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Was passiert, wenn der Hippocampus entfernt wird? - Sam Kean

  • 0:07 - 0:10
    Am 1. September 1953
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    öffnete William Scoville
    mit einer einfachen Bohrsäge
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    den Schädel eines Mannes,
    entfernte wesentliche Hirnteile
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    und saugte diese durch ein Metallrohr ab.
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    Das war keine Szene eines Horrorfilms
    oder eines grausamen Polizeiberichts.
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    Dr. Scoville war damals
    einer der berühmtesten Neurochirurgen
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    und der junge Mann war Henry Molaison,
    der berühmte Patient, genannt " H.M.".
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    Sein Fall lieferte bedeutende
    Erkenntnisse zur Gehirntätigkeit.
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    Als Junge erlitt Henry bei einem Unfall
    einen Schädelbruch,
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    danach traten epileptische Anfälle
    und Bewusstlosigkeit auf.
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    Diese Zustände hielten jahrelang an
    und er brach seine Ausbildung ab.
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    Der verzweifelte junge Mann
    ging zu Dr. Scoville,
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    einem risikofreudigen Chirurgen.
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    Jahrzehntelang führte man Teil-Lobotomien
    bei mentalen Patienten durch,
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    weil man annahm, dass mentale Funktionen
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    exakt den zugehörigen Hirnarealen
    zuzuordnen seien.
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    Die Lobotomien waren bislang erfolgreich
    bei psychotischen Anfällen,
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    deshalb entschied Dr. Scoville,
    H.M.s Hippocampus zu entfernen.
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    Er ist Teil des limbischen Systems,
    das mit Emotionen verbunden wurde.
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    Die Funktion des Hippocampus
    war jedoch unbekannt.
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    Auf den ersten Blick
    war die Operation erfolgreich.
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    H.M.s epileptische Anfälle verschwanden,
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    seine Persönlichkeit und sein IQ
    schienen nicht beeinträchtigt.
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    Doch war da ein Problem:
    Sein Gedächtnis funktionierte nicht.
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    Er verlor die meisten Erinnerungen
    an die vorherigen Jahre.
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    Er war unfähig neue aufzubauen,
    z. B. vergaß er das Datum,
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    wiederholte ständig Bemerkungen,
    und aß viele Mahlzeiten hintereinander.
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    Scoville schickte die Ergebnisse an
    Wilder Penfield, ein anderer Experte.
  • 1:52 - 1:58
    Dieser bat die Studentin Brenda Milner,
    H.M. in seinem Elternhaus zu testen.
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    Dort tat H.M. täglich seltsame Dinge,
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    auch sah er sich immer wieder
    die gleichen alten Filme an.
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    Milners zahlreiche Testergebnisse
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    waren ein bedeutender Beitrag
    zu den Gedächtnisstudien.
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    Das Gedächtnis wurde neu definiert.
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    Ein Ergebnis von Milner war, dass H.M.
    keine neuen Erinnerungen behielt,
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    aber trotzdem Informationen
    solange speicherte,
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    dass er z. B. einen Satz beenden
    oder das Bad finden konnte.
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    Als Milner ihm eine beliebige Zahl gab,
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    schaffte es H.M., sich die Zahl
    15 Minuten zu merken,
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    indem er sie ständig wiederholte.
  • 2:33 - 2:38
    Aber nur 5 Minuten später vergaß er,
    dass der Test stattgefunden hatte.
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    Wissenschaftler meinten damals,
    das Gedächtnis sei ein Einheitssystem
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    und Erinnerungen wären
    im Gehirn überall gespeichert.
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    Milners Ergebnisse waren der erste Hinweis
    für den jetzt bekannten Unterschied
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    zwischen Kurz- und Langzeitgedächtnis.
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    Aber auch dafür, dass diese
    verschiedene Hirnregionen nutzen.
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    Wir wissen nun, dass Gedächtnisbildung
    in mehreren Schritten erfolgt.
  • 2:59 - 3:05
    Sensorische Daten werden zunächst
    im Cortex von Neuronen umgeschrieben,
  • 3:05 - 3:07
    und wandern dann in den Hippocampus.
  • 3:07 - 3:12
    Dort festigen spezielle Proteine
    die kortikalen Synapsenverbindungen.
  • 3:12 - 3:16
    War die Wahrnehmung ausreichend, oder
    erinnern wir uns anfangs regelmäßig an sie
  • 3:16 - 3:19
    transportiert der Hippocampus
    die Daten wieder zurück zum Cortex.
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    Dort werden diese dauerhaft gespeichert.
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    H.M.s Gedächtnis konnte die
    ersten Eindrücke wahrnehmen,
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    aber ohne Hippocampus konnte
    die Gedächtnisfestigung nicht stattfinden.
  • 3:29 - 3:33
    Sie verschwanden wie in Sand
    gekritzelte Nachrichten.
  • 3:33 - 3:37
    Milner entdeckte nicht nur
    diesen Gedächtnisunterschied.
  • 3:37 - 3:41
    In einem heute berühmten Test
    bat sie H.M. einen dritten Stern
  • 3:41 - 3:46
    mittig in den engen Raum
    zwischen zwei Außenlinien zu zeichnen.
  • 3:46 - 3:49
    Dabei sah er das Papier und den Stift
    nur in einem Spiegel.
  • 3:49 - 3:52
    Wie wohl bei jedem anderen auch
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    war das erste Ergebnis schrecklich.
  • 3:54 - 3:58
    Unerwartet verbesserte er jedoch
    das Ergebnis durch Wiederholungen,
  • 3:58 - 4:01
    obwohl er keine Erinnerung
    an die vorherigen Versuche hatte.
  • 4:01 - 4:07
    Sein unbewusstes motorisches Gedächtnis
    erinnerte sich, das bewusste nicht.
  • 4:07 - 4:12
    Milner entdeckte den Unterschied zwischen
    deklarativem Gedächtnis, Namen und Daten,
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    und prozeduralem Gedächtnis
    -- Radfahren, unterschreiben.
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    Wir wissen jetzt,
    dass das prozedurale Gedächtnis
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    sich auf die Basalganglien
    und das Kleinhirn stützt.
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    Beide Strukturen
    waren in H.M.s Gehirn intakt.
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    Der Unterschied zwischen
    "Wissen -- was" und "Wissen -- wie"
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    beeinflusste seit dieser Zeit
    alle Gedächtnisforschungen.
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    H.M. starb 82-jährig nach einem
    meist ruhigen Leben in einem Pflegeheim.
  • 4:38 - 4:43
    H.M. wurde von mehr als
    100 Neurowissenschaftlern untersucht.
  • 4:43 - 4:46
    In der Geschichte war sein Gehirn
    das meist studierte.
  • 4:46 - 4:49
    Nach seinem Tod wurde sein Gehirn
    konserviert, untersucht
  • 4:49 - 4:52
    und dann in 2.000 Scheiben
    geschnitten und fotografiert.
  • 4:52 - 4:58
    Es entstand eine digitale Gehirnkarte,
    die auch einzelne Neuronen abbildete.
  • 4:58 - 5:02
    Diesen Vorgang verfolgten 400.000 Leute
    in einer Live-Übertragung.
  • 5:02 - 5:05
    Obgleich H.M. lebenslang Dinge vergaß,
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    werden er und sein Beitrag
    zum Gedächtnisverständnis
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    zukünftigen Generationen
    in Erinnerung bleiben.
Title:
Was passiert, wenn der Hippocampus entfernt wird? - Sam Kean
Speaker:
Sam Kean
Description:

Die ganze Lektion unter: http://ed.ted.com/lessons/what-happens-when-you-remove-the-hippocampus-sam-kean

Henry Molaison (bekannt als H.M.) litt nach einem Schädelbruch unter epileptischen Anfällen und Bewusstlosigkeit. Beim Versuch ihn zu heilen entfernte der risikofreudige Dr. William Skoville H.M.s Hippocampus. Nach der Operation verschwanden die epileptischen Anfälle, aber auch sein Langzeitgedächtnis. Sam Kean erklärt uns diesen beeindruckenden medizinischen Fall und alles was uns H.M. über das Gehirn und das Gedächtnis beigebracht hat.

Lektion von Sam Kean, Animation von Anton Bogaty.

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Video Language:
English
Team:
closed TED
Project:
TED-Ed
Duration:
05:26

German subtitles

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