakt"
oder "gleichzeitig".
-
Ja, genau.
-
"Sich verlieben" in International Sign.
-
(Gelächter)
-
International Sign als Anmerkung,
-
ist ein visuelles Hilfsmittel,
um Kommunikation
-
über Kulturen und Gebärdensprachen
in aller Welt zu unterstützen.
-
Als zweites möchte ich
gerne dieses zeigen --
-
machen Sie es mir bitte wieder nach.
-
Und jetzt dieses.
-
Das ist "Kolonisation" in ASL.
-
(Gelächter)
-
Jetzt das dritte --
-
bitte wieder nachmachen.
-
Und noch mal.
-
Das ist "Erleuchtung" in ASL.
-
Jetzt alle drei zusammen.
-
"Sich verlieben",
-
"Kolonisation"
-
und "Erleuchtung".
-
Gut gemacht, Sie alle.
-
(Gelächter)
-
Beachten Sie, wie ähnlich
alle drei Zeichen sind.
-
Sie finden alle vor Kopf und Brust statt,
-
aber sie haben sehr
verschiedene Bedeutungen.
-
Es ist beeindruckend zu sehen,
wie lebendig und erfolgreich ASL ist,
-
genau wie die Musik.
-
Dennoch leben wir heutzutage
-
in einer sehr audio-zentrischen Welt.
-
Nur weil ASL keinen Klang hat,
-
hat es automatisch keine soziale Währung.
-
Wir müssen genauer überlegen,
was soziale Währung definiert
-
und ASL erlauben, seine eigene Form
der Währung zu entwickeln --
-
ohne Klang.
-
Dieser Schritt könnte vielleicht zu
einer inklusiveren Gesellschaft beitragen.
-
Vielleicht werden die Menschen verstehen,
-
dass man nicht taub sein muss,
um ASL zu lernen,
-
noch muss man hören können,
um Musik zu lernen.
-
ASL ist so ein reicher Schatz,
-
dass ich mir wünsche,
dass Sie die gleiche Erfahrung haben.
-
Ich möchte Sie dazu einladen,
Ihre Ohren zu öffnen,
-
Ihre Augen zu öffnen,
-
an unserer Kultur teilzunehmen
und unsere visuelle Sprache zu erleben.
-
Und Sie wissen nie,
-
vielleicht verlieben Sie sich in uns.
-
(Applaus)
-
Danke.
-
Denise Kahler-Braaten: Hey, das bin ich.
-
(Applaus)