David Binder: Die Revolution der Kunstfestivals
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0:01 - 0:04Sydney. Ich habe mein ganzes Leben
darauf gewartet, nach Sydney zu kommen. -
0:04 - 0:07Ich kam am Flughafen an,
checkte dann im Hotel ein -
0:07 - 0:10und als ich in der Lobby saß,
sah ich eine Broschüre -
0:10 - 0:13für das Sydney Festival.
Ich blätterte sie durch -
0:13 - 0:16und stieß auf eine Show
mit dem Namen "Minto: Live". -
0:16 - 0:20Die Beschreibung lautete:
"Die Vorortstraßen von Minto -
0:20 - 0:22werden zur Bühne für Aufführungen,
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0:22 - 0:24die von internationalen Künstlern
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0:24 - 0:27in Zusammenarbeit mit den Menschen
aus Minto geschaffen wurden." -
0:27 - 0:30Was ist Minto für ein Ort?
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0:30 - 0:32Sidney ist, wie ich feststellte,
eine Stadt aus Vororten -
0:32 - 0:36und Minto liegt südwestlich,
ungefähr eine Stunde entfernt. -
0:36 - 0:39Ich muss zugeben, es
war nicht das, was ich mir -
0:39 - 0:41für meinen ersten Tag
"Down under" vorstellte. -
0:41 - 0:44Ich dachte da an die
Harbour Bridge und Bondi Beach, -
0:44 - 0:47aber Minto? Aber ich bin
schließlich Produzent -
0:47 - 0:50und der Verlockung eines
ortsspezifischen Theaterprojekts -
0:50 - 0:52konnte ich nicht widerstehen.
(Gelächter) -
0:52 - 0:55Also warf ich mich in den
Freitagnachmittag-Verkehr -
0:55 - 0:57und ich werde nie vergessen,
was ich dort sah. -
0:57 - 1:00Für die Performance
liefen die Zuschauer -
1:00 - 1:03in der Nachbarschaft
von Haus zu Haus, -
1:03 - 1:05und die Anwohner, die
die Darsteller waren, -
1:05 - 1:08kamen aus ihren
Häusern und führten -
1:08 - 1:11diese autobiografischen
Tänze auf ihren Rasen auf, -
1:11 - 1:14in ihren Einfahrten. (Gelächter)
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1:14 - 1:17Die Aufführung ist eine
Zusammenarbeit mit der englischen -
1:17 - 1:19Performance Company
namens "Lone Twin". -
1:19 - 1:21"Lone Twin" kam nach
Minto und arbeitete -
1:21 - 1:24mit den Anwohnern und
entwickelte diese Tänze. -
1:24 - 1:28Dieses australisch-indische
Mädchen kam raus und fing an, -
1:28 - 1:30in ihrem Vorgarten zu tanzen
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1:30 - 1:33und ihr Vater spähte aus
dem Fenster, um zu sehen, -
1:33 - 1:36woher all der Lärm und Aufruhr kam,
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1:36 - 1:38und kurz darauf begleitete er sie.
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1:38 - 1:41Gefolgt von der kleinen Schwester.
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1:41 - 1:44Bald tanzten sie alle diesen fröhlichen,
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1:44 - 1:48ausgelassen Tanz mitten
auf ihrem Rasen. (Gelächter) -
1:48 - 1:50Als ich durch die Nachbarschaft ging,
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1:50 - 1:55war ich erstaunt und bewegt
von dem unglaublichen -
1:55 - 1:57Identifikationsgefühl, das diese
Gemeinschaft ganz deutlich -
1:57 - 2:00mit dieser Veranstaltung verband.
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2:00 - 2:03"Minto: Live" brachte die
Einwohner von Sydney in Dialog -
2:03 - 2:06mit internationalen Künstlern und feierte
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2:06 - 2:09die Vielfalt Sydneys
auf ganz eigene Weise. -
2:09 - 2:13Das Sydney Festival, das
"Minto: Live" produziert hat, -
2:13 - 2:17steht für eine neue Art von
Kunstfestival des 21. Jahrhunderts. -
2:17 - 2:20Diese Festivals sind radikal offen.
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2:20 - 2:24Sie können Städte und
Gemeinden verwandeln. -
2:24 - 2:27Um das zu verstehen,
macht es Sinn, -
2:27 - 2:29zu schauen, woher wir kommen.
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2:29 - 2:31Moderne Kunstfestivals entstanden
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2:31 - 2:33in den Trümmern des Zweiten Weltkriegs.
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2:33 - 2:35Politiker schufen diese jährlichen Events,
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2:35 - 2:38um Kultur als höchsten Ausdruck
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2:38 - 2:41des menschlichen Geistes zu feiern.
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2:41 - 2:441947 entstand das Edinburgh Festival
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2:44 - 2:47und Avignon, und Hunderte weiterer
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2:47 - 2:49folgten ihnen nach.
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2:49 - 2:52Die Arbeiten waren sehr hohe Kunst.
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2:52 - 2:55Stars tauchten auf, wie Laurie Anderson,
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2:55 - 2:57Merce Cunningham und Robert Lepage,
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2:57 - 2:58die Arbeiten für diesen Zirkel erstellten.
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2:58 - 3:01Und es gab wegweisende Aufführungen
wie "The Mahabharata" -
3:01 - 3:04und das monumentale
"Einstein on the Beach". -
3:04 - 3:06Aber im Laufe der Jahrzehnte
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3:06 - 3:10wurden diese Festivals
zum Establishment -
3:10 - 3:13und während die Kultur
und das Kapital zunahmen, -
3:13 - 3:15brachte das Internet uns alle zusammen,
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3:15 - 3:18hoch und niedrig verschwanden
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3:18 - 3:20und eine neue Art Festival kam auf.
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3:20 - 3:23Die alten Festivals waren
weiter erfolgreich, aber -
3:23 - 3:27von Brighton über Rio bis Perth
entstand etwas Neues -
3:27 - 3:30und diese Festivals
waren wirklich anders. -
3:30 - 3:33Diese Festivals waren
offen, denn, wie in Minto, -
3:33 - 3:35verstanden sie, dass der Dialog
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3:35 - 3:39zwischen dem Lokalen und
Globalen wesentlich ist. -
3:39 - 3:43Sie sind offen, weil sie das Publikum
auffordern, Darsteller zu sein, -
3:43 - 3:48Protagonist, Partner, anstelle
eines passiven Zuschauers, -
3:48 - 3:51und sie sind offen, weil
sie wissen, dass Fantasie -
3:51 - 3:54nicht in Gebäuden
eingeschlossen sein kann, -
3:54 - 3:55deshalb sind viele dieser Arbeiten
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3:55 - 3:59ortsspezifisch oder
Arbeiten im Freien. -
3:59 - 4:02Das neue Festival
fordert die Zuschauer auf, -
4:02 - 4:05eine wesentliche Rolle in der Gestaltung
der Performance zu spielen. -
4:05 - 4:10Kompanien wie De La Guarda,
die ich produziere, und Punchdrunk -
4:10 - 4:13erschaffen diese völlig immersiven Erfahrungen,
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4:13 - 4:16die die Zuschauer in den
Handlungsmittelpunkt stellen. -
4:16 - 4:19Aber die deutsche Theatergruppe Rimini Protokoll
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4:19 - 4:23führt das auf ein ganz neues Niveau.
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4:23 - 4:26In einer Reihe von Aufführungen,
darunter "100 Prozent Vancouver" -
4:26 - 4:30und "100 Prozent Berlin", spiegeln
Rimini Protokolls Aufführungen -
4:30 - 4:33die Gesellschaft wider.
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4:33 - 4:38Rimini Protokoll wählt 100 Menschen
aus, die die Stadt repräsentieren, -
4:38 - 4:41in Bezug auf Rasse, Geschlecht und Klasse,
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4:41 - 4:45durch einen sorgsamen Prozess,
der drei Monate vorher beginnt, -
4:45 - 4:48und dann erzählen die 100
Menschen Geschichten über -
4:48 - 4:50sich selbst und ihr Leben. Das Ganze
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4:50 - 4:55wird zu einer Momentaufnahme der Stadt.
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4:55 - 4:58LIFT war immer ein Pionier bei
der Nutzung von Austragungsorten. -
4:58 - 5:01Für sie ist klar, dass Theater und Performances
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5:01 - 5:02überall stattfinden können.
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5:02 - 5:05Man kann eine Show in
einem Klassenraum machen, -
5:05 - 5:08in einem Flughafen,
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5:08 - 5:10in einem Kaufhausschaufenster.
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5:10 - 5:15Künstler sind Entdecker. Wer sonst
könnte uns die Stadt ganz neu zeigen? -
5:15 - 5:18Künstler können uns in entlegene
Stadtgegenden führen, -
5:18 - 5:20die wir noch nie erkundet
haben oder sie führen uns -
5:20 - 5:24in das Gebäude, an dem wir jeden Tag
vorbei gehen, aber das wir niemals betraten. -
5:24 - 5:29Ich denke, ein Künstler
kann uns Menschen zeigen, -
5:29 - 5:32die wir in unserem Alltag
übersehen könnten. -
5:32 - 5:35"Back to Back" ist eine australische
Theatergruppe von Menschen -
5:35 - 5:40mit geistiger Behinderung. Ich sah
ihre beeindruckende Aufführung -
5:40 - 5:43im Staten Island Ferry Terminal in New York
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5:43 - 5:44während der Rush Hour.
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5:44 - 5:47Wir, die Zuschauer, bekamen Kopfhörer und wurden
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5:47 - 5:50auf eine Seite des Terminals gesetzt.
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5:50 - 5:52Die Darsteller waren direkt vor uns,
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5:52 - 5:54mitten unter den Pendlern,
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5:54 - 5:56wir konnten sie hören,
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5:56 - 5:59aber wir hätten sie sonst
vielleicht nicht gesehen. -
5:59 - 6:03"Back to Back" nutzt
ortsspezifisches Theater, -
6:03 - 6:07um uns daran zu erinnern,
wen und was wir -
6:07 - 6:09aus unserem täglichen
Leben ausblenden. -
6:09 - 6:13Der Dialog mit dem
Lokalen und dem Globalen, -
6:13 - 6:16die Zuschauer als Mitwirkende,
Spieler und Protagonisten, -
6:16 - 6:20die innovative Nutzung
von Orten, all diese Dinge -
6:20 - 6:22spielen in der unglaublichen Arbeit
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6:22 - 6:27der fantastichen, französischen Gruppe
Royal de Luxe eine besondere Rolle. -
6:27 - 6:30Royal de Luxes Riesenmarionetten
kommen in die Stadt -
6:30 - 6:33und leben dort ein paar Tage.
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6:33 - 6:37Für "The Sultan's Elephant"
kam Royal de Luxe -
6:37 - 6:40ins Zentrum von London
und brachte es zum Stillstand, -
6:40 - 6:44mit ihrer Geschichte von einem
kleinen Mädchen und ihrem Freund, -
6:44 - 6:47einem zeitreisenden Elefanten.
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6:47 - 6:51Für ein paar Tage verwandelten sie die Metropole
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6:51 - 6:56in eine Gemeinschaft, in der
unendliche Möglichkeiten herrschen. -
6:56 - 7:00Der "Guardian" schrieb:
"Wenn Kunst Transformation ist, -
7:00 - 7:04dann kann es keine
transformativere Erfahrung geben. -
7:04 - 7:08'The Sultan's Elefant'
stellt nichts weniger dar -
7:08 - 7:10als eine künstlerische
Besetzung der Stadt -
7:10 - 7:15und eine Rückgewinnung
der Straßen für die Menschen." -
7:15 - 7:19Wir können über die wirtschaftliche
Bedeutung dieser Festivals -
7:19 - 7:23für ihre Städte sprechen, aber mich
interessieren andere Dinge mehr, -
7:23 - 7:27z.B. wie ein Festival einer Stadt
hilft, sich selbst darzustellen, -
7:27 - 7:30wie es dazu beiträgt,
sich zu entdecken. -
7:30 - 7:32Festivals fördern Vielfalt,
-
7:32 - 7:34sie bringen Nachbarn dazu,
in den Dialog zu treten, -
7:34 - 7:37sie steigern Kreativität,
-
7:37 - 7:40sie liefern Gelegenheiten
für Bürgerstolz, -
7:40 - 7:43sie verbessern unser allgemeines
psychologisches Wohlbefinden. -
7:43 - 7:48Kurzum, sie machen Städte
zu lebenswerteren Orten. -
7:48 - 7:49Typisches Beispiel:
-
7:49 - 7:52Als "The Sultan's Elephant"
nach London kam, -
7:52 - 7:56nur neun Monate nach dem 7/7,
schrieb ein Londoner: -
7:56 - 8:00"Zum ersten Mal seit dem
Londoner Bombenattentat -
8:00 - 8:04rief meine Tochter mit
Fröhlichkeit in ihrer Stimme an. -
8:04 - 8:05Sie hatte sich mit anderen getroffen,
-
8:05 - 8:09um "The Sultan's Elephant"
zu schauen und -
8:09 - 8:11das hat alles wieder gut gemacht."
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8:11 - 8:13Lyn Gardner schrieb im Guardian,
-
8:13 - 8:18dass ein großartiges Festival
uns ein Abbild der Welt, -
8:18 - 8:22der Stadt und von uns
selbst zeigen kann. -
8:22 - 8:25aber es gibt nicht ein
festes Festivalmodell. -
8:25 - 8:28Das Geniale an diesen
Festivals ist aus meiner Sicht, -
8:28 - 8:33dass die neuen Festivals
-
8:33 - 8:36die Komplexität und das Aufregende
-
8:36 - 8:38unseres heutigen Lebens voll erfassen.
-
8:38 - 8:46Vielen Dank. (Applaus)
- Title:
- David Binder: Die Revolution der Kunstfestivals
- Speaker:
- David Binder
- Description:
-
David Binder ist ein bedeutender Broadway-Produzent, aber letzen Sommer fand er sich in einem kleinen australischen Viertel wieder und sah Einheimische auf ihren Rasen tanzen und performen – und liebte es. Er zeigt das neue Gesicht der Kunstfestivals, das die Grenze zwischen Zuschauern und Darstellern durchbricht und Städten hilft, sich selbst darzustellen.
- Video Language:
- English
- Team:
- closed TED
- Project:
- TEDTalks
- Duration:
- 09:06
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