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Nathan Wolfe: Was bleibt uns noch zu erforschen?

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    Vor kurzem war ich in Beloit, Wisconsin.
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    Ich war dort, um einen großen Entdecker des 20. Jahrhunderts zu ehren,
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    Roy Chapman Andrews.
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    Während seiner Zeit am Amerikanischen Museum für Naturgeschichte
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    führte Andrew etliche Expeditionen in unkartierte Regionen
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    wie hier in die Wüste Gobi.
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    Er war ein ziemlicher Charakter.
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    Später, so sagt man, wurde er die Grundlage für Indiana Jones.
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    Als ich in Beloit, Wisconsin war,
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    hielt ich einen öffentlichen Vortrag vor einer Gruppe Schüler der Mittelstufe.
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    Und ich muss Ihnen sagen,
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    wenn etwas furchterregender ist, als hier bei TED zu sprechen,
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    ist es der Versuch, die Aufmerksamkeit einer Gruppe von tausend
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    12-Jährigen über 45 Minuten zu halten.
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    Versuchen Sie's erst gar nicht.
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    Am Ende des Vortrags fragten sie viele Fragen,
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    aber es gab eine, die ich seither nicht mehr los wurde.
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    Da war dieses junge Mädchen, das aufstand
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    und die Frage stellte:
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    "Wo sollen wir erforschen?"
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    Ich glaube, viele von uns denken,
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    dass das Zeitalter der Entdeckung auf der Erde vorbei ist,
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    dass die nächste Generation
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    ins Weltall oder in die Tiefsee vordringen muss,
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    um etwas Wichtiges zu entdecken.
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    Aber ist das wirklich der Fall?
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    Ist wirklich nichts Wichtiges mehr auf der Erde,
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    das sich zu entdecken lohnt?
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    Das ließ mich zurückdenken
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    an einen meiner Lieblingsentdecker in der Geschichte der Biologie.
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    Er war ein Entdecker unsichtbarer Welten. Martinus Beijerinck.
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    Beijerinck machte sich auf, die Ursache der Mosaikkrankheit
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    des Tabaks zu entdecken.
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    Er nahm den infizierten Saft von Tabakpflanzen
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    und filterte ihn durch immer kleinere Filter.
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    Und er erreichte einen Punkt,
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    an dem er dachte, dass es etwas Kleineres geben
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    musste als die kleinste jemals entdeckte Lebensform –
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    Bakterien, zu jener Zeit.
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    Er dachte sich einen Namen aus für diesen mysteriösen Erreger.
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    Er nannte ihn das Virus –
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    Lateinisch für "Gift".
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    Und durch die Enthüllung von Viren
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    öffnete Beijerinck diese gänzlich neue Welt für uns,
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    Wir wissen jetzt, dass Viren den Großteil
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    der genetischen Information auf unserem Planeten ausmachen,
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    mehr als die genetische Information
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    aller anderen Lebewesen zusammen.
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    Und natürlich sind damit enorme praktische Anwendungen
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    mit dieser Welt verknüpft –
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    Dinge wie die Ausrottung von Pocken,
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    Der Beginn eines Impfstoffs gegen Gebärmutterhalskrebs,
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    der, wie wir jetzt wissen, meistens vom menschlichen Papillomavirus verursacht wird.
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    Und Beijerincks Endeckung
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    passierte nicht irgendwann vor 500 Jahren.
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    Beijerinck entdeckte Viren
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    vor etwas mehr als 100 Jahren.
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    Wir hatten also Autos,
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    aber keine Ahnung von den Lebensformen,
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    die den Großteil der genetischen Information unseres Planeten ausmachen.
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    Wir haben heute diese wunderbaren Werkzeuge,
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    die uns erlauben, die ungesehene Welt zu erforschen –
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    Dinge wie Tiefen-DNS-Sequenzierung,
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    die uns erlauben, viel mehr zu tun, als nur an der Oberfläche zu kratzen
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    und einzelne Genome einer bestimmten Spezies anzuschauen,
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    sondern ganze Metagenome anzuschauen,
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    die Gemeinschaften wuselnder Mikroorganismen in, auf und um uns,
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    und die gesamte genetische Information dieser Spezies zu dokumentieren.
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    Wir können diese Techniken auf
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    Dinge von der Erde bis zur Haut und alles dazwischen anwenden.
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    In meiner Organisation machen wir das mittlerweile regelmäßig,
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    um die Ursache von Krankheitsausbrüchen zu identifizieren
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    von denen unklar ist, was sie verursacht hat.
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    Nur um Ihnen einen kleinen Einblick zu geben, wie das funktioniert:
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    Stellen Sie sich vor, wir nähmen einen Nasenabstrich von jedem von Ihnen.
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    Oft suchen wir so nach Erregern von Atemwegserkrankungen
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    wie beispielsweise Grippe.
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    Das erste, was wir sehen würden,
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    ist eine riesige Menge genetischer Information.
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    Wenn wir nun in diese genetische Information hineinschauten,
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    sähen wir eine Anzahl der üblichen Verdächtigen –
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    natürlich eine Menge menschlicher genetischer Information,
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    aber auch bakterielle und virale Information,
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    meistens von Dingen in Ihrer Nase, die vollkommen harmlos sind.
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    Aber wir würden auch etwas sehr, sehr Überraschendes sehen.
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    Als wir begannen, uns diese Information anzuschauen,
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    sahen wir, dass etwa 20 % der genetischen Information in Ihrer Nase
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    mit nichts übereinstimmt, das wir jemals gesehen haben –
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    keiner Pflanze, keinem Tier, Pilz, Virus oder Bakterium.
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    Im Grunde haben wir keine Ahnung, was es ist.
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    Und in der kleinen Gruppe von uns, die diese Art Daten untersucht,
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    haben mittlerweile ein paar angefangen, diese Information
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    biologische dunkle Materie zu nennen.
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    Es ist etwas, das wir noch nie zuvor gesehen haben;
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    es ist eine Art unkartierter Kontinent
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    mitten in unserer eigenen genetischen Information.
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    Und es gibt viel davon.
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    Wenn Sie denken, 20 Prozent der genetischen Information in Ihrer Nase ist viel
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    biologische dunkle Materie,
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    dann schauen Sie mal in Ihren Darm:
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    Bis zu 40 oder 50 Prozent dieser Information ist biologische dunkle Materie.
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    Und sogar im relativ sterilen Blut
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    sind ungefähr ein bis zwei Prozent der Information dunkle Materie –
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    sie kann nicht klassifiziert werden, nicht typifiziert oder mit etwas Bekanntem abgeglichen werden.
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    Zuerst dachten wir, dass es ein Fehler im Prozess ist.
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    Diese Tiefensequenzer sind relativ neuartig.
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    Aber als sie genauer und genauer wurden,
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    stellten wir fest, dass diese Information eine Art Leben ist,
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    oder zumindest etwas davon ist eine Art Leben.
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    Und obwohl die Hypothesen um die Existenz von biologischer dunkler Materie
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    immer noch in den Kinderschuhen stecken,
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    gibt es eine sehr, sehr aufregende Möglichkeit:
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    Dass versteckt in diesem Leben, in dieser genetischen Information,
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    die Signaturen von bisher unentdecktem Leben stecken.
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    Dass, während wir diese Stränge von A's, T's C's und G's erforschen,
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    wir eine komplett neue Klasse von Leben entdecken könnten,
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    die, wie Beijerinck, die Art und Weise, wie wir über
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    die Natur der Biologie denken, verändern wird.
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    Es wird uns vielleicht ermöglichen, die Ursache von Krebs zu identifizieren,
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    oder die Quelle eines Krankheitsausbruchs, mit der wir nicht vertraut sind,
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    oder vielleicht helfen, ein neues Werkzeug für die molekulare Biologie zu bauen.
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    Ich freue mich anzukündigen,
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    dass wir, zusammen mit Kollegen von Stanford, Caltech und UCSF,
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    momentan eine Initiative zur Erforschung
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    biologischer dunkler Materie nach neuen Lebensformen starten.
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    Vor etwas mehr als hundert Jahren
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    wussten wir Menschen nichts über Viren,
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    obwohl sie den Großteil der genetischen Information auf der Welt ausmachen.
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    In hundert Jahren werden die Menschen vielleicht darüber staunen,
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    dass wir keine Ahnung hatten von einer neuen Klasse des Lebens,
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    die buchstäblich unter unserer Nase war.
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    Es stimmt, wir haben alle Kontinente des Planeten kartiert,
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    und wir haben vielleicht alle Säugetiere entdeckt, die es gibt,
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    aber das heißt nicht, dass es nichts mehr zu entdecken gibt auf dieser Erde.
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    Beijerinck und Menschen wie er
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    bieten eine wichtige Lektion für die nächste Generation von Forschern –
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    Leuten wie dem jungen Mädchen aus Beloit, Wisconsin.
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    Und wenn wir diese Lektion aufschreiben möchten, würde sie in etwa so aussehen:
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    Glaube nicht, dass alles, was wir gerade wissen, die ganze Geschichte ist.
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    Suchen Sie nach der dunklen Materie, egal, für welches Feld Sie sich entscheiden.
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    Es gibt Unbekanntes überall um uns,
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    und es wartet nur darauf, entdeckt zu werden.
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    Danke.
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    (Applaus)
Title:
Nathan Wolfe: Was bleibt uns noch zu erforschen?
Speaker:
Nathan Wolfe
Description:

Wir waren auf dem Mond, wir haben die Kontinente kartiert, wir waren sogar am tiefsten Punkt der Meere – zweimal. Was bleibt den zukünftigen Generationen zu entdecken? Biologe und Forscher Nathan Wolfe schlägt diese Antwort vor: Fast alles. Und wir können mit der Welt des unsichtbar Kleinen beginnen.

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English
Team:
closed TED
Project:
TEDTalks
Duration:
07:10
Judith Matz approved German subtitles for What's left to explore?
Johannes Lechner accepted German subtitles for What's left to explore?
Judith Matz declined German subtitles for What's left to explore?
Judith Matz edited German subtitles for What's left to explore?
Johannes Lechner edited German subtitles for What's left to explore?
Johannes Lechner edited German subtitles for What's left to explore?
Johannes Lechner added a translation

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