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Das Geheimnis wirksamen gewaltfreien Widerstands

  • 0:01 - 0:05
    Seit ich mich erinnern kann,
    ist Krieg ein Teil meines Lebens.
  • 0:05 - 0:10
    Ich wurde in Afghanistan sechs Monate
    nach dem Einfall der Sowjets geboren
  • 0:10 - 0:13
    und obwohl ich zu jung war,
    um die Ereignisse zu verstehen,
  • 0:13 - 0:17
    nahm ich das Leiden und die Angst
    um mich herum stark wahr.
  • 0:17 - 0:23
    Diese frühen Erfahrungen beeinflussten
    meine Denkweise über Krieg und Konflikte.
  • 0:23 - 0:26
    Ich lernte, dass wenn grundlegende
    Themen auf dem Spiel stehen,
  • 0:27 - 0:28
    für die meisten Menschen
  • 0:28 - 0:30
    Aufgeben keine Option ist.
  • 0:30 - 0:31
    Für diese Art von Konflikten --
  • 0:31 - 0:34
    wenn die Rechte von Menschen
    verletzt werden,
  • 0:34 - 0:35
    wenn ihre Länder besetzt werden,
  • 0:35 - 0:37
    wenn sie unterdrückt
    und erniedrigt werden --
  • 0:37 - 0:41
    bedarf es einer kraftvollen Methode
    des Widerstands und der Gegenwehr.
  • 0:41 - 0:46
    Das bedeutet, dass gleichgültig wie
    destruktiv und schrecklich Gewalt ist,
  • 0:46 - 0:48
    Menschen sie einsetzen werden,
  • 0:48 - 0:50
    wenn sie sie als einzige Chance sehen.
  • 0:50 - 0:54
    Die meisten von uns sind über
    den Gewaltpegel in der Welt besorgt.
  • 0:54 - 0:56
    Aber wir werden Kriege nicht verhindern,
  • 0:56 - 0:59
    indem wir den Menschen sagen,
    dass Gewalt moralisch falsch ist.
  • 0:59 - 1:01
    Stattdessen müssen wir
    ihnen ein Werkzeug anbieten,
  • 1:01 - 1:06
    das mindestens so stark
    und wirksam wie Gewalt ist.
  • 1:06 - 1:08
    Das ist meine Arbeit.
  • 1:08 - 1:11
    In den letzten 13 Jahren habe ich Menschen
  • 1:11 - 1:14
    in einigen der schwierigsten Situationen
    in der Welt beigebracht,
  • 1:14 - 1:17
    wie sie ohne Gewalt
    Konflikte austragen können.
  • 1:18 - 1:23
    Die meisten verbinden diese Methode
    mit Gandhi und Martin Luther King.
  • 1:24 - 1:27
    Aber Menschen setzen gewaltfreie Aktionen
    seit Jahrtausenden ein.
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    Tatsächlich wurden uns die meisten
    unserer Rechte heute in diesem Land --
  • 1:32 - 1:33
    als Frauen,
  • 1:33 - 1:35
    als Minderheiten,
  • 1:35 - 1:36
    als Arbeitnehmer,
  • 1:36 - 1:38
    als Menschen verschiedener
    sexueller Orientierungen
  • 1:38 - 1:41
    und um die Umwelt besorgte Bürger --
  • 1:41 - 1:43
    nicht einfach gegeben.
  • 1:43 - 1:46
    Sie wurden von Menschen gewonnen,
    die für sie kämpften
  • 1:46 - 1:47
    und sich für sie opferten.
  • 1:47 - 1:50
    Aber weil wir nichts aus
    dieser Geschichte gelernt haben,
  • 1:50 - 1:54
    wird gewaltfreier Kampf als eine Technik
    meist missverstanden.
  • 1:54 - 1:58
    Vor kurzem traf ich
    eine Gruppe äthiopischer Aktivisten
  • 1:58 - 2:01
    und sie erzählten mir etwas,
    das ich oft höre.
  • 2:01 - 2:03
    Sie sagten, sie hätten
    gewaltfreie Aktionen probiert
  • 2:03 - 2:05
    und sie hätten nicht funtioniert.
  • 2:05 - 2:07
    Vor Jahren hielten sie einen Protest.
  • 2:07 - 2:11
    Die Regierung verhaftete jeden
    und damit war die Sache zu Ende.
  • 2:11 - 2:15
    Die Vorstellung, dass gewaltfreier Kampf
    gleichbedeutend mit Demonstrationen ist,
  • 2:15 - 2:17
    ist ein großes Problem.
  • 2:17 - 2:22
    Obwohl Proteste gut zeigen können,
    dass Leute Veränderungen wollen,
  • 2:22 - 2:24
    reichen sie alleine nicht
    für wirkliche Veränderungen aus --
  • 2:25 - 2:26
    zumindest nicht für grundlegende.
  • 2:27 - 2:28
    (Lachen)
  • 2:28 - 2:31
    Mächtige Gegner werden den Menschen
    nicht geben, was sie wollen,
  • 2:31 - 2:33
    nur weil sie nett fragen ...
  • 2:33 - 2:35
    oder auch nicht so nett fragen.
  • 2:35 - 2:37
    (Lachen)
  • 2:37 - 2:40
    Gewaltfreier Kampf wirkt durch
    die Zerstörung des Gegners --
  • 2:40 - 2:41
    aber nicht im physischen Sinn,
  • 2:41 - 2:46
    sondern er ermittelt die Institutionen,
    die ein Gegner zum Überleben braucht
  • 2:46 - 2:48
    und entzieht ihnen dann diese Machtquelle.
  • 2:48 - 2:51
    Gewaltfreie Aktivisten können
    das Militär neutralisieren,
  • 2:51 - 2:53
    indem sie Soldaten
    zum Desertieren bringen.
  • 2:54 - 2:57
    Sie können die Wirtschaft durch Streiks
    und Boykotts zum Erliegen bringen.
  • 2:57 - 3:00
    Sie können die Regierungspropaganda
    herausfordern,
  • 3:00 - 3:02
    indem sie alternative Medien kreieren.
  • 3:02 - 3:05
    Es gibt verschiedene Methoden,
    die man dazu einsetzen kann.
  • 3:05 - 3:08
    Mein Kollege und Mentor Gene Sharp
  • 3:08 - 3:14
    hat 198 Methoden
    gewaltfreier Aktionen aufgelistet.
  • 3:14 - 3:16
    Der Protest ist nur einer davon.
  • 3:16 - 3:19
    Ein aktuelles Beispiel:
  • 3:19 - 3:21
    Bis vor wenigen Monaten wurde Guatemala
  • 3:21 - 3:23
    von korrupten ehemaligen Militäroffizieren
  • 3:23 - 3:26
    mit Verbindungen zum
    organisierten Verbrechen regiert.
  • 3:26 - 3:28
    Die Menschen wussten es,
  • 3:28 - 3:32
    aber die meisten fühlten sich machtlos,
    etwas dagegen zu tun --
  • 3:32 - 3:36
    bis eine Gruppe Bürger,
    nur 12 normale Menschen,
  • 3:36 - 3:39
    ihre Freunde auf Facebook dazu aufriefen,
  • 3:39 - 3:43
    sich auf dem zentralen Platz mit Schildern
    zu versammeln, auf denen stand:
  • 3:43 - 3:45
    "Renuncia YA" --
  • 3:45 - 3:47
    tretet endlich ab.
  • 3:47 - 3:49
    Zu ihrem Erstaunen
  • 3:49 - 3:51
    erschienen 30 000 Menschen.
  • 3:51 - 3:55
    Sie blieben für Monate dort, während
    sich Proteste durch das Land ausbreiteten.
  • 3:55 - 3:57
    Einmal lieferten die Organisatoren
  • 3:57 - 4:00
    hunderte Eier mit folgender Nachricht
  • 4:00 - 4:02
    an verschiedene Regierungsgebäude:
  • 4:02 - 4:05
    "Wenn ihr nicht die huevos" -- die Eier --
  • 4:05 - 4:08
    "habt, um korrupte Kandidaten
    von der Kandidatur abzuhalten,
  • 4:08 - 4:10
    könnt ihr euch unsere ausleihen."
  • 4:10 - 4:12
    (Lachen)
  • 4:12 - 4:16
    (Applaus)
  • 4:16 - 4:19
    Präsident Molina antwortete
    mit dem Versprechen,
  • 4:19 - 4:21
    niemals abzutreten.
  • 4:21 - 4:24
    Den Aktivisten wurde klar,
    dass sie nicht ewig protestieren
  • 4:24 - 4:26
    und den Präsident um Rücktritt
    bitten konnten.
  • 4:26 - 4:29
    Sie durften ihm keine Wahl lassen.
  • 4:29 - 4:31
    Also organisierten sie
    einen Generalstreik,
  • 4:31 - 4:33
    in dem Menschen im gesamten Land
    die Arbeit verweigerten.
  • 4:33 - 4:35
    Allein in Guatemala City
  • 4:35 - 4:38
    schlossen über 400 Geschäfte
    und Schulen ihre Tore.
  • 4:38 - 4:42
    Gleichzeitig blockierten Bauern
    im gesamten Land wichtige Straßen.
  • 4:42 - 4:44
    Nach fünf Tagen
  • 4:44 - 4:45
    traten der Präsident
  • 4:45 - 4:48
    und dutzende weitere Regierungsbeamte
  • 4:48 - 4:49
    endlich zurück.
  • 4:49 - 4:53
    (Applaus)
  • 4:53 - 4:57
    Ich wurde von der Kreativität
    und dem Mut der Menschen inspiriert,
  • 4:57 - 5:01
    die gewaltfreie Aktionen
    in fast jedem Land der Welt einsetzen.
  • 5:02 - 5:03
    Zum Beispiel ließ vor kurzem
  • 5:03 - 5:05
    eine Gruppe Aktivisten in Uganda
  • 5:05 - 5:08
    einige Schweine auf den Straßen frei.
  • 5:08 - 5:12
    Hier sieht man, dass die Polizei
    nicht weiß, was sie mit ihnen tun soll.
  • 5:12 - 5:13
    (Lachen)
  • 5:13 - 5:16
    Die Schweine trugen die Farbe
    der Regierungspartei.
  • 5:16 - 5:18
    Ein Schwein trug sogar einen Hut,
  • 5:18 - 5:20
    einen Hut, den die Menschen erkannten.
  • 5:20 - 5:22
    (Lachen)
  • 5:22 - 5:26
    Aktivisten werden weltweit besser darin,
    Schlagzeilen zu machen,
  • 5:26 - 5:28
    aber diese isolierten Aktionen
    erreichen wenig,
  • 5:28 - 5:31
    wenn sie nicht Teil
    einer größeren Strategie sind.
  • 5:31 - 5:33
    Ein General führt seine Truppen
    nicht in die Schlacht,
  • 5:33 - 5:35
    wenn er keinen Plan zum Gewinnen hat.
  • 5:35 - 5:39
    Dennoch arbeiten die meisten
    gewaltfreien Bewegungen so.
  • 5:39 - 5:43
    Gewaltfreier Kampf ist so komplex
    wie militärische Kriegsführung,
  • 5:43 - 5:44
    vielleicht sogar komplexer.
  • 5:44 - 5:49
    Seine Teilnehmer müssen gut ausgebildet
    sein und klare Ziele haben
  • 5:49 - 5:53
    und seine Anführer brauchen
    eine Strategie, diese zu erreichen.
  • 5:53 - 5:57
    Kriegstechniken wurden
    über Jahrtausende entwickelt,
  • 5:57 - 5:58
    massive Ressourcen
  • 5:58 - 6:01
    und einige unserer besten Köpfe
    wurden eingesetzt,
  • 6:01 - 6:04
    um ihre Wirkungsweise
    zu verstehen und zu verbessern.
  • 6:04 - 6:08
    Dagegen wird der gewaltfreie Kampf
    selten systematisch studiert
  • 6:08 - 6:10
    und obwohl es immer mehr von ihnen gibt,
  • 6:10 - 6:15
    gibt es nur einige dutzend Menschen
    auf der Welt, die ihn unterrichten.
  • 6:15 - 6:16
    Das ist gefährlich,
  • 6:16 - 6:20
    weil wir nun wissen, dass unsere
    alten Ansätze mit Konflikt umzugehen
  • 6:20 - 6:24
    für unsere neuen Herausforderungen
    nicht ausreichen.
  • 6:24 - 6:26
    Die US-Regierung gab kürzlich zu,
  • 6:26 - 6:29
    dass sie in ihrem Kampf gegen den IS
    in einer Pattsituation ist.
  • 6:29 - 6:31
    Aber die meisten wissen nicht,
  • 6:31 - 6:35
    dass sich Menschen mit gewaltfreien
    Aktionen dem IS entgegenstellten.
  • 6:35 - 6:39
    Als der IS im Juni 2014 Mossul einnahm,
  • 6:39 - 6:43
    verkündeten sie die Einführung
    eines neuen Lehrplans,
  • 6:43 - 6:46
    der auf ihrer extremistischen
    Ideologie basierte.
  • 6:46 - 6:48
    Aber am ersten Schultag
  • 6:48 - 6:50
    erschien kein einziges Kind.
  • 6:50 - 6:53
    Die Eltern weigerten sich
    sie gehen zu lassen.
  • 6:53 - 6:57
    Sie sagten Journalisten, sie würden
    ihre Kinder lieber zu Hause unterrichten,
  • 6:57 - 6:59
    als sie einer Gehirnwäsche auszusetzen.
  • 6:59 - 7:02
    Das ist ein Beispiel für nur
    einen Akt des Widerstands
  • 7:02 - 7:04
    in einer einzigen Stadt.
  • 7:04 - 7:06
    Aber was, wenn er mit
    dutzenden anderer Aktionen
  • 7:06 - 7:08
    gewaltfreien Widerstands gegen den IS
  • 7:08 - 7:10
    koordiniert worden wäre?
  • 7:10 - 7:13
    Wenn der Boykott der Eltern
    Teil einer größeren Strategie wäre,
  • 7:13 - 7:18
    die Ressourcen, die der IS benötigt,
    zu identifizieren und abzuschneiden;
  • 7:18 - 7:21
    die Fachkräfte zur Nahrungsproduktion,
  • 7:21 - 7:24
    die Ingenieure für die Förderung
    und Raffination von Öl,
  • 7:24 - 7:27
    die Medien-Infrastruktur und
    Kommunikationsnetzwerke
  • 7:27 - 7:29
    und Transportsysteme
  • 7:29 - 7:32
    und die lokalen Geschäfte,
    auf die sich der IS verlässt?
  • 7:32 - 7:35
    Es ist vielleicht schwer,
    sich einen Sieg über den IS
  • 7:35 - 7:38
    mit gewaltfreien Aktionen vorzustellen.
  • 7:38 - 7:41
    Aber es wird Zeit, anders
    über Konflikte nachzudenken
  • 7:41 - 7:44
    und unsere Möglichkeiten wahrzunehmen.
  • 7:44 - 7:46
    Diese Idee ist es wert,
    verbreitet zu werden:
  • 7:46 - 7:50
    Lernen wir mehr darüber, wo
    gewaltfreie Aktionen funktionierten
  • 7:50 - 7:52
    und wie wir sie wirksamer machen können,
  • 7:52 - 7:55
    genau wie bei anderen Systemen
    und Technologien,
  • 7:55 - 7:59
    die ständig verbessert werden, um
    die menschlichen Bedürfnisse zu erfüllen.
  • 7:59 - 8:03
    Vielleicht können wir gewaltfreie Aktionen
    so weit verbessern,
  • 8:03 - 8:07
    dass sie zunehmend an Stelle von
    Kriegen angewendet werden.
  • 8:07 - 8:11
    Gewalt als Werkzeug in Konflikten
    könnte dann aufgegeben werden,
  • 8:11 - 8:13
    genau wie es mit Pfeil und Bogen geschah,
  • 8:13 - 8:17
    weil wir sie mit wirksameren
    Waffen ersetzt haben.
  • 8:17 - 8:22
    Mit menschlicher Innovation können wir
    den gewaltfreien Kampf mächtiger machen
  • 8:22 - 8:26
    als die neuesten Kriegstechnologien.
  • 8:26 - 8:30
    Die größte Hoffnung der Menschheit
    liegt nicht darin Gewalt zu verurteilen,
  • 8:30 - 8:34
    sondern darin, sie überflüssig zu machen.
  • 8:34 - 8:36
    Vielen Dank.
  • 8:36 - 8:42
    (Applaus)
Title:
Das Geheimnis wirksamen gewaltfreien Widerstands
Speaker:
Jamila Raqib
Description:

Wir werden Gewalt nicht beenden, indem wir Menschen sagen, dass sie moralisch falsch ist, sagt Jamila Raqib, geschäftsführende Direktorin der Albert-Einstein-Institution. Stattdessen müssen wir andere, ebenso starke und wirksame Methoden zur Konfliktaustragung finden. Raqib fördert den gewaltfreien Widerstand von Menschen, die in Tyrannei leben -- und es steckt viel mehr dahinter als Demonstrationen. Sie erzählt von ermutigenden Beispielen kreativer Strategien, die weltweit zu Veränderungen führten und gibt uns eine Botschaft der Hoffnung für eine Zukunft ohne bewaffnete Konflikte: "Die größte Hoffnung der Menschheit liegt nicht darin Gewalt zu verurteilen, sondern darin, sie überflüssig zu machen," sagt Raqib.

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English
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