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Das langweiligste Fernsehen der Welt ... und warum es lustigerweise süchtig macht

  • 0:01 - 0:02
    Danke schön.
  • 0:02 - 0:04
    Ich habe nur 18 Minuten,
  • 0:04 - 0:07
    um etwas zu erklären,
    das Stunden und Tage dauert,
  • 0:07 - 0:09
    deshalb fange ich lieber gleich an.
  • 0:09 - 0:15
    Beginnen wir mit einem Ausschnitt
    aus Al Jazeeras "Listening Post":
  • 0:15 - 0:18
    Richard Gizbert: Norwegen ist ein Land,
    das medial wenig Aufmerksamkeit bekommt.
  • 0:18 - 0:21
    Sogar die Wahlen letzte Woche
    erregten wenig Aufsehen.
  • 0:21 - 0:24
    Und das sind Norwegens
    Medien in Kürze:
  • 0:24 - 0:26
    nicht viel Aufsehen.
  • 0:26 - 0:27
    Vor ein paar Jahren
  • 0:27 - 0:30
    hat Norwegens öffentlicher
    Fernsehkanal NRK entschieden,
  • 0:30 - 0:34
    eine 7-stündige Zugfahrt
    live zu übertragen --
  • 0:34 - 0:36
    sieben Stunden einfachsten Filmmaterials
  • 0:36 - 0:38
    von einem Zug,
    der die Schienen entlang fährt.
  • 0:38 - 0:42
    Laut Statistik gefiel es
    über einer Million Norweger sehr.
  • 0:42 - 0:45
    Eine neue Form von
    Reality Show war erfunden,
  • 0:45 - 0:48
    die gegen alle Regeln
    des Fernsehgeschäfts verstößt.
  • 0:48 - 0:50
    Es gibt keine Handlung, kein Drehbuch,
  • 0:50 - 0:53
    kein Aufsehen, keinen Höhepunkt
  • 0:53 - 0:54
    und es nennt sich Slow TV.
  • 0:54 - 0:56
    Über die letzen zwei Monate
  • 0:56 - 1:00
    haben Norweger dabei zugesehen, wie ein
    Kreuzfahrtschiff die Küste entlangfährt,
  • 1:00 - 1:02
    und die Küste ist sehr neblig.
  • 1:02 - 1:05
    Die Chefs des Norwegischen Rundfunks [NRK]
  • 1:05 - 1:09
    überlegen nun, eine Nacht
    des Strickens national zu übertragen.
  • 1:09 - 1:11
    Oberflächlich betrachtet
    klingt es langweilig,
  • 1:11 - 1:13
    weil es langweilig ist,
  • 1:13 - 1:15
    aber irgendetwas an
    diesem Fernsehexperiment
  • 1:15 - 1:16
    hat die Norweger gefesselt.
  • 1:16 - 1:20
    Also schickten wir Marcela Pizarro
    vom "Listening Post" nach Oslo,
  • 1:20 - 1:22
    um herauszufinden, was es ist.
    Aber erst eine Warnung:
  • 1:22 - 1:27
    Zuschauer können einige der Bilder
    im folgenden Bericht enttäuschend finden.
  • 1:27 - 1:28
    (Gelächter)
  • 1:28 - 1:32
    Thomas Hellum: Danach folgt
    ein 8-minütiger Bericht auf Al Jazeera
  • 1:32 - 1:35
    über merkwürdige Fernsehprogramme
    im kleinen Norwegen.
  • 1:35 - 1:38
    Al Jazeera. CNN.
    Wie sind wir dahin gekommen?
  • 1:38 - 1:40
    Kehren wir zum Jahr 2009 zurück,
  • 1:40 - 1:42
    als einer meiner Kollegen
    eine tolle Idee hatte.
  • 1:42 - 1:44
    Und wo bekommt man Ideen?
  • 1:44 - 1:46
    In der Kantine.
  • 1:46 - 1:49
    Er sagte also, warum machen
    wir kein Radioprogramm
  • 1:49 - 1:52
    über den Jahrestag der deutschen
    Invasion in Norwegen von 1940.
  • 1:52 - 1:56
    Wir erzählen die Geschichte genau
    zu der gleichen Zeit in der Nacht.
  • 1:56 - 1:58
    Wow. Großartige Idee,
  • 1:58 - 2:01
    leider waren es nur noch ein paar Wochen
    bis zum Tag der Invasion.
  • 2:01 - 2:04
    Also saßen wir in der
    Kantine und diskutierten,
  • 2:04 - 2:08
    welche anderen Geschichten man
    erzählen kann, während sie entstehen.
  • 2:08 - 2:12
    Welche anderen Dinge
    dauern wirklich lange?
  • 2:12 - 2:15
    Einer von uns kam auf Züge.
  • 2:15 - 2:19
    Die "Bergensbane" feierte
    in jenem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen.
  • 2:19 - 2:21
    Sie führt vom westlichen
    ins östliche Norwegen
  • 2:21 - 2:26
    und sie benötigt genau die gleiche Zeit,
    die sie vor 40 Jahren benötigt hat,
  • 2:26 - 2:29
    über 7 Stunden. (Gelächter)
  • 2:29 - 2:32
    Also haben wir unseren
    Chefredakteuren in Oslo gesagt,
  • 2:32 - 2:35
    dass wir eine Doku über
    die Bergensbane machen wollen,
  • 2:35 - 2:37
    und zwar in voller Länge,
  • 2:37 - 2:38
    und sie antworteten
  • 2:38 - 2:40
    "Ok, wie lange soll die Sendung sein?"
  • 2:40 - 2:42
    "Oh", sagten wir, "die volle Länge."
  • 2:42 - 2:43
    "Ja, aber wir meinen die Sendung."
  • 2:43 - 2:45
    So ging es hin und her.
  • 2:45 - 2:51
    Zum Glück antworteten sie
    mit einem sehr herzhaften Lachen,
  • 2:51 - 2:54
    also haben wir eines
    schönen Tages im September
  • 2:54 - 2:58
    die Sendung begonnen, die, so dachten wir,
    7 Stunden und 4 Minuten dauern sollte.
  • 2:58 - 3:00
    In Wahrheit wurde sie
    7 Stunden 14 Minuten lang
  • 3:00 - 3:05
    aufgrund einer Signalstörung
    am letzten Bahnhof.
  • 3:05 - 3:07
    Wir hatten 4 Kameras,
  • 3:07 - 3:10
    3 davon waren auf die wunderschöne
    Natur draußen gerichtet.
  • 3:10 - 3:14
    Etwas Plaudern mit den Gästen,
    einige Informationen.
  • 3:14 - 3:18
    (Video) Durchsage im Zug:
    Wir erreichen Haugastøl.
  • 3:18 - 3:20
    TH: Und das war's in etwa.
  • 3:20 - 3:21
    Allerdings gaben uns
  • 3:21 - 3:25
    die 160 Tunnel die Möglichkeit,
    die Archive zu plündern.
  • 3:25 - 3:31
    Erzähler [auf norwegisch]: Ein kleiner
    Flirt, während das Essen verdaut wird.
  • 3:31 - 3:36
    Der letzte Streckenabschnitt abwärts
    vor unserem Zielort.
  • 3:36 - 3:40
    Wir passieren Mjøfell.
  • 3:40 - 3:43
    Dann ein neuer Tunnel.
  • 3:43 - 3:44
    (Gelächter)
  • 3:44 - 3:47
    TH: Und nun dachten wir, ja,
    wir haben ein tolles Programm.
  • 3:47 - 3:52
    Es wird den 2 000 Trainspottern
    in Norwegen gefallen.
  • 3:52 - 3:54
    Wir strahlten es im November 2009 aus.
  • 3:54 - 3:57
    Aber nein, das Interesse war viel größer.
  • 3:57 - 4:00
    Das sind die 5 größten Fernsehkanäle
    in Norwegen an einem normalen Freitag
  • 4:00 - 4:03
    und wenn Sie NRK2 hier betrachten,
  • 4:03 - 4:07
    sehen Sie den Effekt, als die Bergen-
    Eisenbahn-Sendung ausgestrahlt wurde:
  • 4:07 - 4:11
    1,2 Millionen Norweger sahen
    Teile der Sendung.
  • 4:11 - 4:15
    (Applaus)
  • 4:15 - 4:17
    Und noch ein merkwürdiges Detail:
  • 4:17 - 4:19
    Als der Moderator unseres Hauptsenders
  • 4:19 - 4:21
    nach den Nachrichten sagte:
  • 4:21 - 4:24
    "Und auf unserem zweiten Kanal
  • 4:24 - 4:27
    ist der Zug fast in Myrdal angekommen."
  • 4:27 - 4:29
    sprangen Tausende Zuschauer
    quasi auf den Zug
  • 4:29 - 4:33
    auf unserem zweiten Sender auf.
    (Gelächter)
  • 4:33 - 4:37
    Es war auch ein großer Erfolg
    in den sozialen Medien.
  • 4:37 - 4:41
    Es war schön, all die tausende Facebook-
    und Twitter-Nutzer zu beobachten,
  • 4:41 - 4:44
    die dieselbe Ansicht diskutierten,
  • 4:44 - 4:48
    die miteinander sprachen, als wären
    sie gemeinsam im Zug unterwegs.
  • 4:48 - 4:52
    Ich mochte das hier besonders.
    Es ist ein 76-jähriger Mann.
  • 4:52 - 4:53
    Er hat die ganze Sendung gesehen
  • 4:53 - 4:57
    und an der Endstation steht er auf,
    um, wie er glaubt, sein Gepäck zu nehmen,
  • 4:57 - 5:01
    dabei stieß er sich den Kopf
    an der Gardinenstange
  • 5:01 - 5:04
    und stellt fest, dass er in
    seinem eigenen Wohnzimmer ist.
  • 5:04 - 5:09
    (Applaus)
  • 5:09 - 5:14
    Das ist starkes und lebendiges Fernsehen.
  • 5:14 - 5:17
    436 Minuten ohne Pause
    an einem Freitag Abend
  • 5:17 - 5:19
    und während dieser ersten Nacht
  • 5:19 - 5:22
    kam die erste Twitter-Nachricht:
    Warum kneifen?
  • 5:22 - 5:27
    Warum bei 436 aufhören,
    wenn ihr es
  • 5:27 - 5:31
    auf 8 040 Minuten ohne Pause
    verlängern könnt
  • 5:31 - 5:33
    und die Kultreise Norwegens machen könnt,
  • 5:33 - 5:37
    die Küstenreise Hurtigruten
    von Bergen nach Kirkenes,
  • 5:37 - 5:40
    knappe 3 000 km lang,
    fast an der ganzen Küste entlang.
  • 5:40 - 5:45
    Sie hat eine sehr interessante
    120 Jahre alte Geschichte
  • 5:45 - 5:50
    und nimmt buchstäblich am Leben
    und Sterben entlang der Küste teil.
  • 5:50 - 5:52
    Nur eine Woche nach der Bergenbane
  • 5:52 - 5:58
    haben wir bei Hurtigruten angerufen
    und die nächste Sendung geplant.
  • 5:58 - 6:00
    Wir wollten etwas anderes machen.
  • 6:00 - 6:04
    Die Bergenbane war eine Aufzeichnung.
  • 6:04 - 6:06
    Als wir im Schneideraum saßen,
  • 6:06 - 6:08
    sahen wir dieses Bild --
    es ist am Bahnhof in Ål -
  • 6:08 - 6:10
    und wir sahen den Journalisten.
  • 6:10 - 6:12
    Wir hatten ihn angerufen
    und gesprochen
  • 6:12 - 6:14
    und als wir aus dem Bahnhof fuhren,
  • 6:14 - 6:17
    nahm er ein Foto von uns auf
    und winkte in die Kamera.
  • 6:17 - 6:18
    Wir dachten,
  • 6:18 - 6:21
    was, wenn mehr Leute wüssten,
    dass wir in diesem Zug waren?
  • 6:21 - 6:23
    Würden mehr Leute auftauchen?
  • 6:23 - 6:25
    Wie würde das sein?
  • 6:25 - 6:29
    Also sollte unser
    nächstes Projekt live sein.
  • 6:29 - 6:35
    Wir wollten die Bilder von uns an den
    Fjorden zeitgleich im Fernsehen zeigen.
  • 6:35 - 6:38
    Das war nicht das erste Mal, dass NRK
    an Bord eines Schiffes war.
  • 6:38 - 6:40
    Diese Bilder sind aus 1964,
  • 6:40 - 6:43
    als die Techniker noch
    Anzug und Krawatte trugen,
  • 6:43 - 6:47
    der NRK all die Technik an Bord
    des Schiffes wälzte,
  • 6:47 - 6:51
    200 m vor der Küste
    das Signal zurück übertrug,
  • 6:51 - 6:55
    im Maschinenraum mit dem
    Typen an den Maschinen sprach
  • 6:55 - 6:59
    und an Deck großartige
    Unterhaltung genossen.
  • 6:59 - 7:05
    Die NRK wäre also nicht
    zum ersten Mal auf einem Schiff.
  • 7:05 - 7:10
    Aber über fünfeinhalb Tage und dazu
    noch live -- da wollten wir etwas Hilfe.
  • 7:10 - 7:14
    Also fragten wir unsere Zuschauer
    da draußen, was wollt ihr sehen?
  • 7:14 - 7:19
    Was sollen wir filmen?
    Wie soll es aussehen?
  • 7:19 - 7:21
    Wollt ihr eine Webseite?
    Was soll darauf zu sehen sein?
  • 7:21 - 7:24
    Wir erhielten Antworten
    von euch draußen
  • 7:24 - 7:28
    und sie haben uns immens beim
    Aufbau des Programms geholfen.
  • 7:28 - 7:31
    Im Juni 2011
  • 7:31 - 7:34
    gingen 23 von uns an Bord
    des Küstenschiffs Hurtigruten
  • 7:34 - 7:36
    und wir legten ab.
  • 7:36 - 7:40
    (Musik)
  • 8:35 - 8:39
    Ich habe so tolle Erinnerungen an die
    Woche und sie handeln alle von Menschen.
  • 8:39 - 8:41
    Dieser Typ, zum Beispiel,
  • 8:41 - 8:43
    ist der Forschungsleiter der
    Universität in Tromsø.
  • 8:43 - 8:45
    (Gelächter)
  • 8:45 - 8:50
    Ich zeige Ihnen jetzt ein Stück Stoff,
  • 8:50 - 8:54
    dieses hier.
  • 8:54 - 8:56
    Das ist der andere starke Moment.
  • 8:56 - 9:01
    Es gehört einem Mann namens Erik Hansen.
  • 9:01 - 9:09
    Menschen wie diese zwei haben bei
    unserer Sendung stark mitgewirkt
  • 9:09 - 9:13
    und haben gemeinsam mit
    tausend anderen auf der Fahrt
  • 9:13 - 9:16
    die Sendung zu dem gemacht,
    was sie wurde.
  • 9:16 - 9:18
    Sie waren die Geschichten.
  • 9:18 - 9:21
    Das ist Karl. Er ist in der 9. Klasse.
  • 9:21 - 9:25
    Es sagt: "Ich werde morgen etwas
    zu spät zur Schule kommen."
  • 9:25 - 9:27
    Er sollte um 8 Uhr in der Schule sein.
  • 9:27 - 9:30
    Er erschien um 9 Uhr und bekam keine
    Ermahnung von seinem Lehrer,
  • 9:30 - 9:33
    weil der Lehrer die Sendung gesehen hatte.
  • 9:33 - 9:34
    (Gelächter)
  • 9:34 - 9:36
    Wie haben wir das gemacht?
  • 9:36 - 9:39
    Wir besetzten einen Konferenzraum
    an Bord der Hurtigruten.
  • 9:39 - 9:42
    Wir verwandelten ihn in einen
    vollständigen Regieraum.
  • 9:42 - 9:45
    Wir haben natürlich dafür gesorgt,
    dass es funktioniert,
  • 9:45 - 9:47
    und dann haben wir 11 Kameras mitgenommen.
  • 9:47 - 9:48
    Das ist eine von ihnen.
  • 9:48 - 9:50
    Das ist meine Zeichnung vom Februar
  • 9:50 - 9:53
    und wenn man diese Zeichnung
    Profis bei der
  • 9:53 - 9:55
    Norwegischen Rundfunkanstalt NRK gibt,
  • 9:55 - 9:58
    bekommt man coole Dinge zurück.
  • 9:58 - 10:02
    Und mit einigen sehr kreativen Lösungen.
  • 10:02 - 10:05
    (Video) Erzähler [auf Norwegisch]:
    Nach oben und unten bewegen.
  • 10:05 - 10:08
    Das ist im Moment Norwegens
    wichtigste Bohrmaschine .
  • 10:08 - 10:14
    Sie reguliert die Höhe einer Bugkamera
    in der Liveproduktion der NRK,
  • 10:14 - 10:19
    eine von 11, die großartige Bilder
    von der MS Nord-Norge einfangen.
  • 10:19 - 10:21
    8 Kabel halten die Kamera stabil.
  • 10:21 - 10:25
    Kameramann: Ich arbeite
    mit unterschiedlichen Kameralösungen.
  • 10:25 - 10:29
    Sie sind je nach Situation nur Werkzeuge.
  • 10:29 - 10:32
    TH: Hier ist eine andere Kamera.
    Sie wird meist im Sport eingesetzt.
  • 10:32 - 10:36
    Sie ermöglichte uns, Nahaufnahmen
    von Menschen zu machen,
  • 10:36 - 10:38
    die 100 km entfernt waren,
  • 10:38 - 10:42
    wie dieser hier. (Gelächter)
  • 10:42 - 10:45
    Zuschauer riefen uns an und fragten,
    wie es dem Mann geht.
  • 10:45 - 10:48
    Es geht ihm gut. Alles lief gut.
  • 10:48 - 10:51
    Wir konnten auch Aufnahmen von
    Menschen machen, die uns zuwinkten,
  • 10:51 - 10:54
    Menschen entlang der Strecke,
    tausende von ihnen,
  • 10:54 - 10:56
    und sie hatten alle
    ein Telefon in der Hand.
  • 10:56 - 10:59
    Als wir sie filmten,
    bekamen sie die Nachricht.
  • 10:59 - 11:02
    "Jetzt sind wir im Fernsehen, Papa,"
    und dann winken sie zurück.
  • 11:02 - 11:04
    Das war Winke-Fernsehen
    für fünfeinhalb Tage
  • 11:04 - 11:06
    und die Menschen waren so glücklich,
  • 11:06 - 11:11
    dass sie eine herzliche Nachricht an
    ihre Lieben schicken konnten.
  • 11:11 - 11:15
    Es war außerdem ein großer
    Erfolg in den sozialen Medien.
  • 11:15 - 11:17
    Am letzten Tag trafen wir
    Ihre Hoheit, die Königin von Norwegen,
  • 11:17 - 11:21
    und Twitter war damit etwas überfordert.
  • 11:21 - 11:23
    Ebenfalls im Netz
  • 11:23 - 11:28
    sendeten wir in der Woche
    über 100 Jahre Videomaterial
  • 11:28 - 11:32
    an 148 Nationen.
  • 11:32 - 11:36
    Die Webseiten existieren noch,
    und werden es auch immer tun,
  • 11:36 - 11:38
    weil Hurtigruten ausgewählt wurde,
  • 11:38 - 11:42
    Teil des norwegischen UNESCO-
    Weltdokumentenerbes zu sein,
  • 11:42 - 11:45
    und es steht außerdem im
    Guinness Buch der Rekorde
  • 11:45 - 11:49
    als längster Dokumentarfilm aller Zeiten.
  • 11:49 - 11:52
    (Applaus)
  • 11:52 - 11:56
    Danke schön.
  • 11:56 - 11:59
    Aber es ist eine lange Sendung,
  • 11:59 - 12:02
    einige sahen einen Teil,
    wie der Premierminister.
  • 12:02 - 12:04
    Einige schauten etwas mehr.
  • 12:04 - 12:09
    Da steht: "Ich habe mein Bett
    5 Tage nicht benutzt."
  • 12:09 - 12:13
    Er ist 82 Jahre alt und
    hat kaum geschlafen.
  • 12:13 - 12:16
    Er schaute weiter zu,
    weil ja etwas passieren könnte,
  • 12:16 - 12:19
    aber wahrscheinlich eher nicht.
    (Gelächter)
  • 12:19 - 12:22
    Das ist die Anzahl der Zuschauer
    entlang der Strecke.
  • 12:22 - 12:23
    Da ist der berühmten Trollfjord
  • 12:23 - 12:28
    und ein Tag später der
    historische Rekord für NRK2.
  • 12:28 - 12:34
    Wenn Sie die 4 größten norwegischen
    Sender im Juni 2011 betrachten,
  • 12:34 - 12:36
    sieht das so aus,
  • 12:36 - 12:40
    und als Fernsehproduzent freut es
    mich sehr, Hurtigruten einzublenden.
  • 12:40 - 12:42
    Dann sieht es so aus:
  • 12:42 - 12:45
    3,2 Millionen Norweger haben
    Teile der Sendung gesehen,
  • 12:45 - 12:47
    und wir sind hier nur 5 Millionen.
  • 12:47 - 12:50
    Selbst die Passagiere auf dem
    Küstenschiff Hurtigruten --
  • 12:50 - 12:51
    (Gelächter) -
  • 12:51 - 12:56
    wollten lieber die Sendung sehen,
    anstatt sich umzudrehen
  • 12:56 - 12:58
    und aus dem Fenster zu sehen.
  • 12:58 - 13:01
    Die Menschen ließen uns in ihr Wohnzimmer
  • 13:01 - 13:04
    mit dieser seltsamen Sendung,
  • 13:04 - 13:08
    mit Musik, Natur und Menschen.
  • 13:08 - 13:10
    Und Slow TV wurde zum Schlagwort.
  • 13:10 - 13:14
    Also suchten wir nach anderen Dingen,
    die wir als Slow TV anbieten konnten.
  • 13:14 - 13:18
    Wir konnten entweder etwas Langes
    zu einem Thema machen,
  • 13:18 - 13:20
    wie die Eisenbahn und Hurtigruten,
  • 13:20 - 13:22
    oder wir nehmen ein Thema
    und ziehen es in die Länge.
  • 13:22 - 13:25
    Das ist das letzte Projekt.
    Das ist die Piep-Show.
  • 13:25 - 13:28
    Es sind 14 Stunden Vogelbeobachtung
    im Fernsehen,
  • 13:28 - 13:31
    und 87 Tage im Internet.
  • 13:31 - 13:34
    Wir haben 18 Stunden
    Lachsfischen live gesendet.
  • 13:34 - 13:38
    Es hat tatsächlich 3 Stunden bis zum
    Fang des ersten Fisches gedauert
  • 13:38 - 13:39
    und das ist wirklich langsam.
  • 13:39 - 13:44
    Wir haben 12 Stunden Bootsfahrt
    auf dem schönen Telemark-Kanal gesendet,
  • 13:44 - 13:48
    und eine weitere Zugfahrt mit der
    nördlichen Eisenbahnlinie,
  • 13:48 - 13:52
    und da wir das nicht live senden konnten,
    haben wir es in 4 Jahreszeiten aufgenommen
  • 13:52 - 13:57
    um den Zuschauer eine weitere Erfahrung
    mit auf den Weg zu geben.
  • 13:57 - 14:02
    Unser nächstes Projekt brachte uns
    einige Aufmerksamkeit außerhalb Norwegens.
  • 14:02 - 14:04
    Das ist aus dem Colbert Report
    auf Comedy Central.
  • 14:04 - 14:08
    (Video) Stephen Colbert: Ich habe eine
    sehr bekannte Sendung aus Norwegen
  • 14:08 - 14:11
    namens "National Firewood Night" gesehen,
  • 14:11 - 14:13
    die hauptsächlich aus
    Leuten in Parkas bestand,
  • 14:13 - 14:15
    die im Wald plauderten und Holz hackten,
  • 14:15 - 14:19
    und danach 8 Stunden Feuer,
    das im Kamin brannte.
  • 14:19 - 14:22
    Sie vernichtete andere
    norwegische Top-Sendungen,
  • 14:22 - 14:24
    wie "Sie glauben also, Sie können
    Farbe trocknen sehen"
  • 14:24 - 14:28
    und "Das unglaubliche Gletscher-Rennen".
  • 14:28 - 14:33
    Und -- halten Sie sich fest -- fast 20 %
    der Bevölkerung Norwegens schaute das,
  • 14:33 - 14:35
    20 Prozent.
  • 14:35 - 14:39
    TH: Wenn also Holz hacken und Kaminfeuer
    so interessant sein können,
  • 14:39 - 14:40
    warum nicht auch stricken?
  • 14:40 - 14:42
    In unserem nächsten Projekt
  • 14:42 - 14:47
    nutzten wir mehr als 8 Stunden,
    um live vom Schaf zum Pulli zu kommen,
  • 14:47 - 14:49
    und Jimmy Kimmel in der ABC-Show
  • 14:49 - 14:51
    gefiel das.
  • 14:51 - 14:55
    (Musik)
  • 14:58 - 15:02
    (Video) Jimmy Kimmel: Selbst die Leute
    in der Sendung schlafen ein,
  • 15:02 - 15:04
    und trotzdem haben
    die Stricker es nicht geschafft,
  • 15:04 - 15:06
    den Weltrekord zu knacken.
  • 15:06 - 15:07
    Sie haben nicht gewonnen,
  • 15:07 - 15:10
    aber bedenken Sie den
    alten norwegischen Spruch:
  • 15:10 - 15:12
    Es geht nicht ums
    Gewinnen oder Verlieren.
  • 15:12 - 15:14
    Eigentlich zählt gar nichts und
    der Tod ereilt uns alle.
  • 15:14 - 15:16
    (Gelächter)
  • 15:16 - 15:19
    TH: Genau. Wieso ist das
    also so etwas Besonderes?
  • 15:19 - 15:22
    Es ist so anders als andere
    Fernsehsendungen.
  • 15:22 - 15:24
    Wir nehmen den Zuschauer
    mit auf eine Reise,
  • 15:24 - 15:27
    die genau jetzt in Echtzeit passiert,
  • 15:27 - 15:30
    und der Zuschauer bekommt den Eindruck,
    als wäre er tatsächlich da,
  • 15:30 - 15:33
    tatsächlich in dem Zug, auf dem Schiff,
  • 15:33 - 15:34
    und beim Stricken mit anderen,
  • 15:34 - 15:37
    und ich glaube, sie tun das deshalb,
  • 15:37 - 15:39
    weil wir zeitlich nichts verändern.
  • 15:39 - 15:42
    Es ist wichtig, dass wir
    zeitlich nichts verändern,
  • 15:42 - 15:45
    und es ist auch wichtig,
    dass wir Slow TV über etwas machen,
  • 15:45 - 15:50
    dass jeder nachvollziehen kann,
    zu dem der Zuschauer eine Verbindung hat,
  • 15:50 - 15:53
    und das in unserer Kultur
    irgendwie verwurzelt ist.
  • 15:53 - 15:54
    Das ist ein Bild von letztem Sommer,
  • 15:54 - 15:57
    als wir die Küste 7 Wochen lang
    erneut entlang fuhren.
  • 15:57 - 16:01
    Dazu gehört natürlich viel Planung
    und eine Menge Logistik.
  • 16:01 - 16:06
    Das ist der Einsatzplan für
    die 150 Personen im letzten Sommer,
  • 16:06 - 16:08
    aber viel wichtiger ist das,
    was man nicht plant.
  • 16:08 - 16:11
    Man plant nicht, was passieren wird.
  • 16:11 - 16:14
    Man muss nur die Kamera mitnehmen.
  • 16:14 - 16:15
    Es ist wie beim Sport.
  • 16:15 - 16:18
    Man stattet sie aus
    und wartet, was passiert.
  • 16:18 - 16:20
    Das ist das ganze Regiebuch
  • 16:20 - 16:25
    für Hurtigruten, 134 Stunden,
    auf nur einer Seite.
  • 16:25 - 16:29
    Wir wussten nicht mehr,
    als wir Bergen verließen.
  • 16:29 - 16:32
    Man muss die Zuschauer selbst
    die Geschichten machen lassen.
  • 16:32 - 16:34
    Ich geben Ihnen ein Bespiel dafür.
  • 16:34 - 16:36
    Das ist vom letzten Sommer,
  • 16:36 - 16:38
    und als Fernsehproduzent sieht man,
  • 16:38 - 16:41
    es ist ein nettes Bild, aber jetzt kann
    man zum nächsten Bild überleiten.
  • 16:41 - 16:43
    Aber das ist Slow TV,
  • 16:43 - 16:47
    also lässt man das Bild stehen,
    bis es wirklich weh tut,
  • 16:47 - 16:49
    und dann noch ein bisschen länger,
  • 16:49 - 16:51
    und wenn man es so lange lässt,
  • 16:51 - 16:53
    bin ich sicher, dass manche
    die Kuh entdeckt haben.
  • 16:53 - 16:55
    Manche haben die Flagge gesehen.
  • 16:55 - 16:58
    Manche fragen sich,
    ob der Bauer zu Hause ist.
  • 16:58 - 17:00
    Ist er weg? Beobachtet er die Kuh?
  • 17:00 - 17:04
    Und wohin geht die Kuh?
  • 17:04 - 17:07
    Mein Punkt ist also, je länger
    Sie ein solches Bild stehen lassen,
  • 17:07 - 17:09
    und wir ließen es 10 Minuten lang stehen,
  • 17:09 - 17:13
    desto mehr fängt man an,
    Geschichten im Kopf zu erfinden.
  • 17:13 - 17:15
    Das ist Slow TV.
  • 17:17 - 17:23
    Wir glauben also, dass Slow TV ein guter
    Weg ist, eine Geschichte zu erzählen,
  • 17:23 - 17:25
    und wir glauben, dass
    wir das fortsetzen können,
  • 17:25 - 17:30
    nicht zu oft, ein- bis zweimal im Jahr,
    damit das Gefühl von Besonderheit bleibt,
  • 17:30 - 17:33
    und wir glauben auch, dass
    es eine gute Slow-TV-Idee ist,
  • 17:33 - 17:34
    wenn Leute sagen:
  • 17:34 - 17:38
    "Oh nein, das kannst du
    nicht ins Fernsehen bringen."
  • 17:38 - 17:41
    Wenn Leute lächeln, dann ist es
    vielleicht eine sehr gute Idee,
  • 17:41 - 17:45
    denn schließlich ist das Leben am besten,
    wenn es etwas merkwürdig ist.
  • 17:45 - 17:46
    Danke schön.
  • 17:46 - 17:53
    (Applaus)
Title:
Das langweiligste Fernsehen der Welt ... und warum es lustigerweise süchtig macht
Speaker:
Thomas Hellum
Description:

Sie haben von Slow Food gehört. Nun gibt es Slow ...TV? In seinem amüsanten Vortrag erzählt der norwegische Fernsehproduzent Thomas Hellum, wie er und sein Team begannen, ausgedehnte, langweilige Ereignisse zu übertragen, oftmals live – und ein begeistertes Publikum fanden. Die Sendungen umfassen eine 7-stündige Zugfahrt, ein 18-stündige Angelreise und eine 5,5-tägige Fahrt mit der Fähre entlang der Küste Norwegens. Die Ergebnisse sind sowohl schön als auch faszinierend. Wirklich.

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Video Language:
English
Team:
closed TED
Project:
TEDTalks
Duration:
18:06

German subtitles

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