Amerikas vergessene Arbeiterklasse
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0:01 - 0:02Ich erinnere mich noch
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0:02 - 0:05an meinen ersten Besuch
eines wirklich feinen Restaurants. -
0:05 - 0:08Der Anlass war eine Bewerbung
bei einer Anwaltskanzlei. -
0:08 - 0:10Vor dem Essen ging die Kellnerin herum
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0:10 - 0:12und bot Wein an.
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0:12 - 0:14Also sagte ich: "Gerne, Weißwein bitte."
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0:15 - 0:17Darauf fragte sie mich:
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0:17 - 0:19"Möchten Sie Sauvignon Blanc
oder Chardonnay?" -
0:20 - 0:22Ich weiß noch, dass ich dachte:
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0:22 - 0:25"Komm, hör mit den abgehobenen
französischen Wörtern auf -
0:25 - 0:27und gib mir einfach etwas Weißwein."
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0:27 - 0:29Aber stattdessen folgerte ich,
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0:29 - 0:31dass Chardonnay und Sauvignon Blanc
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0:31 - 0:33zwei verschiedene Weißweinsorten waren.
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0:33 - 0:36Daher nahm ich den Chardonnay,
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0:36 - 0:39da er für mich -- ehrlich gesagt --
einfacher auszusprechen war. -
0:40 - 0:43In meinen ersten Jahren
als Jurastudent an der Universität Yale -
0:43 - 0:45hatte ich viele solcher Erfahrungen,
-
0:45 - 0:49denn trotz des äußeren Anscheins
bin ich ein kultureller Außenseiter. -
0:49 - 0:51Ich stamme nicht aus der Elite.
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0:51 - 0:55Ich komme nicht aus dem Nordosten
oder aus San Francisco. -
0:55 - 0:57Ich komme aus einer Stahlstadt
im Süden Ohios, -
0:57 - 1:00die in vielerlei Hinsicht
wirklich zu kämpfen hat. -
1:00 - 1:03Ihre Probleme verdeutlichen
die umfassenderen Kämpfe -
1:03 - 1:05der Arbeiterklasse Amerikas.
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1:05 - 1:06Heroin hat sich verbreitet
-
1:06 - 1:09und viele Menschen getötet,
die ich kannte. -
1:09 - 1:11Gewalt in der Familie,
häusliche Gewalt und Scheidungen -
1:11 - 1:13reißen Familien auseinander.
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1:13 - 1:18Ein eigenartiger Pessimismus
breitet sich aus. -
1:18 - 1:20Bedenken Sie steigende Sterblichkeitsraten
-
1:20 - 1:21in diesen Gemeinden.
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1:21 - 1:23Für viele dieser Menschen
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1:23 - 1:25verursachen die wahrgenommenen Probleme
-
1:25 - 1:28die tatsächlich zunehmenden Sterberaten
in ihren eigenen Gemeinden, -
1:28 - 1:31wodurch der alltägliche Kampf
sehr real wird. -
1:31 - 1:34Ich konnte diesen Kampf
hautnah miterleben, -
1:34 - 1:38da meine Familie für eine lange Zeit
von ihm betroffen war. -
1:39 - 1:43Ich stamme aus einer Familie
mit wenig Geld. -
1:43 - 1:46Die Sucht, die meine Gemeinde heimsuchte,
-
1:46 - 1:50betraf auch meine Familie,
und leider auch meine eigene Mutter. -
1:50 - 1:54Es gab viele Probleme
in meiner eigenen Familie. -
1:54 - 1:57Manchmal war die Ursache
ein Mangel an Geld -
1:57 - 1:59und manchmal ein
fehlender Zugang zu Ressourcen -
1:59 - 2:01und sozialem Kapital.
-
2:01 - 2:04Das beeinflusste mein Leben sehr stark.
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2:04 - 2:07Wenn Sie mich als 14-Jährigen betrachtet
-
2:07 - 2:11und sich gefragt hätten:
"Was wird aus diesem Kind mal werden?", -
2:11 - 2:13hätten Sie erwartet,
dass ich mit der Aufstiegsmobilität -
2:13 - 2:17-- wie Soziologen es nennen --
zu kämpfen haben würde. -
2:17 - 2:20Aufstiegsmobilität ist
ein abstrakter Begriff, -
2:20 - 2:24aber er kommt dem Kern
des amerikanischen Traums sehr nahe. -
2:24 - 2:26Sie ist sein Ziel und bemisst,
-
2:26 - 2:28ob Kinder aus armen Gemeinden, wie ich,
-
2:28 - 2:30die Chance auf ein besseres Leben haben;
-
2:30 - 2:35ob sie sich eine bessere
materielle Existenz aufbauen können -
2:35 - 2:38oder ob sie in den Verhältnissen
verharren werden, -
2:38 - 2:39aus denen sie stammen.
-
2:39 - 2:40Leider mussten wir einsehen,
-
2:40 - 2:43dass die Aufstiegsmobilität
nicht so hoch ist, -
2:43 - 2:46wie wir es uns in diesem Land wünschen
-
2:46 - 2:50und sie ist interessanterweise
geografisch sehr unterschiedlich. -
2:50 - 2:52Nehmen Sie zum Beispiel Utah.
-
2:53 - 2:56In Utah hat ein armes Kind
tatsächlich die Möglichkeit, -
2:56 - 3:01den amerikanischen Traum
ein Stück weit zu leben. -
3:01 - 3:02Aber wenn Sie sich Appalachia
-
3:02 - 3:06im Süden von Ohio anschauen,
wo ich herkomme, -
3:06 - 3:09ist es für ein Kind sehr unwahrscheinlich,
-
3:09 - 3:11sozial aufzusteigen.
-
3:11 - 3:13In diesen Regionen des Landes
ist der amerikanische Traum -
3:13 - 3:16buchstäblich nur ein Traum.
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3:16 - 3:17Woran liegt das?
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3:18 - 3:21Ein Grund ist wirtschaftlicher
oder struktureller Natur. -
3:21 - 3:23Schauen Sie auf diese Gegenden.
-
3:23 - 3:25Sie sind um die Kohle-
und Stahlindustrie gewachsen -
3:25 - 3:28und schwierigen wirtschaftlichen
Entwicklungen ausgesetzt, -
3:28 - 3:30die den Menschen
ein Vorankommen erschweren. -
3:30 - 3:32Das ist sicherlich ein Problem.
-
3:32 - 3:35Ein weiteres Problem ist
die Abwanderung von Fachkräften. -
3:35 - 3:38Sie ziehen weg, da sie vor Ort
keine passende Arbeit finden -
3:38 - 3:39und somit keine Unternehmen
-
3:39 - 3:42oder gemeinnützige Gesellschaften
in ihrer Heimat gründen. -
3:42 - 3:45Sie ziehen weg und mit ihnen ihr Talent.
-
3:45 - 3:47Schulen in diesen Gemeinden
versagen darin, -
3:47 - 3:51ihren Schülern die
nötige Ausbildung zu geben, -
3:51 - 3:53die ihnen später Türen öffnen kann.
-
3:53 - 3:55Alle diese Dinge sind wichtig.
-
3:55 - 3:57Ich möchte diese strukturellen Hürden
nicht unterschätzen, -
3:57 - 4:00aber im Rückblick auf mein Leben
und meine Gemeinde -
4:00 - 4:03gab es noch etwas anderes,
das von Bedeutung war. -
4:04 - 4:08Es ist schwieriger zu messen,
aber dennoch genauso real. -
4:08 - 4:11Zunächst gab es ein sehr reales Gefühl
von Hoffnungslosigkeit -
4:11 - 4:14in der Gemeinde, in der ich aufwuchs.
-
4:14 - 4:15Für die Jugendlichen schienen
-
4:15 - 4:17ihre Entscheidungen
keine Rolle zu spielen. -
4:17 - 4:19Egal, was passierte,
wie hart sie arbeiteten, -
4:19 - 4:22wie sehr sie versuchten,
vorwärts zu kommen, -
4:22 - 4:24es würde doch nichts Gutes
dabei herauskommen. -
4:24 - 4:27Es ist schwierig,
mit diesem Gefühl aufzuwachsen. -
4:27 - 4:31Diese hartnäckige Denkweise
ist nur schwer zu überwinden -
4:31 - 4:35und führt manchmal zu sehr
verschwörerischen Ideen. -
4:35 - 4:38Betrachten wir daher
ein heiß diskutiertes politisches Thema, -
4:38 - 4:41"Affirmative Action"
[positive Diskriminierung]. -
4:41 - 4:44Je nach politischer Einstellung
ist Affirmative Action -
4:44 - 4:46entweder geeignet oder ungeeignet,
-
4:46 - 4:49Vielfalt am Arbeitsplatz
oder in der Schule zu fördern. -
4:49 - 4:51Wachsen Sie aber in einer
dieser Gegenden auf, -
4:51 - 4:53erleben Sie Affirmative Action
als Instrument, -
4:53 - 4:55das Menschen wie Sie behindert.
-
4:55 - 4:58Das gilt besonders, wenn Sie
zur weißen Arbeiterklasse gehören. -
4:58 - 5:01Dann sehen Sie es nicht nur
als gute oder schlechte Politik. -
5:01 - 5:04Sie erleben es als Teil
einer aktiven Verschwörung -
5:04 - 5:06von Menschen mit politischer
und finanzieller Macht, -
5:06 - 5:08die gegen Sie arbeiten.
-
5:08 - 5:13Diese Verschwörung äußert sich
für Sie auf verschiedene Weisen, -
5:14 - 5:16in Ihrer Wahrnehmung oder real;
-
5:16 - 5:19aber sie ist vorhanden
und verzerrt Ihre Erwartungen. -
5:19 - 5:21Wenn man in dieser Welt aufwächst,
-
5:21 - 5:24so gibt es verschiedene Wege,
darauf zu reagieren: -
5:24 - 5:26Man kann sich sagen:
"Ich arbeite nicht hart, -
5:26 - 5:29denn egal, wie hart ich arbeite,
es macht keinen Unterschied." -
5:29 - 5:31Man kann auch sagen:
-
5:31 - 5:34"Die traditionellen Maßstäbe
des Erfolgs sind mir egal -
5:34 - 5:37-- wie ein Studium oder
ein angesehener Job --, -
5:37 - 5:40da die Menschen,
die Wert auf diese Dinge legen, -
5:40 - 5:42anders sind als ich
und mich nie akzeptieren werden." -
5:42 - 5:44Als Yale mich aufnahm,
fragte ein Verwandter, -
5:44 - 5:48ob ich geheuchelt hätte, links zu sein,
um durch die Zulassung zu kommen. -
5:48 - 5:49Ernsthaft.
-
5:49 - 5:52Natürlich gab es auf dem Bewerbungsbogen
-
5:52 - 5:54kein Kästchen "Linker" zum Ankreuzen,
-
5:54 - 5:58aber die Frage spiegelt
eine sehr reale Unsicherheit wider, -
5:58 - 6:01dass man sich verstellen muss,
-
6:01 - 6:03um die sozialen Hürden
überwinden zu können. -
6:03 - 6:05Dies ist ein sehr ernstes Problem.
-
6:06 - 6:08Selbst wenn man die
Hoffnungslosigkeit nicht übernimmt -
6:08 - 6:10und überzeugt ist,
-
6:10 - 6:12dass die eigenen Entscheidungen zählen
-
6:12 - 6:14und man mit sinnvollen Entscheidungen
-
6:14 - 6:16sich und der Familie helfen kann,
-
6:16 - 6:18kann man manchmal schwer einschätzen,
-
6:18 - 6:20wie diese Entscheidungen aussehen,
-
6:20 - 6:22wenn man in einer Gemeinde
wie meiner aufwächst. -
6:22 - 6:24Ich wusste zum Beispiel nicht,
-
6:24 - 6:26dass man Jura studieren muss,
um Rechtsanwalt zu werden. -
6:26 - 6:29Ich wusste auch nicht,
dass Elite-Universitäten -
6:29 - 6:32günstiger für Studenten
mit geringem Einkommen sind, -
6:32 - 6:35weil diese Universitäten
größere Stiftungen besitzen -
6:35 - 6:37und großzügigere finanzielle Hilfe geben.
-
6:37 - 6:38Ich erfuhr das erst,
-
6:38 - 6:41als ich aus Yale meinen Brief
über meine finanzielle Hilfe erhielt, -
6:41 - 6:44zehntausende Dollar
bedarfsgerechter Unterstützung, -
6:44 - 6:46ein Begriff, den ich nie gehört hatte.
-
6:46 - 6:49Aber als ich den Brief bekam,
sagte ich zu meiner Tante: -
6:49 - 6:51"Zum ersten Mal in meinem Leben
-
6:51 - 6:54hat es sich bezahlt gemacht, arm zu sein."
-
6:54 - 6:55(Lachen)
-
6:55 - 6:58Ich hatte keinen Zugang
zu diesen Informationen, -
6:58 - 7:02weil mein soziales Netz
keinen Zugang dazu hatte. -
7:02 - 7:06Ich lernte von meinem Umfeld,
wie man eine Waffe richtig abfeuert, -
7:06 - 7:08ich lernte, verdammt gute Kekse zu backen.
-
7:08 - 7:12Der Trick ist übrigens, gefrorene statt
warme Butter zu nehmen. -
7:12 - 7:14Aber ich lernte nicht,
wie ich weiterkomme. -
7:14 - 7:16Ich lernte nicht,
-
7:16 - 7:19gute Entscheidungen für Ausbildung
und Jobs zu treffen, -
7:19 - 7:23die nötig sind, um eine Chance
in der wissensorientierten Wirtschaft -
7:23 - 7:24des 21. Jahrhunderts zu haben.
-
7:24 - 7:27Ökonomen bezeichnen den Wert,
-
7:27 - 7:29den wir aus unserem
informellen Netzwerk beziehen, -
7:29 - 7:31von unseren Freunden, Kollegen
und unserer Familie, -
7:31 - 7:33als "soziales Kapital".
-
7:33 - 7:34Mein soziales Kapital war nicht
-
7:34 - 7:36für das Amerika
des 21. Jahrhunderts gemacht -
7:36 - 7:38und das machte sich auch bemerkbar.
-
7:38 - 7:41Und es gibt noch etwas anderes,
das sehr wichtig ist, -
7:41 - 7:43über das unsere Gemeinde
aber nur ungern redet, -
7:43 - 7:45obwohl es sehr real ist.
-
7:45 - 7:47Kinder der Arbeiterklasse sind häufiger
-
7:47 - 7:51mit nachteiligen Kindheitserfahrungen
konfrontiert, was im Grunde nur -
7:51 - 7:54ein hochtrabender Begriff
für Kindheitstrauma ist: -
7:54 - 7:56Geschlagen oder angeschrien werden,
-
7:56 - 7:58wiederholt von den Eltern
erniedrigt werden, -
7:58 - 8:01zusehen, wie die eigenen Eltern
geschlagen werden, -
8:01 - 8:04bei Drogenkonsum oder
Alkoholmissbrauch zusehen müssen. -
8:04 - 8:06Dies sind alles Fälle
von Kindheitstraumata, -
8:06 - 8:09die in meiner Familie
ziemlich verbreitet sind. -
8:09 - 8:12Dabei ist wichtig,
dass es sie nicht nur derzeit gibt, -
8:12 - 8:14sondern schon seit Generationen.
-
8:14 - 8:19Als meine Großeltern
zum ersten Mal Kinder bekamen, -
8:19 - 8:21gingen sie davon aus,
-
8:21 - 8:24sie auf eindeutig gute Weise großzuziehen.
-
8:24 - 8:25Sie gehörten zur Mittelschicht
-
8:25 - 8:28und hatten ein gutes Einkommen
aus einem Stahlwerk. -
8:28 - 8:30Aber letztendlich setzten sie ihre Kinder
-
8:30 - 8:32den gleichen Kindheitstraumata aus
-
8:32 - 8:35wie schon die Generationen vor ihnen.
-
8:35 - 8:37Meine Mutter war 12,
als sie zusehen musste, -
8:37 - 8:40wie meine Oma versuchte,
meinen Opa anzuzünden. -
8:40 - 8:43Sein Vergehen war,
dass er betrunken nach Hause kam, -
8:43 - 8:44nachdem sie ihm gedroht hatte:
-
8:44 - 8:47"Wenn du betrunken nach Hause kommst,
bringe ich dich um." -
8:47 - 8:49Das versuchte sie dann auch.
-
8:49 - 8:53Stellen Sie sich die Wirkung
auf eine Kinderseele vor. -
8:54 - 8:57Man hält solche Dinge für Ausnahmen,
-
8:57 - 9:00aber eine Studie des
"Winsconsin Children's Trust Fund" ergab, -
9:00 - 9:03dass 40 Prozent aller armen Kinder
-
9:03 - 9:07mehrfach mit Kindheitstraumata
konfrontiert sind, -
9:07 - 9:10im Vergleich zu 29 Prozent aller Kinder
der oberen Einkommensschicht. -
9:10 - 9:13Denken Sie darüber nach,
was das wirklich bedeutet. -
9:13 - 9:16Fast die Hälfte aller Kinder
aus einkommensschwachen Familien -
9:16 - 9:19besitzen mehrere Kindheitstraumata.
-
9:19 - 9:21Das ist kein isoliertes Problem.
-
9:21 - 9:23Das ist ein sehr ernstes Thema.
-
9:24 - 9:28Wir wissen, was aus Kindern
mit solchen Erfahrungen wird. -
9:28 - 9:31Sie konsumieren viel eher Drogen,
gehen ins Gefängnis, -
9:31 - 9:33brechen die Schule ab,
-
9:34 - 9:36aber vor allem tun sie ihren Kindern
-
9:36 - 9:38höchstwahrscheinlich das an,
-
9:38 - 9:40was ihre Eltern ihnen antaten.
-
9:40 - 9:43Das Trauma, das Chaos im Elternhaus,
-
9:43 - 9:46ist die schlimmste Gabe
unserer Kultur an unsere Kinder -
9:46 - 9:49und sie wird immer weitergereicht.
-
9:50 - 9:52Wenn Sie all das kombinieren,
-
9:52 - 9:55die Hoffnungslosigkeit, die Verzweiflung,
-
9:55 - 9:57der Zynismus über die Zukunft,
-
9:57 - 9:59die Kindheitstraumata,
-
9:59 - 10:01das geringe soziale Kapital,
-
10:01 - 10:04fangen Sie an zu verstehen, warum ich
-
10:04 - 10:05im Alter von 14 Jahren
-
10:05 - 10:08kurz davor stand, Teil
der Statistik zu werden, -
10:08 - 10:11ein weiteres Kind, das
an den Hürden scheiterte. -
10:11 - 10:13Aber etwas Unerwartetes passierte.
-
10:13 - 10:15Ich machte etwas anderes.
-
10:15 - 10:17Dinge nahmen eine Wendung zum Besseren.
-
10:17 - 10:20Ich schloss die Sekundarschule
und das College ab, -
10:20 - 10:23studierte Jura und habe jetzt
einen ziemlich guten Job. -
10:23 - 10:25Was geschah damals also?
-
10:25 - 10:28Eine Sache war, dass meine Großeltern,
-
10:28 - 10:30die versucht hatten, sich anzuzünden,
-
10:30 - 10:33sich wirklich veränderten,
als ich aufkreuzte. -
10:33 - 10:36Sie gaben mir ein stabiles Zuhause,
-
10:36 - 10:38eine stabile Familie.
-
10:38 - 10:40Sie sprangen ein und stellten sicher,
-
10:40 - 10:42dass ich die Dinge bekam,
die Kinder brauchen, -
10:42 - 10:45wenn meine Eltern dazu
nicht in der Lage waren. -
10:45 - 10:48Meine Oma tat zwei Dinge,
die wirklich wichtig waren. -
10:48 - 10:49Sie gab mir ein ruhiges Zuhause,
-
10:49 - 10:52das mir ermöglichte,
mich auf meine Hausaufgaben -
10:52 - 10:54und andere wichtige Dinge
zu konzentrieren. -
10:54 - 10:56Aber sie war auch eine scharfsinnige Frau,
-
10:56 - 10:58obwohl sie nicht einmal
eine mittlere Schulbildung hatte. -
10:58 - 11:01Sie erkannte die Botschaft
meiner Gemeinde, -
11:01 - 11:03dass meine Entscheidungen
keine Rolle spielten, -
11:03 - 11:05dass ich ein schlechtes Blatt
in der Hand hielt. -
11:05 - 11:06Sie sagte mir:
-
11:06 - 11:08"JD, werde niemals wie die Versager,
-
11:08 - 11:11die überzeugt sind,
schlechte Karten zu haben. -
11:11 - 11:13Du kannst alles werden, was du möchtest."
-
11:13 - 11:16Dennoch erkannte sie,
dass das Leben ungerecht war. -
11:16 - 11:18Es ist schwierig, die Balance zu finden,
-
11:18 - 11:20einem Kind zu sagen,
dass das Leben nicht gerecht ist, -
11:20 - 11:23aber es gleichzeitig zu bestärken,
-
11:23 - 11:25dass seine Entscheidungen
eine Rolle spielen. -
11:25 - 11:28Aber Oma war in der Lage,
diese Balance zu finden. -
11:29 - 11:31Was mir ebenfalls half,
war das Marinekorps. -
11:31 - 11:34Wir sehen es als militärische Einrichtung,
-
11:34 - 11:35die es natürlich auch ist,
-
11:35 - 11:37aber für mich war das Korps
-
11:37 - 11:39ein 4-jähriger Crashkurs
in der Persönlichkeitsbildung. -
11:39 - 11:41Ich lernte, mein Bett zu machen,
-
11:41 - 11:45meine Wäsche zu waschen, früh aufzuwachen
und mein Geld zu verwalten. -
11:45 - 11:47Diese Dinge brachte mir
meine Gemeinde nie bei. -
11:47 - 11:50Ich erinnere mich noch
an meinen ersten Autokauf. -
11:50 - 11:54Ein Händler bot mir einen sehr
niedrigen Zinssatz von 21,9 Prozent an -
11:54 - 11:58und ich war kurz davor zu unterschreiben.
-
11:58 - 11:59Aber ich lehnte das Angebot ab,
-
11:59 - 12:02weil ich meinen Offizier um Rat bat,
-
12:02 - 12:03der mir offen sagte: "Sei nicht dumm
-
12:03 - 12:07und hol dir ein besseres Angebot
bei der lokalen Genossenschaftsbank." -
12:07 - 12:08Das machte ich.
-
12:08 - 12:10Aber ohne das Marinekorps hätte ich
-
12:10 - 12:12nie Zugang zu diesem Wissen erhalten.
-
12:12 - 12:15Es wäre, ehrlich gesagt,
ein finanzielles Desaster gewesen. -
12:15 - 12:16Zuletzt möchte ich erwähnen,
-
12:16 - 12:19dass ich sehr viel Glück
mit den Mentoren und Menschen hatte, -
12:19 - 12:22die für mich eine wichtige Rolle spielten.
-
12:22 - 12:24Menschen von der Marine,
von der Ohio State, -
12:24 - 12:26der Universität Yale
und an anderen Orten, -
12:26 - 12:28setzten sich ein und sorgten dafür,
-
12:28 - 12:31dass sie die Lücke in meinem
sozialen Kapital ausfüllten, -
12:31 - 12:33die sehr offensichtlich vorhanden war.
-
12:33 - 12:36Das alles hat mit Glück zu tun,
-
12:36 - 12:39aber viele Kinder haben
nicht so viel Glück wie ich, -
12:39 - 12:43und ich denke, es wirft sehr
wichtige Fragen für uns alle auf, -
12:43 - 12:45wie wir diesen Umstand ändern können.
-
12:46 - 12:50Wir müssen uns fragen, wie wir Kindern
aus einkommensschwachen Familien -
12:50 - 12:53und zerrütteten Familienverhältnissen
ein liebevolles Zuhause ermöglichen. -
12:53 - 12:54Wir müssen uns fragen,
-
12:54 - 12:57wie wir einkommensschwachen Eltern
beibringen können, -
12:57 - 12:59besser mit ihren Kindern
-
12:59 - 13:00und mit ihren Partnern umzugehen.
-
13:00 - 13:05Wir müssen uns fragen, wie wir Kindern
aus sozial schwachen Familen -
13:05 - 13:08soziales Kapital und Mentoren geben,
die diese Unterstützung nicht haben. -
13:08 - 13:11Wir müssen darüber nachdenken,
wie wir Kindern der Arbeiterklasse -
13:11 - 13:14nicht nur fachliche Fähigkeiten
-
13:14 - 13:16wie Lesen, Mathematik,
-
13:16 - 13:18sondern auch Sozialkompetenzen
-
13:18 - 13:21wie Konfliktbewältigung
und Umgang mit Geld beibringen. -
13:21 - 13:25Ich habe nicht alle Antworten.
-
13:25 - 13:28Ich kenne nicht alle Lösungen
für dieses Problem, -
13:28 - 13:30aber ich weiß Folgendes:
-
13:31 - 13:32Im südlichen Ohio
-
13:32 - 13:36wartet gerade in diesem Moment
ein Kind mit Sorge auf seinen Vater, -
13:36 - 13:41unsicher, ob er nüchtern oder betrunken
zur Tür hereinkommen wird. -
13:42 - 13:44Dort ist ein Kind,
-
13:45 - 13:48dessen Mutter sich eine Spritze setzt
und bewusstlos wird, -
13:48 - 13:51das nicht weiß, warum sie ihm
kein Abendessen gekocht hat, -
13:51 - 13:54und heute Nacht hungrig ins Bett geht.
-
13:54 - 13:58Für ein anderes Kind besteht
keine Hoffnung auf eine bessere Zukunft, -
13:58 - 14:02dabei will es unbedingt
ein besseres Leben führen. -
14:02 - 14:05Sie wollen einfach nur jemanden,
der es ihnen beibringt. -
14:05 - 14:07Ich habe nicht alle Antworten,
-
14:07 - 14:11aber ich weiß, wenn unsere Gesellschaft
nicht endlich bessere Fragen stellt, -
14:11 - 14:14warum ich Glück hatte
-
14:14 - 14:17und wie wir mehr Gemeinden
und Kindern unseres Landes -
14:17 - 14:19den Zugang zu diesem Glück ermöglichen,
-
14:19 - 14:22werden wir ein sehr ernstes Problem haben.
-
14:22 - 14:23Vielen Dank.
-
14:23 - 14:25(Beifall)
- Title:
- Amerikas vergessene Arbeiterklasse
- Speaker:
- J. D. Vance
- Description:
-
J. D. Vance wuchs in einer armen Kleinstadt im "Rostgürtel" im Süden von Ohio auf, von wo er viele der sozialen Missstände, mit denen Amerika zu kämpfen hat, aus nächster Nähe miterleben musste: eine Heroin-Epidemie, scheiternde Schulen, Familien, die durch Scheidung und manchmal Gewalt auseinander gerissen werden. In einem Vortrag auf der Suche nach Antworten, die einen Widerhall in den Arbeiterstädten des Landes finden wird, beschreibt J. D. Vance, wie sich das Scheitern des Amerikanischen Traums anfühlt und zeigt wichtige Fragen auf, die sich jeder von Gemeindeverantwortlichen bis zu politischen Entscheidungsträgern fragen sollte: Wie können wir den Kindern aus Amerikas vergessenen Städten helfen, ihre Hoffnungslosigkeit zu überwinden und ein besseres Leben zu führen?
- Video Language:
- English
- Team:
- closed TED
- Project:
- TEDTalks
- Duration:
- 14:42
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