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Der verborgene Grund für Armut, den wir jetzt bekämpfen müssen

  • 0:01 - 0:04
    Um ehrlich zu sein,
  • 0:04 - 0:06
    ich bin kein weinerlicher Mensch.
  • 0:07 - 0:11
    Und in meinem Beruf ist das
    vielleicht auch besser so.
  • 0:11 - 0:13
    Ich bin Anwalt für Bürgerrechte
  • 0:13 - 0:16
    und habe furchtbare Dinge
    auf der Welt gesehen.
  • 0:17 - 0:21
    Ich begann mit Fällen von polizeilichem
    Machtmissbrauch in den USA.
  • 0:21 - 0:25
    1994 wurde ich als
    UN-Chefermittler nach Ruanda
  • 0:25 - 0:29
    zur Aufklärung des Völkermords entsandt.
  • 0:30 - 0:34
    Tränen sind keine große Hilfe
  • 0:34 - 0:37
    beim Aufklären eines Völkermords.
  • 0:37 - 0:42
    Die Dinge, die ich sehen,
    fühlen und berühren musste,
  • 0:42 - 0:45
    kann man nicht in Worte fassen.
  • 0:46 - 0:49
    Ich kann Ihnen Folgendes sagen:
  • 0:49 - 0:51
    Beim Völkermord in Ruanda
  • 0:51 - 0:57
    handelt es sich um eines der größten
    Versagen einfachen Mitgefühls.
  • 0:58 - 1:01
    Das Wort "Mitgefühl" leitet sich von
    zwei lateinischen Wörtern ab:
  • 1:01 - 1:07
    "cum passio", dies bedeutet schlicht
    "mit jemandem leiden".
  • 1:07 - 1:10
    Durch das, was ich in Ruanda
    gesehen und erfahren habe,
  • 1:10 - 1:13
    bin ich dem menschlichen Leid
    so nah gekommen,
  • 1:13 - 1:16
    dass es mich tatsächlich
    zu Tränen gerührt hat.
  • 1:16 - 1:19
    Ich wünschte bloß,
    dass ich und der Rest der Welt
  • 1:19 - 1:21
    schon viel früher gerührt gewesen wären --
  • 1:21 - 1:23
    und nicht nur zu Tränen,
  • 1:23 - 1:27
    sondern so gerührt, dass wir dem
    Völkermord ein Ende setzen.
  • 1:27 - 1:30
    Im Gegensatz hierzu
    war ich aber auch Zeuge
  • 1:30 - 1:35
    eines der größten Erfolge
    menschlichen Mitgefühls.
  • 1:35 - 1:38
    Und damit meine ich den Kampf
    gegen die Armut auf der Welt.
  • 1:38 - 1:41
    Damit hatten wir wahrscheinlich
    alle schon zu tun.
  • 1:41 - 1:46
    Vielleicht war Ihr erster Kontakt damit
    der Refrain des Liedes "We Are The World",
  • 1:46 - 1:50
    oder das Kind, das Sie
    finanziell unterstützen,
  • 1:50 - 1:54
    oder den Geburtstag, an dem Sie
    sauberes Trinkwasser spendeten.
  • 1:54 - 1:58
    Ich kann mich nicht an meinen
    ersten Kontakt mit Armut erinnern,
  • 1:58 - 2:01
    aber ich erinnere mich
    an den aufrüttelndsten.
  • 2:01 - 2:06
    Das war, als ich Venus traf --
    eine Mutter aus Sambia.
  • 2:06 - 2:10
    Sie hat 3 Kinder und ist Witwe.
  • 2:10 - 2:16
    Als ich sie traf, war sie 19 km
    in ihrem einzigen Kleid
  • 2:16 - 2:20
    bis in die Hauptstadt gelaufen,
    um ihre Lebensgeschichte zu erzählen.
  • 2:20 - 2:24
    Sie saß stundenlang mit mir da
  • 2:24 - 2:28
    und führte mich in die Welt der Armut ein.
  • 2:28 - 2:35
    Sie erzählte mir, wie es ist,
    wenn die Kohle im Kochfeuer kalt wird.
  • 2:35 - 2:40
    Wie es ist, wenn der letzte Tropfen
    des Kochöls aufgebraucht ist.
  • 2:40 - 2:46
    Wie es ist, wenn das allerletzte Essen,
    trotz all ihrer Mühe aufgebraucht war.
  • 2:46 - 2:49
    Sie musste zusehen,
    wie ihr jüngster Sohn Peter
  • 2:49 - 2:52
    an den Folgen von Mangelernährung litt.
  • 2:52 - 2:56
    Wie seine Beine sich langsam so verbogen,
    dass er nicht mehr laufen konnte.
  • 2:56 - 2:59
    Wie seine Augen trüb und matt wurden.
  • 2:59 - 3:03
    Und schließlich, wie Peter "kalt" wurde.
  • 3:06 - 3:12
    Über 50 Jahre lang haben uns
    solche Geschichten berührt --
  • 3:12 - 3:15
    uns, deren Kinder so viel zu essen haben.
  • 3:15 - 3:17
    Und wir sind nicht nur
    von der Armut berührt,
  • 3:17 - 3:22
    sondern wollen auch mithelfen,
    dieses Leid zu beenden.
  • 3:22 - 3:25
    Natürlich gibt es viel Kritik,
    dass wir nicht genug getan haben,
  • 3:25 - 3:30
    und dass das, was wir getan haben,
    nicht wirksam genug war.
  • 3:30 - 3:32
    Die Wahrheit ist:
  • 3:33 - 3:37
    Der Kampf gegen Armut auf der Welt
    ist wahrscheinlich der längste
  • 3:37 - 3:42
    und gleichzeitig größte
    Ausdruck von menschlichem Mitgefühl
  • 3:42 - 3:45
    in der Geschichte unserer Spezies.
  • 3:45 - 3:48
    Deshalb möchte ich einen ziemlich
    niederschmetternden Einblick geben,
  • 3:48 - 3:53
    der vielleicht für immer Ihre Denkweise
    über diesen Kampf verändern wird.
  • 3:53 - 3:55
    Doch zunächst werde ich mit dem
    beginnen, was Sie wissen.
  • 3:55 - 3:59
    Vor 35 Jahren, als ich
    meinen Schulabschuss machte,
  • 3:59 - 4:05
    sagte man uns, dass täglich 40 000 Kinder
    an den Folgen von Armut sterben.
  • 4:05 - 4:10
    Diese Zahl ist heute auf 17 000 gesunken.
  • 4:10 - 4:12
    Natürlich ist das immer noch zu viel,
  • 4:12 - 4:14
    aber das bedeutet, dass heute jedes Jahr
  • 4:14 - 4:19
    8 Millionen Menschen weniger
    an den Folgen von Armut sterben müssen.
  • 4:20 - 4:22
    Außerdem sank die Zahl der Menschen,
  • 4:22 - 4:24
    die in extremer Armut leben müssen,
  • 4:24 - 4:28
    was der Definition nach heißt,
    von weniger als 1,25 Dollar am Tag,
  • 4:28 - 4:35
    von 50 % auf nur noch 15 %.
  • 4:35 - 4:37
    Dieser Fortschritt ist enorm
  • 4:37 - 4:42
    und überschreitet jede Vorstellung
    davon, was möglich ist.
  • 4:42 - 4:45
    Ich denke, dass Sie und ich
  • 4:45 - 4:49
    wirklich stolz sein und
    uns ermutigt fühlen können,
  • 4:49 - 4:53
    zu sehen, dass Mitgefühl die Macht hat,
  • 4:53 - 4:58
    das Leiden von Millionen
    von Menschen zu beenden.
  • 4:58 - 5:03
    Jedoch kommt jetzt der Teil, über den
    Sie noch nicht so viel gehört haben.
  • 5:03 - 5:08
    Wenn man die Marke auf 2 Dollar
    am Tag nach oben schiebt,
  • 5:08 - 5:11
    stellt man fest, dass es den gleichen
    2 Milliarden Menschen,
  • 5:11 - 5:14
    die in extremer Armut lebten,
    als ich noch zur Schule ging,
  • 5:14 - 5:16
    immer noch genauso geht --
  • 5:16 - 5:19
    und das 35 Jahre später.
  • 5:19 - 5:24
    Warum stecken immer noch so viele
    Menschen in dieser grausamen Armut?
  • 5:24 - 5:27
    Kehren wir noch einmal zu Venus zurück.
  • 5:27 - 5:31
    Aus Mitgefühl unterstützen
    meine Frau und ich seit Jahrzehnten
  • 5:31 - 5:35
    finanziell Kinder, Mikrokredite
    und spenden großzügig
  • 5:35 - 5:37
    für die Entwicklungshilfe.
  • 5:37 - 5:41
    Jedoch habe ich erst bei
    dem Gespräch mit Venus erkannt,
  • 5:41 - 5:45
    dass keine dieser Hilfen dem
    entgegenwirken konnte,
  • 5:45 - 5:49
    warum sie ihrem Sohn
    beim Sterben zusehen musste.
  • 5:50 - 5:54
    "Es ging uns gut", sagte mir Venus,
  • 5:54 - 5:59
    "bis Brutus uns Schwierigkeiten machte."
  • 5:59 - 6:02
    Brutus ist ein Nachbar von Venus
    und er machte Schwierigkeiten
  • 6:02 - 6:05
    einen Tag, nachdem
    der Ehemann von Venus starb.
  • 6:05 - 6:09
    Brutus warf Venus und
    ihre Kinder aus dem Haus,
  • 6:09 - 6:13
    stahl ihr Land und
    raubte ihren Marktstand aus.
  • 6:14 - 6:19
    Venus rutschte aufgrund
    von Gewalt in die Armut.
  • 6:21 - 6:23
    Und dann verstand ich,
  • 6:23 - 6:27
    dass keine meiner Finanzhilfen
    für Kinder, keine Mikrokredite und
  • 6:27 - 6:31
    keine von den herkömmlichen Programmen
    zur Beendigung von Armut
  • 6:31 - 6:35
    Brutus aufhalten würden.
  • 6:35 - 6:38
    Denn dafür waren sie nicht gedacht.
  • 6:38 - 6:43
    Dies wurde mir noch klarer,
    als ich Griselda traf.
  • 6:43 - 6:47
    Sie ist ein wundervolles junges Mädchen
    aus einer armen Dorfgemeinschaft
  • 6:47 - 6:49
    in Guatemala.
  • 6:49 - 6:51
    Wir haben über die Jahre gelernt:
  • 6:51 - 6:57
    Das Wichtigste ist, Griselda
    zur Schule gehen zu lassen,
  • 6:57 - 6:59
    sodass sie und ihre Familie
  • 6:59 - 7:03
    aus der Armut herauskommen.
  • 7:03 - 7:07
    Experten nennen das den "Mädchen-Effekt".
  • 7:07 - 7:11
    Als wir Griselda trafen,
    ging sie jedoch nicht zur Schule.
  • 7:11 - 7:15
    Überhaupt verließ sie
    nur sehr selten ihr Zuhause.
  • 7:16 - 7:18
    Einige Tage, bevor wie sie trafen,
  • 7:18 - 7:21
    lief sie mit ihrer Familie
    von der Kirche nach Hause.
  • 7:21 - 7:25
    Mitten am helllichten Tag
    wurde sie plötzlich
  • 7:25 - 7:30
    von Männern aus ihrer Dorfgemeinschaft
    entführt und brutal vergewaltigt.
  • 7:30 - 7:34
    Das heißt, Griselda konnte
    zur Schule gehen,
  • 7:34 - 7:38
    aber es war nicht sicher für sie,
    dorthin zu gelangen.
  • 7:38 - 7:40
    Und Griselda ist nicht die einzige.
  • 7:40 - 7:43
    Auf der ganzen Welt werden
    arme Frauen und Mädchen
  • 7:43 - 7:56
    zwischen 15 und 44 tagtäglich Opfer
    von häuslicher und sexueller Gewalt.
  • 7:56 - 8:01
    Diese zwei Formen der Gewalt verursachen
    mehr Tote und Behinderungen
  • 8:01 - 8:08
    als Malaria, als Autounfälle,
    und alle Kriege zusammen.
  • 8:11 - 8:16
    Die Wahrheit ist, dass arme Menschen
    in ganzen Gewaltsystemen gefangen sind.
  • 8:16 - 8:20
    Zum Beispiel bin ich in Südostasien
    an einer Reismühle vorbeigefahren
  • 8:20 - 8:23
    und habe einen Mann gesehen,
    der einen 50-kg-Sack Reis
  • 8:23 - 8:25
    auf seinem schmalen Rücken trug.
  • 8:25 - 8:29
    Später fand ich heraus,
    dass er ein Sklave ist,
  • 8:29 - 8:34
    der mit Gewalt dort festgehalten wird --
    und zwar seit ich zur Schule ging.
  • 8:35 - 8:38
    Jahrzehntelang gab es Programme
    gegen Armut in seiner Dorfgemeinschaft,
  • 8:38 - 8:42
    aber keines davon konnte ihn
    oder einen der anderen hundert Sklaven
  • 8:42 - 8:47
    vor den Schlägen, Vergewaltigungen
    und der Folter durch Gewalt
  • 8:47 - 8:50
    in dieser Reismühle schützen.
  • 8:50 - 8:54
    Nach 50 Jahren unterschiedlicher
    Programme gegen Armut
  • 8:54 - 8:58
    gibt es sogar mehr
    arme Menschen in Sklaverei
  • 8:58 - 9:01
    als in jeder anderen Geschichtsepoche.
  • 9:01 - 9:07
    Experten schätzen, dass es heute
    mehr als 35 Millionen Sklaven gibt.
  • 9:07 - 9:11
    Das sind etwa so viele wie
    die gesamte Bevölkerung in Kanada,
  • 9:11 - 9:14
    wo wir heute sind.
  • 9:14 - 9:17
    Ich habe diese seuchenartige Gewalt
  • 9:17 - 9:20
    den „Heuschreckeneffekt“ genannt.
  • 9:20 - 9:23
    Weil Gewalt über das Leben von Armen
    wie eine Plage hereinbricht,
  • 9:23 - 9:26
    die alles zerstört.
  • 9:26 - 9:30
    Wir haben Menschen aus sehr
    armen Dorfgemeinschaften befragt,
  • 9:30 - 9:34
    und sie sagten, dass
    ihre größte Angst die Gewalt sei.
  • 9:34 - 9:37
    Jedoch ist die Gewalt,
    vor der sie sich fürchten,
  • 9:37 - 9:40
    nicht die Gewalt von
    Völkermorden und Kriegen.
  • 9:40 - 9:42
    Es ist die alltägliche Gewalt.
  • 9:42 - 9:45
    Meine erste Reaktion
    als Anwalt war natürlich:
  • 9:45 - 9:48
    Gut, dann müssen wir das Gesetz ändern,
  • 9:48 - 9:51
    sodass jede Gewalt gegen
    arme Menschen illegal ist.
  • 9:51 - 9:55
    Doch dann stellte ich fest:
    Sie ist bereits illegal.
  • 9:55 - 9:58
    Das Problem ist nicht,
    dass Arme keine Rechte haben,
  • 9:58 - 10:01
    das Problem ist, dass ihre Rechte
    nicht durchgesetzt werden.
  • 10:03 - 10:04
    In den Entwicklungsländern
  • 10:04 - 10:07
    ist die Rechtsdurchsetzung
    so schwerwiegend beschädigt,
  • 10:07 - 10:10
    dass die UN vor kurzem
    in einem Bericht feststellte:
  • 10:10 - 10:16
    "Die meisten armen Menschen leben
    außerhalb des Rechtsschutzes."
  • 10:16 - 10:18
    Ganz ehrlich, weder Sie
    noch ich wissen wirklich,
  • 10:18 - 10:20
    was das bedeutet,
  • 10:20 - 10:24
    weil wir das noch nie erlebt haben.
  • 10:24 - 10:27
    Für uns ist eine funktionierende
    Rechtsdurchsetzung normal.
  • 10:27 - 10:31
    Diese Selbstverständlichkeit wird
    durch drei Zahlen ausgedrückt:
  • 10:31 - 10:34
    9-1-1.
  • 10:34 - 10:37
    Diese Zahl ist die
    polizeiliche Notrufnummer
  • 10:37 - 10:40
    hier in Kanada und in den USA.
  • 10:40 - 10:43
    Die Reaktionszeit der Polizei
    auf einen Notruf
  • 10:43 - 10:46
    beträgt im Durchschnitt 10 Minuten.
  • 10:46 - 10:49
    Für uns ist das selbstverständlich.
  • 10:49 - 10:54
    Aber was wäre, wenn niemand da ist,
    der Sie beschützt?
  • 10:55 - 10:59
    Eine Frau aus Oregon musste
    vor Kurzem erleben, wie das ist.
  • 10:59 - 11:04
    Sie war eines Samstagnachts
    alleine in ihrem dunklen Haus,
  • 11:04 - 11:07
    als ein Mann in ihr Haus eindrang.
  • 11:07 - 11:08
    Das war ihr größter Alptraum,
  • 11:08 - 11:13
    da dieser Mann sie bereits
    2 Wochen zuvor angegriffen hatte,
  • 11:13 - 11:15
    und sie danach ins Krankenhaus musste.
  • 11:15 - 11:19
    Voller Angst tut sie,
    was jeder von uns tun würde:
  • 11:19 - 11:21
    Sie wählt 911.
  • 11:21 - 11:25
    Jedoch erfährt sie, dass es
    aufgrund von Sparmaßnahmen
  • 11:25 - 11:29
    in ihrem Wohnbezirk am Wochenende
    keine Polizisten gibt.
  • 11:29 - 11:30
    Hören Sie zu.
  • 11:30 - 11:33
    (Anruf) Zentrale: Ich kann leider
    niemanden zu Ihnen schicken.
  • 11:33 - 11:34
    Frau: Okay.
  • 11:34 - 11:38
    Zentrale: Wenn er in Ihr Haus
    eindringt und Sie angreift,
  • 11:38 - 11:40
    sagen Sie ihm, er soll gehen.
  • 11:40 - 11:42
    Ist er alkoholisiert oder auf Drogen?
  • 11:42 - 11:45
    Frau: Das habe ich ihm gesagt
    und auch, dass ich Sie anrufen würde.
  • 11:45 - 11:48
    Er hat mich schon mal überfallen
    und meine Tür zerstört.
  • 11:48 - 11:49
    Zentrale: Aha.
  • 11:49 - 11:50
    Frau: Also?
  • 11:50 - 11:54
    Zentrale: Gibt es eine Möglichkeit,
    dass Sie Ihr Haus sicher verlassen?
  • 11:54 - 11:57
    Frau: Nein, er blockiert
    den einzigen Ausgang.
  • 11:57 - 12:00
    Zentrale: Also, ich kann Ihnen
    nur einen Ratschlag geben
  • 12:00 - 12:03
    und das Büro des Sheriffs morgen anrufen.

  • 12:03 - 12:07
    Wenn er in Ihr Haus eindringt
    und leider eine Waffe hat,
  • 12:07 - 12:11
    und versucht, Ihnen etwas anzutun,
    ist das natürlich etwas ganz anderes.
  • 12:11 - 12:13
    Aber das Büro des Sheriffs
    ist nicht besetzt.
  • 12:13 - 12:16
    Ich kann Ihnen niemanden schicken.
  • 12:18 - 12:20
    GH: Tragischerweise wurde
    die Frau in diesem Haus
  • 12:20 - 12:26
    gewaltsam angegriffen,
    gewürgt und vergewaltigt.
  • 12:26 - 12:32
    Das geschieht, wenn man
    außerhalb der Rechtstaatlichkeit lebt.
  • 12:34 - 12:39
    Und so leben Milliarden
    von armen Menschen.
  • 12:40 - 12:42
    Wie sieht so etwas aus?
  • 12:42 - 12:47
    Wenn ein Mann in Bolivien ein Kind aus
    armen Verhältnissen sexuell missbraucht,
  • 12:47 - 12:52
    ist statistisch das Risiko höher, dass
    er in der Dusche ausrutscht und stirbt,
  • 12:52 - 12:55
    als dass er jemals für
    diese Straftat ins Gefängnis muss.
  • 12:56 - 13:01
    Wenn Sie einen armen Menschen
    in Südostasien versklaven,
  • 13:01 - 13:04
    ist das Risiko höher,
    von einem Blitz getroffen zu werden,
  • 13:04 - 13:07
    als für diese Straftat
    ins Gefängnis zu kommen.
  • 13:07 - 13:12
    Auf diese Weise tobt diese
    alltägliche Gewalt weiter
  • 13:12 - 13:16
    und vernichtet unsere Bemühungen,
    Milliarden Menschen zu helfen,
  • 13:16 - 13:19
    aus der Hölle von
    2-Dollar-am-Tag herauszukommen.
  • 13:19 - 13:22
    Die Statistik lügt nicht.
  • 13:22 - 13:26
    Wir können den Armen noch
    so viel helfen und Güter geben,
  • 13:26 - 13:29
    aber wenn wir gewalttätige Kriminelle
    nicht davon abhalten,
  • 13:29 - 13:31
    ihnen diese wieder wegzunehmen,
  • 13:31 - 13:35
    werden wir von den langfristigen Folgen
    unserer Bemühungen sehr enttäuscht sein.
  • 13:36 - 13:40
    Man könnte also denken, dass
    die brüchige Rechtsdurchsetzung
  • 13:40 - 13:46
    im weltweiten Kampf gegen die Armut in
    den Entwicklungsländern Vorrang hat.
  • 13:46 - 13:48
    Aber das ist nicht so.
  • 13:49 - 13:53
    Experten für internationale Hilfsprojekte
    haben vor Kurzem festgestellt,
  • 13:53 - 13:57
    dass noch nicht einmal 1 %
    der Hilfen dem Schutz armer Menschen
  • 13:57 - 14:01
    vor dem Chaos alltäglicher
    Gewalt zugutekommt.
  • 14:01 - 14:04
    Ganz ehrlich, wenn von Gewalt
    gegen arme Menschen die Rede ist,
  • 14:04 - 14:08
    kommt es wirklich zu bizarren Geschichten.
  • 14:08 - 14:11
    Eine Organisation für Trinkwasser
    erzählt erschüttert,
  • 14:11 - 14:14
    dass Mädchen auf dem Weg
    zum Brunnen vergewaltigt werden.
  • 14:14 - 14:18
    Und dann erzählen sie stolz, dass
    ihre Lösung ein neuer Brunnen ist,
  • 14:18 - 14:22
    zu dem die Mädchen
    einen viel kürzeren Weg haben.
  • 14:22 - 14:24
    Das war's.
  • 14:25 - 14:30
    Kein Wort über die Vergewaltiger,
    die immer noch in ihrem Dorf leben.
  • 14:32 - 14:34
    Wenn eine junge Frau bei uns
    auf dem Unicampus
  • 14:34 - 14:37
    auf dem Weg zur Bibliothek
    vergewaltigt wird,
  • 14:37 - 14:43
    würde sich niemand darüber freuen, die
    Bibliothek näher an das Wohnheim zu bauen.
  • 14:43 - 14:47
    Aber für arme Menschen ist es --
    warum auch immer -- okay.
  • 14:49 - 14:54
    In Wahrheit wissen Experten für
    Entwicklung und Armutsbekämpfung nicht,
  • 14:54 - 14:56
    wie sie dieses Problem beseitigen können.
  • 14:56 - 14:58
    Was tun sie also?
  • 14:58 - 15:00
    Sie sprechen nicht darüber.
  • 15:01 - 15:05
    Die Rechte armer Menschen
    in den Entwicklungsländern
  • 15:05 - 15:10
    werden auch aus dem Grund
    vernachlässigt,
  • 15:10 - 15:14
    weil die reichen Menschen
    in den Entwicklungsländern
  • 15:14 - 15:16
    das nicht brauchen.
  • 15:17 - 15:20
    Ich war vor Kurzem
    auf dem Weltwirtschaftsforum
  • 15:20 - 15:24
    und sprach mit Geschäftsführern, die
    Unternehmen in Entwicklungsländern haben.
  • 15:24 - 15:26
    Ich fragte sie:
  • 15:26 - 15:31
    "Wie schützt ihr eure Mitarbeiter
    und euren Besitz vor all dieser Gewalt?"
  • 15:31 - 15:36
    Sie schauten sich gegenseitig an
    und sagten fast einstimmig:
  • 15:36 - 15:38
    "Wir zahlen dafür."
  • 15:39 - 15:43
    Private Sicherheitsfirmen
    sind in Entwicklungsländern
  • 15:43 - 15:50
    vier-, fünf- und siebenmal größer als
    die Einsatzkräfte der staatlichen Polizei.
  • 15:50 - 15:58
    In Afrika ist privater Sicherheitsschutz
    sogar der größte Arbeitgeber.
  • 15:59 - 16:03
    Aber Reiche können für ihre Sicherheit
    bezahlen und werden immer reicher.
  • 16:03 - 16:05
    Aber arme Menschen können
    nicht dafür bezahlen
  • 16:05 - 16:09
    und sind der Gewalt
    schutzlos ausgeliefert.
  • 16:10 - 16:15
    Das ist skandalös und empörend.
  • 16:15 - 16:18
    Aber es muss nicht so bleiben.
  • 16:18 - 16:20
    Brüchige Rechtsdurchsetzung
    kann man reparieren.
  • 16:20 - 16:22
    Gewalt kann beendet werden.
  • 16:22 - 16:25
    Fast alle Strafjustizsysteme,
  • 16:25 - 16:27
    die anfangs defekt und korrupt waren,
  • 16:27 - 16:32
    können umgewandelt werden -- durch
    hartnäckigen Einsatz und Engagement.
  • 16:32 - 16:34
    Der Weg dorthin ist ziemlich eindeutig.
  • 16:34 - 16:37
    Erstens müssen wir den Kampf gegen Gewalt
  • 16:37 - 16:41
    zu einem Teil des Kampfes
    gegen die Armut machen.
  • 16:41 - 16:45
    Jedes Gespräch über Armut, in dem es
    nicht um das Problem der Gewalt geht,
  • 16:45 - 16:49
    darf nicht als ernst gemeint
    angesehen werden.
  • 16:49 - 16:54
    Zweitens müssen wir damit anfangen,
    ernsthaft in Ressourcen
  • 16:54 - 16:58
    und Expertenwissen zu investieren,
    um Entwicklungsländer zu unterstützen,
  • 16:58 - 17:00
    wenn sie neue Rechtssysteme schaffen,
  • 17:00 - 17:03
    in denen im Gegensatz
    zu privaten Sicherheitsfirmen
  • 17:03 - 17:05
    jeder sicher sein kann.
  • 17:06 - 17:12
    Solche Transformationen sind möglich
    und es gibt sie heutzutage.
  • 17:12 - 17:15
    Vor Kurzem finanzierte die
    Gates-Stiftung ein Projekt
  • 17:15 - 17:17
    in der zweitgrößten Stadt
    auf den Philippinen,
  • 17:17 - 17:21
    wo es den dort ansässigen Anwälten
    und Behörden gelang,
  • 17:21 - 17:27
    die korrupte Polizei und defekte
    Gerichte so drastisch zu verändern,
  • 17:27 - 17:30
    dass sie in nur vier kurzen Jahren
  • 17:30 - 17:34
    die kommerzielle sexuelle Gewalt
    gegen arme Kinder
  • 17:34 - 17:38
    um 79 % messbar verringern konnten.
  • 17:40 - 17:43
    Blickt man auf die Geschichte zurück,
  • 17:43 - 17:49
    sieht man, dass die unerklärlichsten
    und unentschuldbarsten Dinge
  • 17:49 - 17:52
    schlicht und einfach
    mangelndes Mitgefühl waren.
  • 17:53 - 17:58
    Unsere Enkel werden uns
    über Vergangenes zur Rede stellen.
  • 17:58 - 18:00
    Und sie werden uns fragen:
  • 18:00 - 18:03
    "Oma, Opa, wo wart ihr?
  • 18:04 - 18:08
    Wo warst du, Opa, als die Juden
    aus Nazideutschland geflohen sind
  • 18:08 - 18:10
    und an unserer Küste abgewiesen wurden?
  • 18:10 - 18:12
    Wo warst du?
  • 18:12 - 18:14
    Und Oma, wo warst du, als sie
  • 18:14 - 18:18
    unsere japanisch-amerikanischen Nachbarn
    zwangen, in Internierungslager zu gehen?
  • 18:18 - 18:21
    Und Opa, wo warst du, als sie
  • 18:21 - 18:23
    unsere afro-amerikanischen
    Nachbarn schlugen,
  • 18:23 - 18:26
    nur weil sie sich für die Wahlen
    registrieren lassen wollten?"
  • 18:26 - 18:31
    Genauso werden uns unsere Enkel fragen:
  • 18:31 - 18:35
    "Oma, Opa, wo wart ihr,
    als zwei Milliarden
  • 18:35 - 18:41
    der ärmsten Menschen der Welt
    im Chaos alltäglicher Gewalt untergingen?
  • 18:41 - 18:48
    Ich hoffe, wir können sagen, wir hatten
    Mitgefühl, erhoben unsere Stimme
  • 18:48 - 18:56
    und schlossen uns als Generation
    zusammen, um die Gewalt zu beenden.
  • 18:56 - 18:58
    Vielen Dank.
  • 18:58 - 19:02
    (Applaus)
  • 19:14 - 19:17
    Chris Anderson: Das war ein
    sehr eindringlicher Vortrag.
  • 19:17 - 19:19
    Erzählen Sie uns doch bitte ein wenig
  • 19:19 - 19:26
    über bereits abgeschlossene Maßnahmen,
    wie zum Beispiel die Polizeiausbildung.
  • 19:26 - 19:27
    Wie schwierig ist so etwas?
  • 19:27 - 19:31
    GH: Also, es ist vor allem gut,
  • 19:31 - 19:36
    dass diese Systeme zusammenbrechen
    und sich nun die Folgen zeigen.
  • 19:36 - 19:39
    Es zeigt sich der Wille der Politiker,
    tatsächlich etwas zu tun.
  • 19:39 - 19:43
    Wir müssen jetzt aber in Ressourcen
    investieren und unser Wissen weitergeben.
  • 19:43 - 19:47
    Es wird in der Politik auch Diskussionen
    geben, ob wir das wollen,
  • 19:47 - 19:48
    aber diese Kämpfe kann man gewinnen,
  • 19:48 - 19:52
    wie wir das schon bei der International
    Justice Mission gezeigt haben
  • 19:52 - 19:54
    und das ist sehr motivierend.
  • 19:54 - 19:57
    CA: Sagen Sie uns bitte anhand
    eines Landes, wie viel es kostet,
  • 19:57 - 20:01
    etwas Wesentliches zu bewirken,
    zum Beispiel bei der Polizei.
  • 20:01 - 20:03
    Ich weiß, dass das nur ein Teil ist.
  • 20:03 - 20:06
    GH: Wir haben in Guatemala z. B.
    ein Projekt mit der lokalen Polizei,
  • 20:06 - 20:09
    den Gerichten und der
    Staatsanwaltschaft initiiert.
  • 20:09 - 20:13
    Die Verantwortlichen wurden geschult,
    um wirksam Fälle verhandeln zu können.
  • 20:13 - 20:17
    Danach haben wir eine Zunahme
    von Anklagen gegen Sexualstraftäter
  • 20:17 - 20:20
    um über 1 000 % festgestellt.
  • 20:20 - 20:24
    Dieses Projekt wurde nur sehr bescheiden
    finanziert, mit 1 Mio. Dollar pro Jahr.
  • 20:24 - 20:27
    Das verdeutlicht, wie durch wenig Geld
  • 20:27 - 20:31
    ein Durchbruch in einem beschädigten
    Justizsystem erreicht werden kann,
  • 20:31 - 20:36
    wenn Beteiligte angemessen geschult,
    motiviert und geführt werden.
  • 20:36 - 20:39
    Insbesondere in diesen Ländern,
    in denen sich die Mittelschicht klar ist,
  • 20:39 - 20:41
    dass es im Land keine Zukunft
  • 20:41 - 20:45
    angesichts solcher Instabilität und
    Privatisierung von Sicherheit geben kann,
  • 20:45 - 20:48
    gibt es jetzt die Möglichkeit
    für einen Umbruch.
  • 20:48 - 20:53
    CA: Aber um dies zu ermöglichen, muss man
    jedes Bindeglied der Kette anschauen.
  • 20:53 - 20:56
    Wer ist das noch außer der Polizei?
  • 20:56 - 20:59
    GH: Die Rechtsdurchsetzung
    beginnt bei der Polizei.
  • 20:59 - 21:02
    Sie steht am Anfang der Rechtskette.
  • 21:02 - 21:04
    Die Polizei gibt den Fall
    an die Staatsanwaltschaft,
  • 21:04 - 21:06
    die den Fall wiederum
    dem Gericht übergibt.
  • 21:06 - 21:09
    Die Opfer müssen im Laufe dieser Kette
  • 21:09 - 21:11
    durchgehend von Sozialarbeitern
    betreut werden.
  • 21:11 - 21:14
    Also brauchen wir einen Ansatz,
    der diese Schritte vereint.
  • 21:14 - 21:16
    Früher gab es ein paar
    Schulungen für die Gerichte.
  • 21:16 - 21:19
    Aber die Polizei lieferte
    schlechte Beweise
  • 21:19 - 21:23
    oder sie ermittelte nur bei
    Drogendelikten oder Terrorismus.
  • 21:23 - 21:26
    Es ging weniger darum, die Rechte
    gewöhnlicher armer Menschen
  • 21:26 - 21:27
    optimal durchzusetzen.
  • 21:27 - 21:29
    Befolgt man alle Schritte
    der Rechtsdurchsetzung,
  • 21:29 - 21:32
    dann können auch
    die Rechte sehr armer Menschen
  • 21:32 - 21:34
    genauso wie bei uns durchgesetzt werden.
  • 21:34 - 21:37
    Die Rechtsdurchsetzung ist
    hier bei uns auch nicht perfekt,
  • 21:37 - 21:40
    aber es ist toll, dass
    Sie 911 wählen können
  • 21:40 - 21:43
    und jemand Sie wahrscheinlich
    beschützen wird.
  • 21:43 - 21:46
    CA: Gary, das hast du großartig gemacht,
  • 21:46 - 21:48
    den Menschen deine Botschaft
    in deinem Buch
  • 21:48 - 21:49
    und heute hier zu überbringen.
  • 21:49 - 21:51
    Vielen Dank.
  • 21:51 - 21:52
    Gary Haugen.
  • 21:52 - 21:53
    (Applaus)
Title:
Der verborgene Grund für Armut, den wir jetzt bekämpfen müssen
Speaker:
Gary Haugen
Description:

Seit den 1980er Jahren konnte die Armut auf der Welt durch kollektives Mitgefühl verringert werden, sagt der Bürgerrechtsanwalt Gary Haugen. Trotz der Hilfsgelder aus der ganzen Welt gibt es jedoch nach wie vor ein tiefgreifendes, kaum sichtbares Problem, das die Armut am Leben erhält. Haugen enthüllt die düstere Ursache, die wir jetzt unbedingt bekämpfen müssen.

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Video Language:
English
Team:
closed TED
Project:
TEDTalks
Duration:
22:08

German subtitles

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