Nathan Wolfe: Was bleibt uns noch zu erforschen?
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0:00 - 0:03Vor kurzem war ich in Beloit, Wisconsin.
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0:03 - 0:07Ich war dort, um einen großen Entdecker des 20. Jahrhunderts zu ehren,
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0:07 - 0:09Roy Chapman Andrews.
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0:09 - 0:12Während seiner Zeit am Amerikanischen Museum für Naturgeschichte
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0:12 - 0:16führte Andrew etliche Expeditionen in unkartierte Regionen
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0:16 - 0:18wie hier in die Wüste Gobi.
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0:18 - 0:19Er war ein ziemlicher Charakter.
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0:19 - 0:23Später, so sagt man, wurde er die Grundlage für Indiana Jones.
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0:23 - 0:25Als ich in Beloit, Wisconsin war,
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0:25 - 0:29hielt ich einen öffentlichen Vortrag vor einer Gruppe Schüler der Mittelstufe.
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0:29 - 0:31Und ich muss Ihnen sagen,
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0:31 - 0:33wenn etwas furchterregender ist, als hier bei TED zu sprechen,
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0:33 - 0:35ist es der Versuch, die Aufmerksamkeit einer Gruppe von tausend
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0:35 - 0:3912-Jährigen über 45 Minuten zu halten.
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0:39 - 0:41Versuchen Sie's erst gar nicht.
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0:41 - 0:44Am Ende des Vortrags fragten sie viele Fragen,
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0:44 - 0:48aber es gab eine, die ich seither nicht mehr los wurde.
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0:48 - 0:50Da war dieses junge Mädchen, das aufstand
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0:50 - 0:51und die Frage stellte:
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0:51 - 0:53"Wo sollen wir erforschen?"
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0:53 - 0:55Ich glaube, viele von uns denken,
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0:55 - 0:58dass das Zeitalter der Entdeckung auf der Erde vorbei ist,
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0:58 - 0:59dass die nächste Generation
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0:59 - 1:03ins Weltall oder in die Tiefsee vordringen muss,
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1:03 - 1:05um etwas Wichtiges zu entdecken.
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1:05 - 1:08Aber ist das wirklich der Fall?
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1:08 - 1:11Ist wirklich nichts Wichtiges mehr auf der Erde,
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1:11 - 1:13das sich zu entdecken lohnt?
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1:13 - 1:14Das ließ mich zurückdenken
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1:14 - 1:17an einen meiner Lieblingsentdecker in der Geschichte der Biologie.
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1:17 - 1:20Er war ein Entdecker unsichtbarer Welten. Martinus Beijerinck.
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1:20 - 1:22Beijerinck machte sich auf, die Ursache der Mosaikkrankheit
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1:22 - 1:25des Tabaks zu entdecken.
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1:25 - 1:28Er nahm den infizierten Saft von Tabakpflanzen
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1:28 - 1:31und filterte ihn durch immer kleinere Filter.
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1:31 - 1:33Und er erreichte einen Punkt,
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1:33 - 1:36an dem er dachte, dass es etwas Kleineres geben
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1:36 - 1:39musste als die kleinste jemals entdeckte Lebensform –
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1:39 - 1:41Bakterien, zu jener Zeit.
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1:41 - 1:45Er dachte sich einen Namen aus für diesen mysteriösen Erreger.
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1:45 - 1:47Er nannte ihn das Virus –
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1:47 - 1:49Lateinisch für "Gift".
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1:49 - 1:52Und durch die Enthüllung von Viren
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1:52 - 1:55öffnete Beijerinck diese gänzlich neue Welt für uns,
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1:55 - 1:57Wir wissen jetzt, dass Viren den Großteil
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1:57 - 2:00der genetischen Information auf unserem Planeten ausmachen,
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2:00 - 2:01mehr als die genetische Information
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2:01 - 2:03aller anderen Lebewesen zusammen.
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2:03 - 2:06Und natürlich sind damit enorme praktische Anwendungen
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2:06 - 2:07mit dieser Welt verknüpft –
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2:07 - 2:10Dinge wie die Ausrottung von Pocken,
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2:10 - 2:13Der Beginn eines Impfstoffs gegen Gebärmutterhalskrebs,
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2:13 - 2:17der, wie wir jetzt wissen, meistens vom menschlichen Papillomavirus verursacht wird.
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2:17 - 2:19Und Beijerincks Endeckung
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2:19 - 2:21passierte nicht irgendwann vor 500 Jahren.
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2:21 - 2:24Beijerinck entdeckte Viren
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2:24 - 2:27vor etwas mehr als 100 Jahren.
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2:27 - 2:28Wir hatten also Autos,
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2:28 - 2:31aber keine Ahnung von den Lebensformen,
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2:31 - 2:34die den Großteil der genetischen Information unseres Planeten ausmachen.
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2:34 - 2:36Wir haben heute diese wunderbaren Werkzeuge,
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2:36 - 2:38die uns erlauben, die ungesehene Welt zu erforschen –
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2:38 - 2:40Dinge wie Tiefen-DNS-Sequenzierung,
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2:40 - 2:44die uns erlauben, viel mehr zu tun, als nur an der Oberfläche zu kratzen
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2:44 - 2:47und einzelne Genome einer bestimmten Spezies anzuschauen,
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2:47 - 2:49sondern ganze Metagenome anzuschauen,
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2:49 - 2:54die Gemeinschaften wuselnder Mikroorganismen in, auf und um uns,
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2:54 - 2:57und die gesamte genetische Information dieser Spezies zu dokumentieren.
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2:57 - 2:59Wir können diese Techniken auf
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2:59 - 3:03Dinge von der Erde bis zur Haut und alles dazwischen anwenden.
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3:03 - 3:06In meiner Organisation machen wir das mittlerweile regelmäßig,
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3:06 - 3:08um die Ursache von Krankheitsausbrüchen zu identifizieren
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3:08 - 3:12von denen unklar ist, was sie verursacht hat.
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3:12 - 3:14Nur um Ihnen einen kleinen Einblick zu geben, wie das funktioniert:
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3:14 - 3:17Stellen Sie sich vor, wir nähmen einen Nasenabstrich von jedem von Ihnen.
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3:17 - 3:18Oft suchen wir so nach Erregern von Atemwegserkrankungen
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3:18 - 3:21wie beispielsweise Grippe.
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3:21 - 3:23Das erste, was wir sehen würden,
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3:23 - 3:26ist eine riesige Menge genetischer Information.
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3:26 - 3:29Wenn wir nun in diese genetische Information hineinschauten,
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3:29 - 3:31sähen wir eine Anzahl der üblichen Verdächtigen –
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3:31 - 3:33natürlich eine Menge menschlicher genetischer Information,
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3:33 - 3:36aber auch bakterielle und virale Information,
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3:36 - 3:39meistens von Dingen in Ihrer Nase, die vollkommen harmlos sind.
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3:39 - 3:42Aber wir würden auch etwas sehr, sehr Überraschendes sehen.
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3:42 - 3:44Als wir begannen, uns diese Information anzuschauen,
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3:44 - 3:48sahen wir, dass etwa 20 % der genetischen Information in Ihrer Nase
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3:48 - 3:51mit nichts übereinstimmt, das wir jemals gesehen haben –
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3:51 - 3:54keiner Pflanze, keinem Tier, Pilz, Virus oder Bakterium.
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3:54 - 3:58Im Grunde haben wir keine Ahnung, was es ist.
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3:58 - 4:02Und in der kleinen Gruppe von uns, die diese Art Daten untersucht,
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4:02 - 4:06haben mittlerweile ein paar angefangen, diese Information
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4:06 - 4:08biologische dunkle Materie zu nennen.
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4:08 - 4:11Es ist etwas, das wir noch nie zuvor gesehen haben;
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4:11 - 4:14es ist eine Art unkartierter Kontinent
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4:14 - 4:17mitten in unserer eigenen genetischen Information.
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4:17 - 4:18Und es gibt viel davon.
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4:18 - 4:22Wenn Sie denken, 20 Prozent der genetischen Information in Ihrer Nase ist viel
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4:22 - 4:23biologische dunkle Materie,
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4:23 - 4:25dann schauen Sie mal in Ihren Darm:
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4:25 - 4:29Bis zu 40 oder 50 Prozent dieser Information ist biologische dunkle Materie.
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4:29 - 4:31Und sogar im relativ sterilen Blut
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4:31 - 4:34sind ungefähr ein bis zwei Prozent der Information dunkle Materie –
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4:34 - 4:39sie kann nicht klassifiziert werden, nicht typifiziert oder mit etwas Bekanntem abgeglichen werden.
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4:39 - 4:41Zuerst dachten wir, dass es ein Fehler im Prozess ist.
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4:41 - 4:45Diese Tiefensequenzer sind relativ neuartig.
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4:45 - 4:47Aber als sie genauer und genauer wurden,
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4:47 - 4:50stellten wir fest, dass diese Information eine Art Leben ist,
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4:50 - 4:53oder zumindest etwas davon ist eine Art Leben.
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4:53 - 4:57Und obwohl die Hypothesen um die Existenz von biologischer dunkler Materie
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4:57 - 4:59immer noch in den Kinderschuhen stecken,
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4:59 - 5:03gibt es eine sehr, sehr aufregende Möglichkeit:
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5:03 - 5:06Dass versteckt in diesem Leben, in dieser genetischen Information,
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5:06 - 5:11die Signaturen von bisher unentdecktem Leben stecken.
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5:11 - 5:15Dass, während wir diese Stränge von A's, T's C's und G's erforschen,
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5:15 - 5:18wir eine komplett neue Klasse von Leben entdecken könnten,
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5:18 - 5:20die, wie Beijerinck, die Art und Weise, wie wir über
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5:20 - 5:23die Natur der Biologie denken, verändern wird.
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5:23 - 5:27Es wird uns vielleicht ermöglichen, die Ursache von Krebs zu identifizieren,
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5:27 - 5:31oder die Quelle eines Krankheitsausbruchs, mit der wir nicht vertraut sind,
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5:31 - 5:34oder vielleicht helfen, ein neues Werkzeug für die molekulare Biologie zu bauen.
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5:34 - 5:35Ich freue mich anzukündigen,
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5:35 - 5:40dass wir, zusammen mit Kollegen von Stanford, Caltech und UCSF,
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5:40 - 5:42momentan eine Initiative zur Erforschung
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5:42 - 5:46biologischer dunkler Materie nach neuen Lebensformen starten.
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5:46 - 5:48Vor etwas mehr als hundert Jahren
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5:48 - 5:51wussten wir Menschen nichts über Viren,
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5:51 - 5:55obwohl sie den Großteil der genetischen Information auf der Welt ausmachen.
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5:55 - 5:57In hundert Jahren werden die Menschen vielleicht darüber staunen,
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5:57 - 6:01dass wir keine Ahnung hatten von einer neuen Klasse des Lebens,
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6:01 - 6:04die buchstäblich unter unserer Nase war.
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6:04 - 6:08Es stimmt, wir haben alle Kontinente des Planeten kartiert,
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6:08 - 6:11und wir haben vielleicht alle Säugetiere entdeckt, die es gibt,
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6:11 - 6:14aber das heißt nicht, dass es nichts mehr zu entdecken gibt auf dieser Erde.
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6:14 - 6:16Beijerinck und Menschen wie er
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6:16 - 6:20bieten eine wichtige Lektion für die nächste Generation von Forschern –
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6:20 - 6:23Leuten wie dem jungen Mädchen aus Beloit, Wisconsin.
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6:23 - 6:27Und wenn wir diese Lektion aufschreiben möchten, würde sie in etwa so aussehen:
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6:27 - 6:31Glaube nicht, dass alles, was wir gerade wissen, die ganze Geschichte ist.
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6:31 - 6:36Suchen Sie nach der dunklen Materie, egal, für welches Feld Sie sich entscheiden.
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6:36 - 6:38Es gibt Unbekanntes überall um uns,
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6:38 - 6:41und es wartet nur darauf, entdeckt zu werden.
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6:41 - 6:42Danke.
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6:42 - 6:47(Applaus)
- Title:
- Nathan Wolfe: Was bleibt uns noch zu erforschen?
- Speaker:
- Nathan Wolfe
- Description:
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Wir waren auf dem Mond, wir haben die Kontinente kartiert, wir waren sogar am tiefsten Punkt der Meere – zweimal. Was bleibt den zukünftigen Generationen zu entdecken? Biologe und Forscher Nathan Wolfe schlägt diese Antwort vor: Fast alles. Und wir können mit der Welt des unsichtbar Kleinen beginnen.
- Video Language:
- English
- Team:
- closed TED
- Project:
- TEDTalks
- Duration:
- 07:10
Judith Matz approved German subtitles for What's left to explore? | ||
Johannes Lechner accepted German subtitles for What's left to explore? | ||
Judith Matz declined German subtitles for What's left to explore? | ||
Judith Matz edited German subtitles for What's left to explore? | ||
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Johannes Lechner edited German subtitles for What's left to explore? | ||
Johannes Lechner added a translation |