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David Binder: Die Revolution der Kunstfestivals

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    Sydney. Ich habe mein ganzes Leben
    darauf gewartet, nach Sydney zu kommen.
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    Ich kam am Flughafen an,
    checkte dann im Hotel ein
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    und als ich in der Lobby saß,
    sah ich eine Broschüre
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    für das Sydney Festival.
    Ich blätterte sie durch
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    und stieß auf eine Show
    mit dem Namen "Minto: Live".
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    Die Beschreibung lautete:
    "Die Vorortstraßen von Minto
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    werden zur Bühne für Aufführungen,
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    die von internationalen Künstlern
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    in Zusammenarbeit mit den Menschen
    aus Minto geschaffen wurden."
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    Was ist Minto für ein Ort?
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    Sidney ist, wie ich feststellte,
    eine Stadt aus Vororten
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    und Minto liegt südwestlich,
    ungefähr eine Stunde entfernt.
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    Ich muss zugeben, es
    war nicht das, was ich mir
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    für meinen ersten Tag
    "Down under" vorstellte.
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    Ich dachte da an die
    Harbour Bridge und Bondi Beach,
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    aber Minto? Aber ich bin
    schließlich Produzent
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    und der Verlockung eines
    ortsspezifischen Theaterprojekts
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    konnte ich nicht widerstehen.
    (Gelächter)
  • 0:52 - 0:55
    Also warf ich mich in den
    Freitagnachmittag-Verkehr
  • 0:55 - 0:57
    und ich werde nie vergessen,
    was ich dort sah.
  • 0:57 - 1:00
    Für die Performance
    liefen die Zuschauer
  • 1:00 - 1:03
    in der Nachbarschaft
    von Haus zu Haus,
  • 1:03 - 1:05
    und die Anwohner, die
    die Darsteller waren,
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    kamen aus ihren
    Häusern und führten
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    diese autobiografischen
    Tänze auf ihren Rasen auf,
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    in ihren Einfahrten. (Gelächter)
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    Die Aufführung ist eine
    Zusammenarbeit mit der englischen
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    Performance Company
    namens "Lone Twin".
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    "Lone Twin" kam nach
    Minto und arbeitete
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    mit den Anwohnern und
    entwickelte diese Tänze.
  • 1:24 - 1:28
    Dieses australisch-indische
    Mädchen kam raus und fing an,
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    in ihrem Vorgarten zu tanzen
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    und ihr Vater spähte aus
    dem Fenster, um zu sehen,
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    woher all der Lärm und Aufruhr kam,
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    und kurz darauf begleitete er sie.
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    Gefolgt von der kleinen Schwester.
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    Bald tanzten sie alle diesen fröhlichen,
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    ausgelassen Tanz mitten
    auf ihrem Rasen. (Gelächter)
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    Als ich durch die Nachbarschaft ging,
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    war ich erstaunt und bewegt
    von dem unglaublichen
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    Identifikationsgefühl, das diese
    Gemeinschaft ganz deutlich
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    mit dieser Veranstaltung verband.
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    "Minto: Live" brachte die
    Einwohner von Sydney in Dialog
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    mit internationalen Künstlern und feierte
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    die Vielfalt Sydneys
    auf ganz eigene Weise.
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    Das Sydney Festival, das
    "Minto: Live" produziert hat,
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    steht für eine neue Art von
    Kunstfestival des 21. Jahrhunderts.
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    Diese Festivals sind radikal offen.
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    Sie können Städte und
    Gemeinden verwandeln.
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    Um das zu verstehen,
    macht es Sinn,
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    zu schauen, woher wir kommen.
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    Moderne Kunstfestivals entstanden
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    in den Trümmern des Zweiten Weltkriegs.
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    Politiker schufen diese jährlichen Events,
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    um Kultur als höchsten Ausdruck
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    des menschlichen Geistes zu feiern.
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    1947 entstand das Edinburgh Festival
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    und Avignon, und Hunderte weiterer
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    folgten ihnen nach.
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    Die Arbeiten waren sehr hohe Kunst.
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    Stars tauchten auf, wie Laurie Anderson,
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    Merce Cunningham und Robert Lepage,
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    die Arbeiten für diesen Zirkel erstellten.
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    Und es gab wegweisende Aufführungen
    wie "The Mahabharata"
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    und das monumentale
    "Einstein on the Beach".
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    Aber im Laufe der Jahrzehnte
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    wurden diese Festivals
    zum Establishment
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    und während die Kultur
    und das Kapital zunahmen,
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    brachte das Internet uns alle zusammen,
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    hoch und niedrig verschwanden
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    und eine neue Art Festival kam auf.
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    Die alten Festivals waren
    weiter erfolgreich, aber
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    von Brighton über Rio bis Perth
    entstand etwas Neues
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    und diese Festivals
    waren wirklich anders.
  • 3:30 - 3:33
    Diese Festivals waren
    offen, denn, wie in Minto,
  • 3:33 - 3:35
    verstanden sie, dass der Dialog
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    zwischen dem Lokalen und
    Globalen wesentlich ist.
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    Sie sind offen, weil sie das Publikum
    auffordern, Darsteller zu sein,
  • 3:43 - 3:48
    Protagonist, Partner, anstelle
    eines passiven Zuschauers,
  • 3:48 - 3:51
    und sie sind offen, weil
    sie wissen, dass Fantasie
  • 3:51 - 3:54
    nicht in Gebäuden
    eingeschlossen sein kann,
  • 3:54 - 3:55
    deshalb sind viele dieser Arbeiten
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    ortsspezifisch oder
    Arbeiten im Freien.
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    Das neue Festival
    fordert die Zuschauer auf,
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    eine wesentliche Rolle in der Gestaltung
    der Performance zu spielen.
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    Kompanien wie De La Guarda,
    die ich produziere, und Punchdrunk
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    erschaffen diese völlig immersiven Erfahrungen,
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    die die Zuschauer in den
    Handlungsmittelpunkt stellen.
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    Aber die deutsche Theatergruppe Rimini Protokoll
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    führt das auf ein ganz neues Niveau.
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    In einer Reihe von Aufführungen,
    darunter "100 Prozent Vancouver"
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    und "100 Prozent Berlin", spiegeln
    Rimini Protokolls Aufführungen
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    die Gesellschaft wider.
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    Rimini Protokoll wählt 100 Menschen
    aus, die die Stadt repräsentieren,
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    in Bezug auf Rasse, Geschlecht und Klasse,
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    durch einen sorgsamen Prozess,
    der drei Monate vorher beginnt,
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    und dann erzählen die 100
    Menschen Geschichten über
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    sich selbst und ihr Leben. Das Ganze
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    wird zu einer Momentaufnahme der Stadt.
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    LIFT war immer ein Pionier bei
    der Nutzung von Austragungsorten.
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    Für sie ist klar, dass Theater und Performances
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    überall stattfinden können.
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    Man kann eine Show in
    einem Klassenraum machen,
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    in einem Flughafen,
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    in einem Kaufhausschaufenster.
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    Künstler sind Entdecker. Wer sonst
    könnte uns die Stadt ganz neu zeigen?
  • 5:15 - 5:18
    Künstler können uns in entlegene
    Stadtgegenden führen,
  • 5:18 - 5:20
    die wir noch nie erkundet
    haben oder sie führen uns
  • 5:20 - 5:24
    in das Gebäude, an dem wir jeden Tag
    vorbei gehen, aber das wir niemals betraten.
  • 5:24 - 5:29
    Ich denke, ein Künstler
    kann uns Menschen zeigen,
  • 5:29 - 5:32
    die wir in unserem Alltag
    übersehen könnten.
  • 5:32 - 5:35
    "Back to Back" ist eine australische
    Theatergruppe von Menschen
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    mit geistiger Behinderung. Ich sah
    ihre beeindruckende Aufführung
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    im Staten Island Ferry Terminal in New York
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    während der Rush Hour.
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    Wir, die Zuschauer, bekamen Kopfhörer und wurden
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    auf eine Seite des Terminals gesetzt.
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    Die Darsteller waren direkt vor uns,
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    mitten unter den Pendlern,
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    wir konnten sie hören,
  • 5:56 - 5:59
    aber wir hätten sie sonst
    vielleicht nicht gesehen.
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    "Back to Back" nutzt
    ortsspezifisches Theater,
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    um uns daran zu erinnern,
    wen und was wir
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    aus unserem täglichen
    Leben ausblenden.
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    Der Dialog mit dem
    Lokalen und dem Globalen,
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    die Zuschauer als Mitwirkende,
    Spieler und Protagonisten,
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    die innovative Nutzung
    von Orten, all diese Dinge
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    spielen in der unglaublichen Arbeit
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    der fantastichen, französischen Gruppe
    Royal de Luxe eine besondere Rolle.
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    Royal de Luxes Riesenmarionetten
    kommen in die Stadt
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    und leben dort ein paar Tage.
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    Für "The Sultan's Elephant"
    kam Royal de Luxe
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    ins Zentrum von London
    und brachte es zum Stillstand,
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    mit ihrer Geschichte von einem
    kleinen Mädchen und ihrem Freund,
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    einem zeitreisenden Elefanten.
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    Für ein paar Tage verwandelten sie die Metropole
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    in eine Gemeinschaft, in der
    unendliche Möglichkeiten herrschen.
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    Der "Guardian" schrieb:
    "Wenn Kunst Transformation ist,
  • 7:00 - 7:04
    dann kann es keine
    transformativere Erfahrung geben.
  • 7:04 - 7:08
    'The Sultan's Elefant'
    stellt nichts weniger dar
  • 7:08 - 7:10
    als eine künstlerische
    Besetzung der Stadt
  • 7:10 - 7:15
    und eine Rückgewinnung
    der Straßen für die Menschen."
  • 7:15 - 7:19
    Wir können über die wirtschaftliche
    Bedeutung dieser Festivals
  • 7:19 - 7:23
    für ihre Städte sprechen, aber mich
    interessieren andere Dinge mehr,
  • 7:23 - 7:27
    z.B. wie ein Festival einer Stadt
    hilft, sich selbst darzustellen,
  • 7:27 - 7:30
    wie es dazu beiträgt,
    sich zu entdecken.
  • 7:30 - 7:32
    Festivals fördern Vielfalt,
  • 7:32 - 7:34
    sie bringen Nachbarn dazu,
    in den Dialog zu treten,
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    sie steigern Kreativität,
  • 7:37 - 7:40
    sie liefern Gelegenheiten
    für Bürgerstolz,
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    sie verbessern unser allgemeines
    psychologisches Wohlbefinden.
  • 7:43 - 7:48
    Kurzum, sie machen Städte
    zu lebenswerteren Orten.
  • 7:48 - 7:49
    Typisches Beispiel:
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    Als "The Sultan's Elephant"
    nach London kam,
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    nur neun Monate nach dem 7/7,
    schrieb ein Londoner:
  • 7:56 - 8:00
    "Zum ersten Mal seit dem
    Londoner Bombenattentat
  • 8:00 - 8:04
    rief meine Tochter mit
    Fröhlichkeit in ihrer Stimme an.
  • 8:04 - 8:05
    Sie hatte sich mit anderen getroffen,
  • 8:05 - 8:09
    um "The Sultan's Elephant"
    zu schauen und
  • 8:09 - 8:11
    das hat alles wieder gut gemacht."
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    Lyn Gardner schrieb im Guardian,
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    dass ein großartiges Festival
    uns ein Abbild der Welt,
  • 8:18 - 8:22
    der Stadt und von uns
    selbst zeigen kann.
  • 8:22 - 8:25
    aber es gibt nicht ein
    festes Festivalmodell.
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    Das Geniale an diesen
    Festivals ist aus meiner Sicht,
  • 8:28 - 8:33
    dass die neuen Festivals
  • 8:33 - 8:36
    die Komplexität und das Aufregende
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    unseres heutigen Lebens voll erfassen.
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    Vielen Dank. (Applaus)
Title:
David Binder: Die Revolution der Kunstfestivals
Speaker:
David Binder
Description:

David Binder ist ein bedeutender Broadway-Produzent, aber letzen Sommer fand er sich in einem kleinen australischen Viertel wieder und sah Einheimische auf ihren Rasen tanzen und performen – und liebte es. Er zeigt das neue Gesicht der Kunstfestivals, das die Grenze zwischen Zuschauern und Darstellern durchbricht und Städten hilft, sich selbst darzustellen.

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Video Language:
English
Team:
closed TED
Project:
TEDTalks
Duration:
09:06
Judith Matz approved German subtitles for The arts festival revolution
Judith Matz accepted German subtitles for The arts festival revolution
Angelika Lueckert Leon edited German subtitles for The arts festival revolution
Angelika Lueckert Leon edited German subtitles for The arts festival revolution
Judith Matz declined German subtitles for The arts festival revolution
Judith Matz commented on German subtitles for The arts festival revolution
Judith Matz edited German subtitles for The arts festival revolution
Judith Matz edited German subtitles for The arts festival revolution
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