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Jean-Baptiste Michel: Die Mathematik der Geschichte

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    Wie sich herausstellt, ist Mathematik
    eine sehr kraftvolle Sprache.
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    Sie hat bedeutende Erkenntnisse in der Physik,
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    Biologie und Wirtschaftslehre
    hervorgebracht,
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    jedoch nicht in den Geistes- und
    Geschichtswissenschaften.
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    Das liegt an dem Glauben,
    dass es nicht möglich ist und
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    dass man nicht quantifizieren kann,
    was die Menschheit tut,
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    dass man Geschichte nicht messen kann.
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    Aber ich glaube das nicht.
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    Dazu möchte ich Ihnen
    einige Beispiele geben.
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    Mein Mitarbeiter Erez und ich haben
    Folgendes betrachtet:
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    Dass zwei Könige in verschiedenen
    Jahrhunderten
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    eine sehr unterschiedliche
    Sprache sprechen.
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    Das ist eine einflussreiche
    historische Kraft.
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    Der König von England,
    Alfred der Große,
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    benutzt ein Vokabular
    und eine Grammatik,
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    die sich sehr von denen des
    Hip-Hop-Königs Jay-Z unterscheiden.
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    (Gelächter)
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    Das ist einfach so.
    Sprache verändert sich im Lauf der Zeit,
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    und sie ist eine einflussreiche Kraft.
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    Erez und ich wollten mehr
    darüber herausfinden.
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    Wir widmeten uns einer grammatischen Regel:
    der Konjugation der Vergangenheitsform.
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    Man hängt im Englischen "-ed" an das Verb,
    um die Vergangenheit auszudrücken.
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    "Today I walk. Yesterday I walked."
    ("Heute gehe ich. Gestern ging ich.")
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    Aber manche Verben sind unregelmäßig.
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    "Yesterday I thought."
    ("Gestern dachte ich.")
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    Das Interessante dabei ist,
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    dass die Verben zwischen Alfred und Jay-Z
    regelmäßiger geworden sind.
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    Wie das Verb "to wed" (heiraten),
    das regelmäßig geworden ist.
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    Also verfolgten wir das Schicksal
    von über 100 unregelmäßigen
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    englischen Verben über
    12 Jahrhunderte hinweg.
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    Dem Ganzen liegt ein sehr einfaches
    mathematisches Muster
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    zu Grunde, das komplexen
    historischen Wandel erfasst,
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    und zwar, dass ein
    100-mal häufigeres Verb
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    10-mal langsamer regelmäßig wird.
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    Das ist ein Stück Geschichte,
    verpackt in Mathematik.
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    In einigen Fällen kann sie sogar Erklärungen
    für historische Kräfte bieten
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    oder hierzu Erklärungen vorschlagen.
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    Steve Pinker und ich
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    betrachteten das Ausmaß von Kriegen
    in den letzten zwei Jahrhunderten.
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    Und es gibt tatsächlich eine
    bekannte Regularität, die besagt,
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    dass die Anzahl der Kriege,
    die 100-mal tödlicher sind,
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    10-mal kleiner ist.
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    Es gibt 30 Kriege, die ungefähr
    so tödlich sind wie der Sechstagekrieg,
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    aber nur vier Kriege,
    die 100-mal so tödlich sind –
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    wie der Erste Weltkrieg.
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    Durch welche Art von historischen Mechanismen
    wird dies hervorgerufen?
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    Was ist der Ursprung?
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    Steve und ich denken –
    aufgrund mathematischer Analyse –
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    dass ein sehr einfaches Phänomen
    die Wurzel des Ganzen ist, das in
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    unserem Gehirn vorkommt.
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    Es ist eine bekannte Eigenschaft,
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    durch die wir Quantitäten
    auf eine relative Art wahrnehmen –
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    Quantitäten wie die Intensität von Licht
    oder die Lautstärke von Geräuschen.
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    Ein Beispiel: 10.000 Soldaten in die nächste Schlacht
    zu schicken hört sich viel an.
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    Das ist ziemlich gewaltig, wenn man vorher
    schon 1.000 Soldaten ausgesendet hat.
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    Aber es hört sich nicht so viel an,
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    es ist relativ gesehen nicht genug,
    und es macht keinen Unterschied,
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    wenn man vorher schon
    100.000 Soldaten geschickt hat.
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    Sie können sehen, dass aufgrund
    unserer Wahrnehmung von Quantitäten
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    im Laufe eines langwierigen Krieges
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    die Anzahl der Truppen und die Verluste
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    nicht linear ansteigen –
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    wie 10.000, 11.000, 12.000 –
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    sondern exponentiell –
    10.000, dann 20.000, dann 40.000.
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    Und das erklärt dieses Muster,
    das ich vorhin angesprochen habe.
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    Mathematik ist also in der Lage,
    eine weit bekannte Eigenschaft des Verstandes
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    mit einem langzeitigen
    historischen Muster zu verknüpfen,
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    das über Jahrhunderte und
    Kontinente hinweg vorkommt.
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    Diese Art von Beispielen –
    heute gibt es nur ein paar wenige –
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    werden meiner Meinung nach
    im nächsten Jahrzehnt alltäglich werden.
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    Der Grund hierfür ist,
    dass der historische Bericht
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    in rasantem Tempo digitalisiert wird.
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    Es gibt circa 130 Millionen Bücher,
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    die seit Menschengedenken
    geschrieben wurden.
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    Unternehmen wie Google
    haben viele davon digitalisiert –
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    mehr als 20 Millionen,
    um genau zu sein.
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    Und wenn Geschichte
    in digitaler Form verfügbar ist,
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    ermöglicht dies eine mathematische Analyse,
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    um sehr schnell und bequem
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    Trends in unserer Geschichte
    und Kultur einzusehen.
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    Im nächsten Jahrzehnt werden
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    Natur- und Geisteswissenschaften
    näher zusammenrücken,
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    um Antworten auf tiefgründige Fragen
    zur Menschheit zu finden.
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    Und ich glaube, dass die Mathematik dafür
    eine sehr kraftvolle Sprache liefern wird.
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    Sie wird in der Lage sein, neue Trends
    in unserer Geschichte aufzudecken,
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    teilweise, um diese zu erklären,
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    und um vielleicht sogar in der Zukunft
    vorherzusagen, was passieren wird.
  • 3:59 - 4:00
    Vielen Dank.
  • 4:00 - 4:04
    (Applaus)
Title:
Jean-Baptiste Michel: Die Mathematik der Geschichte
Speaker:
Jean-Baptiste Michel
Description:

Was kann Mathematik über Geschichte aussagen? Laut TED Fellow Jean-Baptiste Michel eine ganze Menge. Von Veränderungen in der Sprache zur Tödlichkeit von Kriegen zeigt er, wie die Anfänge von digitalisierter Geschichtsschreibung schon jetzt tiefliegende Muster aufdecken können.

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Video Language:
English
Team:
closed TED
Project:
TEDTalks
Duration:
04:26
Judith Matz approved German subtitles for The mathematics of history
Judith Matz commented on German subtitles for The mathematics of history
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Friederike Oeldorf accepted German subtitles for The mathematics of history
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