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Wie Bücher den Geist beleben können

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    Ich wurde zwei Jahre lang trainiert,
    um eine Turnerin zu werden,
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    in Hunan, China, in den 1970er Jahren.
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    Als ich in der ersten Klasse war,
    wollte mich die Regierung
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    auf eine Schule für Athleten schicken,
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    alle Unkosten bezahlt.
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    Aber meine Mutter sagte: „Nein.“
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    Meine Eltern wollten,
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    dass ich Ingenieur wie sie werde.
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    Nachdem sie die Kulturrevolution
    überlebt hatten,
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    glaubten sie fest daran,
    dass der einzige Weg zum Glück
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    ein sicherer und gut bezahlter Job sei.
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    Es ist nicht wichtig,
    ob ich den Job mag oder nicht.
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    Aber mein Traum war es,
    eine chinesische Opernsängerin zu werden.
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    Das bin ich, wie ich
    auf meinem imaginären Klavier spiele.
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    Eine Opernsängerin muss sehr früh
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    mit dem Akrobatik-Training beginnen.
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    Also habe ich alles versucht,
    um in die Opernschule gehen zu können.
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    Ich schrieb sogar an den Schuldirektor
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    und an den Moderator einer Radioshow.
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    Aber die Erwachsenen
    mochten meine Idee nicht.
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    Die Erwachsenen glaubten nicht,
    dass es mir ernst damit war.
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    Nur meine Freunde unterstützten mich,
    aber sie waren auch nur Kinder,
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    genauso machtlos wie ich selbst.
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    Und mit 15 Jahren wusste ich, dass ich zu alt war,
    um noch mit dem Training anzufangen.
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    Mein Traum würde also nie wahr werden.
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    Ich hatte Angst davor,
    dass ich mir den Rest meines Lebens
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    nur ein Glück zweiter Wahl
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    erhoffen konnte.
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    Aber das ist so ungerecht.
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    Also hatte ich mir in den Kopf gesetzt,
    eine andere Berufung zu finden.
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    Keiner da, um mich etwas zu lehren?
    Auch gut.
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    Also wendete ich mich Büchern zu.
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    Ich stillte meinen Hunger nach elterlichem Rat
    mit diesem Buch
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    über eine Schriftsteller- und Musikerfamilie.
    [„Briefe der Familie von Fu Lei“]
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    Ich fand mein Vorbild in einer unabhängigen Frau,
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    während die konfuzianische Tradition
    Gehorsam verlangt. [„Jane Eyre“]
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    Von diesem Buch habe ich gelernt effizient zu sein.
    [„Im Dutzend billiger“]
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    Bücher haben mich dazu inspiriert,
    im Ausland zu studieren.
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    [„Sanmaos Gesamtwerk“ (alias Echo Chan)]
    [„Lektionen der Geschichte“ von Nan Huaijin]
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    1995 kam ich in die USA.
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    Und welche Bücher habe ich zuerst gelesen?
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    Natürlich Bücher, die in China verboten sind.
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    „Die gute Erde“ handelt
    vom Leben der chinesischen Bauern.
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    Das eignet sich einfach nicht als Propaganda.
    Hab ich verstanden.
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    Die Bibel ist interessant, aber seltsam.
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    (Lachen)
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    Aber das ist ein Thema für ein anderes Mal.
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    Aber das fünfte Gebot brachte mir
    eine Art Erleuchtung:
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    „Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.“
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    „Ehre“, dachte ich, „das ist so anders
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    und viel besser als Gehorsam.“
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    Das war meine Art und Weise,
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    um mich von dem
    konfuzianischen Schuldgefühl zu befreien
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    und die Beziehung
    zu meinen Eltern zu erneuern.
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    Durch die Begegnung mit einer neuen Kultur
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    begann ich mit dem vergleichenden Lesen.
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    Dies gewährt viele Einblicke.
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    Ich fand zum Beispiel diese Karte
    zunächst nicht richtig angeordnet,
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    weil chinesische Schüler
    mit dieser hier aufwachsen.
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    Es kam mir nie in den Sinn,
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    dass China gar nicht
    im Zentrum der Welt sein muss.
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    Eine Karte sagt also etwas
    über die persönliche Sichtweise aus.
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    Das vergleichende Lesen
    ist eigentlich nichts Neues.
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    In der akademischen Welt
    ist es ein Standardverfahren.
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    Es gibt sogar Forschungsbereiche wie
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    Vergleichende Religionswissenschaft und
    Vergleichende Literaturwissenschaft.
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    Vergleich und Gegenüberstellung ermöglichen
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    ein komplexeres Verständnis eines Themas.
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    Also dachte ich,
    wenn vergleichendes Lesen
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    in der Forschung funktioniert,
    warum nicht auch im täglichen Leben?
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    So begann ich,
    immer zwei Bücher gleichzeitig zu lesen.
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    Sie können von Menschen handeln –
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    [„Benjamin Franklin“ von Walter Isaacson]
    [„John Adams“ von David McCullough]
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    die an dem gleichen Ereignis beteiligt waren,
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    oder von Freunden
    mit gemeinsamen Erfahrungen.
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    [„Wir drucken!“ von Katharine Graham]
    [„Warren Buffet – Das Leben ist wie ein Schneeball“ von Alice Schroeder].
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    Ich vergleiche auch dieselben Geschichten
    in verschiedenen Genres – (Lachen)
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    [King-James-Bibel]
    [„Die Bibel nach Biff“ von Christopher Moore] –
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    oder ähnliche Geschichten
    aus verschiedenen Kulturen,
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    wie in Joseph Campbells wunderbarem Buch.
    [„Lebendiger Mythos“ von Joseph Campbell]
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    Christus und Buddha zum Beispiel
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    mussten drei Versuchungen widerstehen.
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    Bei Christus waren die Versuchungen
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    wirtschaftlicher, politischer
    und spiritueller Natur.
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    Bei Buddha waren sie alle
    psychologischer Natur:
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    Lust, Furcht und soziale Pflicht – interessant.
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    Wenn man eine Fremdsprache beherrscht,
    macht es auch Spaß,
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    die Lieblingsbücher in zwei Sprachen zu lesen.
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    [„Sinfonie für einen Seevogel“ von Thomas Merton]
    [“Der Lauf des Wassers – Die Lebensweisheit des
    Taoismus” von Alan Watts]
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    Anstatt mich in der Übersetzung zu verlieren,
    fand ich heraus, wieviel ich dadurch gewinnen kann.
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    Durch Übersetzung ist mir
    zum Beispiel bewusst geworden,
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    dass “Glück” im Chinesischen wörtlich übersetzt
    “schnelle Freude” bedeutet. Huch!
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    „Braut“ im Chinesischen bedeutet
    wörtlich übersetzt „neue Mutter“. Ohoh.
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    (Lachen)
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    Bücher sind für mich wie ein magisches Tor.
    Durch sie habe ich eine Verbindung
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    zu der Menschen
    der Vergangenheit und Gegenwart.
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    Ich weiß, dass ich mich nie mehr
    einsam oder machtlos fühlen werde.
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    Ein zerplatzter Traum ist wirklich nichts
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    im Vergleich zu dem,
    was viele andere durchgemacht haben.
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    Ich bin zu der Überzeugung gekommen,
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    dass es nicht der einzige Zweck eines Traumes ist,
    wahr zu werden.
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    Sein wichtigster Zweck ist es,
    uns mit dem in Berührung zu bringen,
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    woher Träume stammen,
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    wo unsere Leidenschaft und
    unser Glück herkommen.
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    Sogar ein zerplatzter Traum kann diesen Zweck erfüllen.
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    Wegen Büchern bin ich heute hier,
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    glücklich, wieder mit einem Zweck im Leben
    und mit klarem Blick,
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    die meiste Zeit über.
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    Mögen Bücher immer mit Ihnen sein.
  • 5:38 - 5:39
    Vielen Dank.
  • 5:39 - 5:41
    (Beifall)
  • 5:41 - 5:44
    Vielen Dank. (Beifall)
  • 5:44 - 5:50
    Vielen Dank. (Beifall)
Title:
Wie Bücher den Geist beleben können
Speaker:
Lisa Bu
Description:

Was geschieht, wenn ein Traum, den man seit Kindestagen hat … nicht wahr wird? Als sich Lisa Bu in den Vereinigten Staaten ein neues Leben aufbaut, wendet sie sich Büchern zu, um ihren Horizont zu erweitern und einen neuen Weg für sich zu finden. Sie erzählt uns etwas über ihre einzigartige Einstellung zum Lesen, in diesem großartigen, persönlichen Talk über die Magie von Büchern.

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Video Language:
English
Team:
closed TED
Project:
TEDTalks
Duration:
06:16

German subtitles

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