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Die riskante Politik des Fortschritts

  • 0:01 - 0:04
    Im Allgemeinen erfahren wir
    unsere heutige Welt
  • 0:04 - 0:08
    als eine Zeit schrecklichen Niedergangs.
  • 0:08 - 0:12
    Das ist nicht verwunderlich aufgrund
    der vielen schlechten Nachrichten,
  • 0:12 - 0:14
    vom IS bis zur Ungleichheit,
  • 0:14 - 0:16
    politische Fehlleistungen, Klimawandel,
  • 0:16 - 0:19
    Brexit und so weiter.
  • 0:20 - 0:24
    Aber die Sache ist die, und dies mag
    ein wenig seltsam klingen:
  • 0:24 - 0:27
    Eigentlich akzeptiere ich
    diese düsteren Berichte nicht,
  • 0:27 - 0:29
    und Sie sollten das auch nicht tun.
  • 0:29 - 0:31
    Es ist nicht so, dass ich
    die Probleme nicht sehe.
  • 0:31 - 0:34
    Ich lese die gleichen
    Schlagzeilen wie Sie.
  • 0:34 - 0:38
    Ich zweifle die Schlussfolgerung an,
    die so viele Menschen aus ihnen ziehen,
  • 0:38 - 0:40
    nämlich, dass wir alle am Ende sind,
  • 0:40 - 0:43
    weil die Probleme unlösbar
  • 0:43 - 0:45
    und unsere Regierungen nutzlos sind.
  • 0:45 - 0:47
    Warum sage ich das?
  • 0:47 - 0:50
    Nicht weil ich von Natur aus
    besonders optimistisch bin.
  • 0:50 - 0:54
    Doch die ständige
    Schwarzmalerei der Medien
  • 0:54 - 0:58
    mit Fixierung auf die Probleme
    und nicht auf die Antworten
  • 0:58 - 1:00
    hat mich wirklich schon immer genervt.
  • 1:00 - 1:02
    So beschloss ich vor ein paar Jahren:
  • 1:02 - 1:04
    Ich bin Journalist
  • 1:04 - 1:06
    und ich sollte versuchen,
    es besser zu machen.
  • 1:06 - 1:10
    Ich reiste um die Welt und fragte Leute,
  • 1:10 - 1:12
    ob und wie sie ihre großen
  • 1:12 - 1:15
    wirtschaftlichen und politischen
    Herausforderungen meistern.
  • 1:15 - 1:17
    Was ich herausfand, überraschte mich.
  • 1:17 - 1:22
    Denn es gibt beachtliche
    Indizien für Fortschritt,
  • 1:22 - 1:25
    und das oft an unerwarteten Orten,
  • 1:25 - 1:28
    und sie überzeugten mich, dass unsere
    großen globalen Herausforderungen
  • 1:28 - 1:31
    nicht so unlösbar sind, wie es scheint.
  • 1:31 - 1:34
    Es gibt nicht nur theoretische Ansätze,
  • 1:34 - 1:36
    sondern diese wurden
    auch schon ausprobiert.
  • 1:36 - 1:38
    Sie haben funktioniert.
  • 1:38 - 1:40
    Sie machen uns Hoffnung.
  • 1:40 - 1:42
    Ich werde Ihnen zeigen, was ich meine,
  • 1:42 - 1:46
    indem ich Ihnen erzähle, wie drei
    der Länder, die ich bereiste --
  • 1:46 - 1:47
    Kanada, Indonesien und Mexiko --
  • 1:47 - 1:51
    drei für unmöglich befundene
    Probleme bewältigten.
  • 1:51 - 1:54
    Ihre Berichte sind wichtig,
    denn sie beinhalten Ansätze,
  • 1:54 - 1:55
    die auch wir verwenden können,
  • 1:55 - 1:58
    und zwar nicht nur für diese
    speziellen Probleme,
  • 1:58 - 2:00
    sondern auch für viele andere.
  • 2:01 - 2:05
    Wenn die meisten Leute heutzutage
    an meine Heimat Kanada denken,
  • 2:05 - 2:07
    wenn sie überhaupt an Kanada denken,
  • 2:07 - 2:11
    denken sie, es sei kalt,
    langweilig und höflich.
  • 2:11 - 2:15
    Sie denken, wir entschuldigen uns
    zu oft mit unserem witzigen Akzent.
  • 2:15 - 2:16
    Das ist alles wahr.
  • 2:16 - 2:18
    (Lachen)
  • 2:18 - 2:19
    Entschuldigung.
  • 2:19 - 2:20
    (Lachen)
  • 2:20 - 2:23
    Doch Kanada ist auch wichtig
  • 2:23 - 2:25
    wegen seines Siegs über ein Problem,
  • 2:25 - 2:28
    das momentan viele Länder
    auseinanderreißt:
  • 2:28 - 2:29
    Einwanderung.
  • 2:29 - 2:34
    Bedenken Sie: Kanada ist heute
    eines der offensten Länder,
  • 2:34 - 2:37
    sogar im Vergleich zu anderen
    einwanderungsfreundlichen Ländern.
  • 2:37 - 2:41
    Die Zuwanderung pro Kopf ist
    viermal größer als in Frankreich
  • 2:41 - 2:44
    und der Prozentsatz von Einwohnern,
    die im Ausland geboren sind,
  • 2:44 - 2:46
    ist doppelt so hoch wie in Schweden.
  • 2:46 - 2:49
    Mittlerweile nahm Kanada letztes Jahr
  • 2:49 - 2:53
    zehnmal mehr syrische Flüchtlinge
    auf als die USA.
  • 2:53 - 2:56
    (Beifall)
  • 3:00 - 3:03
    Heute nimmt Kanada noch mehr auf.
  • 3:03 - 3:05
    Wenn Sie Kanadier fragen,
  • 3:05 - 3:08
    worauf sie am meisten stolz sind,
  • 3:08 - 3:10
    wird "Multikulturalismus",
  • 3:10 - 3:12
    -- vielerorts negativ konnotiert --
  • 3:12 - 3:14
    an zweiter Stelle eingeordnet,
  • 3:14 - 3:16
    vor Hockey.
  • 3:16 - 3:17
    Hockey.
  • 3:17 - 3:19
    (Lachen)
  • 3:19 - 3:22
    Mit anderen Worten:
    In Zeiten, in denen andere Länder
  • 3:22 - 3:26
    wie verrückt neue Barrieren bauen,
    um Ausländer fernzuhalten,
  • 3:26 - 3:29
    wollen die Kanadier
    sogar noch mehr von ihnen.
  • 3:29 - 3:32
    Jetzt wird es wirklich interessant.
  • 3:32 - 3:34
    Kanada war nicht immer so.
  • 3:34 - 3:41
    Bis Mitte der 60er folgte Kanada einer
    sehr rassistischen Einwanderungspolitik.
  • 3:41 - 3:43
    Sie nannten es "Weißes Kanada"
  • 3:43 - 3:47
    und wie Sie sehen,
    sprachen sie nicht nur über Schnee.
  • 3:47 - 3:53
    Wie wurde nun daraus das heutige Kanada?
  • 3:53 - 3:56
    Ungeachtet dessen, was Ihnen
    meine Mutter in Ontario erzählen wird,
  • 3:56 - 3:58
    hatte die Antwort nichts
    mit Tugend zu tun.
  • 3:58 - 4:01
    Kanadier sind nicht von Natur aus
    besser als andere.
  • 4:01 - 4:06
    Die richtige Erklärung betrifft den Mann,
    der 1968 an Kanadas Spitze gelangte:
  • 4:06 - 4:10
    Pierre Trudeau, der auch der Vater von
    unserem jetzigen Premierminister ist.
  • 4:10 - 4:12
    (Beifall)
  • 4:12 - 4:15
    Über den ersten Trudeau
    sollten Sie wissen,
  • 4:15 - 4:18
    dass er sich von Kanadas
    früheren Premiers sehr unterschied.
  • 4:18 - 4:20
    Er sprach Französisch in einem Land,
  • 4:20 - 4:22
    das lange von seiner
    englischen Elite dominiert wurde.
  • 4:22 - 4:24
    Er war ein Intellektueller.
  • 4:24 - 4:27
    Er war sogar etwas verrückt.
  • 4:27 - 4:30
    Im Ernst, der Kerl machte Yoga.
  • 4:30 - 4:31
    Er hing mit den Beatles ab.
  • 4:31 - 4:32
    (Lachen)
  • 4:32 - 4:37
    Wie alle Hipster konnte er
    manchmal anstrengend sein.
  • 4:37 - 4:41
    Dennoch zog er eine der
    fortschrittlichsten Reformen durch,
  • 4:41 - 4:43
    die man je gesehen hat.
  • 4:44 - 4:47
    Ich habe erfahren, dass seine Formel
    zwei Teile umfasste.
  • 4:47 - 4:51
    Zuerst musterte Kanada seine alten auf
    Rasse basierenden Einwanderungsregeln aus
  • 4:51 - 4:54
    und ersetzte sie mit neuen farbenblinden,
  • 4:54 - 4:59
    bei denen Wert auf Ausbildung, Erfahrung
    und Sprachkenntnisse gelegt wurde.
  • 4:59 - 5:01
    Das erhöhte stark die Chancen,
  • 5:01 - 5:05
    dass Neuankömmlinge zur
    Wirtschaftsleistung beitragen würden.
  • 5:05 - 5:07
    Teil zwei: Trudeau entwickelte
  • 5:07 - 5:10
    die weltweit erste Politik des
    offiziellen Multikulturalismus
  • 5:10 - 5:12
    zur Förderung von Integration
  • 5:12 - 5:18
    und der Idee, dass Vielfalt der Schlüssel
    zur kanadischen Identität ist.
  • 5:18 - 5:21
    In den Jahren darauf propagierte
    die Regierung diese Botschaft,
  • 5:21 - 5:24
    aber zugleich erkannten
    gewöhnliche Kanadier
  • 5:24 - 5:29
    die wirtschaftlichen und materiellen
    Vorteile des Multikulturalismus.
  • 5:30 - 5:32
    Diese beiden Einflüsse
    wirkten bald gemeinsam,
  • 5:32 - 5:37
    um das leidenschaftlich aufgeschlossene
    Kanada von heute zu schaffen.
  • 5:38 - 5:42
    Wenden wir uns jetzt einem anderen Land
    und einem noch schwierigerem Problem zu,
  • 5:42 - 5:43
    dem islamischen Extremismus.
  • 5:43 - 5:47
    1998 gingen die Menschen
    in Indonesien auf die Straße
  • 5:47 - 5:50
    und stürzten ihren langjährigen
    Diktator Suharto.
  • 5:50 - 5:53
    Es war ein erstaunlicher Moment,
  • 5:53 - 5:54
    aber es war auch unheimlich.
  • 5:54 - 5:56
    Mit 250 Millionen Menschen
  • 5:56 - 6:00
    ist Indonesien das größte mehrheitlich
    muslimische Land der Erde.
  • 6:00 - 6:03
    Es ist auch heiß, riesig und unruhig,
  • 6:03 - 6:06
    besteht aus 17 000 Inseln,
  • 6:06 - 6:09
    wo die Menschen nahezu
    tausend Sprachen sprechen.
  • 6:09 - 6:11
    Nun war Suharto ein Diktator,
  • 6:11 - 6:13
    ein böser noch dazu.
  • 6:13 - 6:16
    Aber er war auch
    ein recht effektiver Tyrann,
  • 6:16 - 6:19
    der immer darauf achtete,
    Religion und Politik zu trennen.
  • 6:19 - 6:25
    Experten befürchteten, dass das Land
    ohne seine Unterdrückung explodieren
  • 6:25 - 6:27
    oder von religiösen Extremisten
    übernommen würde,
  • 6:27 - 6:32
    die Indonesien in eine tropische
    Version des Iran umwandeln würden.
  • 6:32 - 6:34
    Genau das schien
    auf den ersten Blick zu passieren.
  • 6:34 - 6:38
    In den ersten freien Wahlen
    des Landes, im Jahr 1999,
  • 6:38 - 6:41
    erzielten die islamistischen Parteien
    36 % der Stimmen
  • 6:41 - 6:43
    und die Inseln brannten,
  • 6:43 - 6:46
    als bei Unruhen und Terroranschlägen
    Tausende umkamen.
  • 6:47 - 6:52
    Aber seitdem hat Indonesien
    eine überraschende Wendung genommen.
  • 6:52 - 6:56
    Während gewöhnliche Leute persönlich
    frommer geworden sind --
  • 6:56 - 7:00
    ich sah bei einem kürzlichen Besuch viel
    mehr Kopftücher als vor zehn Jahren --
  • 7:00 - 7:04
    hat sich die Politik des Landes
    in die entgegengesetzte Richtung bewegt.
  • 7:04 - 7:08
    Indonesien ist jetzt eine recht
    anständige Demokratie.
  • 7:08 - 7:12
    Die islamistischen Parteien haben
    stetig an Unterstützung verloren,
  • 7:12 - 7:15
    von einer Spitze von etwa
    38 % im Jahr 2004
  • 7:15 - 7:18
    auf 25 % im Jahr 2014.
  • 7:19 - 7:22
    Terrorismus ist sehr selten geworden.
  • 7:22 - 7:26
    Obwohl einige Indonesier
    kürzlich dem IS beitraten,
  • 7:26 - 7:28
    ist ihre Zahl klein;
  • 7:28 - 7:31
    es sind weit weniger pro Kopf
  • 7:31 - 7:34
    als die Anzahl der Belgier.
  • 7:34 - 7:37
    Denken Sie an ein anderes
    mehrheitlich muslimisches Land,
  • 7:37 - 7:39
    das dasselbe behaupten könnte.
  • 7:39 - 7:43
    2014 ging ich nach Indonesien,
    um den damaligen Präsidenten zu fragen,
  • 7:43 - 7:46
    ein freundlicher und sanfter Technokrat
    namens Joko Widodo:
  • 7:46 - 7:51
    "Warum gedeiht Indonesien, während viele
    andere muslimische Staaten untergehen?"
  • 7:51 - 7:54
    "Wir haben festgestellt", sagte er mir,
  • 7:54 - 7:58
    "dass wir uns erst um Ungleichheit kümmern
    müssen, um gegen Extremismus vorzugehen."
  • 7:58 - 8:02
    Indonesiens religiöse Parteien,
    wie ähnliche Parteien anderer Staaten,
  • 8:02 - 8:06
    konzentrierten sich auf die Bekämpfung
    von Armut und Korruption.
  • 8:06 - 8:08
    Das taten Joko und seine Vorgänger auch
  • 8:08 - 8:11
    und dadurch nahmen sie den Islamisten
    den Wind aus den Segeln.
  • 8:11 - 8:14
    Sie gingen auch hart
    gegen den Terrorismus vor,
  • 8:14 - 8:17
    aber Indonesiens Demokraten
    haben eine wichtige Lektion
  • 8:17 - 8:19
    aus den dunklen Jahren
    der Diktatur gelernt,
  • 8:19 - 8:24
    nämlich, dass Repression nur
    mehr Extremismus hervorruft.
  • 8:24 - 8:28
    So führten sie ihren Krieg
    mit außergewöhnlicher Behutsamkeit.
  • 8:28 - 8:30
    Sie setzten die Polizei
    anstelle der Armee ein.
  • 8:30 - 8:33
    Sie hielten Verdächtige nur fest,
    wenn sie genügend Beweise hatten.
  • 8:33 - 8:35
    Sie führten öffentliche Prozesse.
  • 8:35 - 8:38
    Sie schickten sogar liberale Imame
    in die Gefängnisse,
  • 8:38 - 8:41
    um die Dschihadisten zu überzeugen,
    dass Terror unislamisch ist.
  • 8:41 - 8:44
    All dies zahlte sich
    auf spektakuläre Weise aus,
  • 8:44 - 8:49
    indem ein Land geschaffen wurde,
    das vor 20 Jahren unvorstellbar war.
  • 8:49 - 8:52
    Ich hoffe, dass mein Optimismus
    an dieser Stelle
  • 8:52 - 8:54
    langsam ein wenig sinnvoller erscheint.
  • 8:54 - 8:58
    Einwanderung und islamischer Extremismus
    sind durchaus zu bewältigen.
  • 8:58 - 9:01
    Begleiten Sie mich nun
    auf eine letzte Reise,
  • 9:01 - 9:03
    dieses Mal nach Mexiko.
  • 9:03 - 9:06
    Diese Geschichte hat mich
    von den dreien am meisten überrascht,
  • 9:06 - 9:08
    da, wie Sie alle wissen,
  • 9:08 - 9:11
    das Land immer noch mit
    so vielen Problemen kämpft.
  • 9:11 - 9:13
    Und doch tat Mexiko
    vor ein paar Jahren etwas,
  • 9:13 - 9:19
    von dem viele andere Länder
    von Frankreich nach Indien bis zu den USA
  • 9:19 - 9:21
    nur träumen können.
  • 9:21 - 9:25
    Es zerstörte die politische Lähmung,
    von der es seit Jahren erfasst war.
  • 9:25 - 9:28
    Um dies zu verstehen, müssen wir
    in das Jahr 2000 zurückgehen,
  • 9:28 - 9:31
    als Mexiko schließlich
    eine Demokratie wurde.
  • 9:31 - 9:35
    Anstatt ihre neuen Freiheiten für
    den Kampf um Reformen zu nutzen,
  • 9:35 - 9:38
    benutzten Mexikos Politiker sie,
    um sich gegenseitig zu bekämpfen.
  • 9:38 - 9:41
    Der Kongress befand sich
    in einer Sackgasse
  • 9:41 - 9:44
    und die Probleme des Landes --
    Drogen, Armut, Kriminalität, Korruption --
  • 9:44 - 9:46
    gerieten außer Kontrolle.
  • 9:46 - 9:49
    Schließlich wurde es so schlimm,
    dass das Pentagon 2008
  • 9:49 - 9:53
    davor warnte, dass Mexiko
    einen Zusammenbruch riskierte.
  • 9:53 - 9:57
    2012 hat es dieser Typ
    namens Enrique Peña Nieto
  • 9:57 - 10:00
    irgendwie geschafft, sich
    zum Präsidenten wählen zu lassen.
  • 10:00 - 10:05
    Zu Beginn zeigte Peña wenig Stärke.
  • 10:05 - 10:07
    Sicher, er sah gut aus,
  • 10:07 - 10:11
    doch kam er aus Mexikos korrupter,
    ehemals herrschenden Partei, der PRI,
  • 10:11 - 10:15
    und er war ein notorischer Casanova.
  • 10:15 - 10:18
    Er schien tatsächlich wie
    ein leichtgewichtiger hübscher Junge,
  • 10:18 - 10:21
    dass die Frauen ihn
    bei Wahlveranstaltungen
  • 10:21 - 10:23
    "Bombón", Schatz, nannten.
  • 10:23 - 10:27
    Und doch überraschte genau
    dieses "Bombón" bald jeden,
  • 10:27 - 10:28
    indem er einen Waffenstillstand
  • 10:28 - 10:32
    zwischen den drei verfeindeten politischen
    Parteien des Landes durchsetzte.
  • 10:32 - 10:35
    Im Laufe der nächsten 18 Monate
    verabschiedeten sie zusammen
  • 10:35 - 10:38
    eine unglaublich umfassende
    Reihe von Reformen.
  • 10:38 - 10:40
    Sie brachen Mexikos
    erdrückende Monopole auf.
  • 10:40 - 10:43
    Sie liberalisierten
    den verrosteten Energiesektor.
  • 10:43 - 10:46
    Erfolglose Schulen wurden
    umstrukturiert und vieles mehr.
  • 10:46 - 10:49
    Um den Umfang
    dieser Leistung einzuschätzen,
  • 10:49 - 10:53
    stellen Sie sich vor, der US-Kongress
    würde eine Einwanderungsreform,
  • 10:53 - 10:56
    eine Finanzreform und
    eine Bankenreform durchsetzen.
  • 10:56 - 11:00
    Und das alles zur gleichen Zeit.
  • 11:00 - 11:02
    Genau das tat Mexiko.
  • 11:02 - 11:06
    Vor Kurzem traf ich mich mit Peña und
    fragte, wie er das alles geschafft hatte.
  • 11:06 - 11:10
    Der Präsident blitzte mit seinem
    berühmten funkelnden Lächeln auf --
  • 11:10 - 11:12
    (Lachen)
  • 11:13 - 11:18
    und sagte mir, dass die kurze Antwort
    "compromiso", Kompromiss, war.
  • 11:18 - 11:19
    Natürlich fragte ich nach Details,
  • 11:19 - 11:22
    und die lange Antwort war im Wesentlichen:
  • 11:22 - 11:25
    "Kompromisse, Kompromisse
    und mehr Kompromisse."
  • 11:25 - 11:28
    Peña wusste, dass er früh
    Vertrauen aufbauen musste.
  • 11:28 - 11:32
    Daher begann er nur wenige Tage nach
    der Wahl mit der Opposition zu sprechen.
  • 11:32 - 11:35
    Um den Druck von
    speziellen Interessen abzuwehren,
  • 11:35 - 11:37
    hielt er ihre Sitzungen klein und geheim.
  • 11:37 - 11:41
    Viele der Teilnehmer sagten mir später,
    dass genau diese Intimität
  • 11:41 - 11:46
    und eine Menge gemeinsamer Tequila
    halfen, Vertrauen aufzubauen.
  • 11:46 - 11:50
    Es half auch, dass alle Entscheidungen
    einstimmig gefasst werden mussten
  • 11:50 - 11:55
    und dass Peña einigen Prioritäten
    der anderen Parteien den Vorrang gab.
  • 11:55 - 11:58
    Der oppositionelle Senator
    Santiago Creel erzählte mir:
  • 11:58 - 12:03
    "Ich sage nicht, dass ich oder
    irgendjemand etwas Besonderes ist,
  • 12:03 - 12:06
    aber diese Gruppe,
    das war etwas Besonderes."
  • 12:06 - 12:07
    Der Beweis?
  • 12:07 - 12:11
    Als Peña vereidigt wurde, hielt der Pakt,
  • 12:11 - 12:14
    und Mexiko kam zum ersten Mal
    seit Jahren voran.
  • 12:16 - 12:17
    Bueno [Gut].
  • 12:17 - 12:19
    Wir haben gesehen, wie diese drei Länder
  • 12:19 - 12:22
    drei ihrer großen
    Herausforderungen bewältigten.
  • 12:22 - 12:24
    Das ist sehr schön für sie, nicht wahr?
  • 12:24 - 12:27
    Aber was nützt es dem Rest von uns?
  • 12:27 - 12:31
    Als ich diese und einige andere
    Erfolgsgeschichten untersuchte,
  • 12:31 - 12:35
    wie sich Ruanda nach dem Bürgerkrieg
    wieder aufgerappelt hat
  • 12:35 - 12:38
    oder Brasilien die Ungleichheit
    verringert hat,
  • 12:38 - 12:41
    oder Südkorea seine Wirtschaft schneller
    und länger hat wachsen lassen
  • 12:41 - 12:43
    als jedes andere Land auf der Erde,
  • 12:43 - 12:46
    habe ich ein paar Gemeinsamkeiten bemerkt.
  • 12:46 - 12:49
    Bevor ich diese beschreibe,
    muss ich eine Warnung aussprechen.
  • 12:49 - 12:51
    Ich weiß natürlich,
    dass alle Länder einzigartig sind.
  • 12:51 - 12:55
    Man kann nicht einfach etwas,
    das in einem Land funktioniert hat,
  • 12:55 - 12:58
    auf ein anderes übertragen und erwarten,
    dass es auch dort funktioniert.
  • 12:58 - 13:01
    Ebenso wenig funktionieren
    spezifische Lösungen für immer.
  • 13:01 - 13:03
    Sie müssen den Umständen angepasst werden.
  • 13:03 - 13:07
    Das heißt, wenn man diese Geschichten
    auf das Wesentliche reduziert,
  • 13:07 - 13:11
    kann man ein paar gemeinsame Methoden
    zur Problemlösung herausfiltern,
  • 13:11 - 13:14
    die in anderen Ländern,
  • 13:14 - 13:16
    in Vorstandsetagen
  • 13:16 - 13:19
    und in allen möglichen anderen
    Zusammenhängen funktionieren.
  • 13:19 - 13:22
    Nummer eins:
    Stellen Sie sich dem Extremen.
  • 13:22 - 13:25
    In allen Geschichten,
    die wir gerade gehört haben,
  • 13:25 - 13:28
    kam die Rettung in einem Moment
    von existenzieller Gefahr.
  • 13:28 - 13:30
    Das war kein Zufall.
  • 13:30 - 13:35
    Nehmen Sie Kanada: Als Trudeau antrat,
    trat er zwei drohenden Gefahren gegenüber.
  • 13:35 - 13:37
    Erstens: Obwohl sein riesiges,
    dünn besiedeltes Land
  • 13:37 - 13:39
    dringend mehr Menschen brauchte,
  • 13:39 - 13:42
    war seine bevorzugte Quelle für
    weiße Arbeiter, Europa, gerade versiegt,
  • 13:42 - 13:46
    da es sich schließlich
    vom Zweiten Weltkrieg erholt hatte.
  • 13:46 - 13:49
    Das andere Problem war,
    dass Kanadas langer kalter Krieg
  • 13:49 - 13:52
    zwischen seinen französischen
    und englischen Gemeinden,
  • 13:52 - 13:53
    gerade zu einem heißen Krieg wurde.
  • 13:53 - 13:56
    Quebec drohte, sich abzuspalten,
  • 13:56 - 13:59
    und Kanadier töteten sich gegenseitig
    aufgrund ihrer politischen Einstellung.
  • 13:59 - 14:03
    Länder müssen sich immer wieder
    Krisen stellen. Richtig?
  • 14:03 - 14:05
    Das ist nichts Besonderes.
  • 14:05 - 14:09
    Aber Trudeau erkannte, dass Kanadas Krise
  • 14:09 - 14:13
    alle Hürden weggefegt hatte,
    die in der Regel Reformen blockieren.
  • 14:13 - 14:17
    Kanada musste sich öffnen.
    Es hatte keine andere Wahl.
  • 14:17 - 14:19
    Es musste seine Identität überdenken.
  • 14:19 - 14:21
    Es hatte keine andere Wahl.
  • 14:21 - 14:24
    Das gab Trudeau
    die einmalige Gelegenheit,
  • 14:24 - 14:27
    die alten Regeln zu brechen
    und neue zu schreiben.
  • 14:27 - 14:31
    Wie alle anderen Helden war er
    klug genug, sie zu ergreifen.
  • 14:32 - 14:36
    Nummer zwei:
    Energie durch freizügiges Denken.
  • 14:36 - 14:39
    Eine weitere auffallende Ähnlichkeit
    unter guten Problemlösern ist,
  • 14:39 - 14:41
    dass sie alle Pragmatiker sind.
  • 14:41 - 14:44
    Sie holen sich die besten Antworten,
    wo immer sie sie finden,
  • 14:44 - 14:46
    und lassen keine Details
  • 14:46 - 14:51
    wie Parteien, Ideologien oder
    Sentimentalität in die Quere kommen.
  • 14:51 - 14:55
    Wie ich bereits erwähnte, waren
    Indonesiens Demokraten klug genug,
  • 14:55 - 14:59
    viele der besten Wahlversprechen der
    Islamisten für sich selbst zu übernehmen.
  • 14:59 - 15:03
    Sie luden sogar einen Teil der Radikalen
    in ihre Regierungskoalition ein.
  • 15:03 - 15:08
    Viele weltliche Indonesier
    waren entsetzt darüber.
  • 15:08 - 15:13
    Dadurch, dass die Radikalen gezwungen
    waren, tatsächlich mitzuwirken,
  • 15:13 - 15:17
    zeigte sich schnell, dass sie
    nicht gut im Regieren waren,
  • 15:17 - 15:20
    und sie gerieten durcheinander
    durch all die schmutzigen Kompromisse
  • 15:20 - 15:23
    und kleinen Demütigungen,
    die zur täglichen Politik gehören.
  • 15:23 - 15:27
    Das machte ihren Ruf so schlecht,
    dass sie sich nie wieder erholt haben.
  • 15:27 - 15:29
    Nummer drei:
  • 15:29 - 15:32
    Stelle alle Menschen zufrieden, ab und an.
  • 15:32 - 15:34
    Ich weiß, ich erwähnte gerade,
  • 15:34 - 15:37
    wie Krisen Anführern außergewöhnliche
    Freiheiten gewähren können.
  • 15:37 - 15:41
    Das ist wahr, aber Problemlösung
    erfordert oft mehr als nur Kühnheit.
  • 15:41 - 15:44
    Man muss auch Zurückhaltung zeigen können,
  • 15:44 - 15:47
    gerade wenn es das letzte ist,
    was Sie tun möchten.
  • 15:47 - 15:49
    Nehmen Sie Trudeau:
    Als er sein Amt antrat,
  • 15:49 - 15:51
    hätte er leicht seine Kernwählerschaft,
  • 15:51 - 15:54
    Kanadas französische Gemeinde,
    an erste Stelle setzen können.
  • 15:54 - 15:58
    Er hätte einige der Leute
    die ganze Zeit zufriedengestellt.
  • 15:58 - 16:00
    Peña hätte seine Macht nutzen können,
  • 16:00 - 16:02
    weiterhin die Opposition anzugreifen,
  • 16:02 - 16:03
    wie es Tradition in Mexiko ist.
  • 16:03 - 16:06
    Doch er entschied sich stattdessen,
    seine Feinde einzubeziehen,
  • 16:06 - 16:09
    während er seine eigene Partei
    zu Kompromissen zwang.
  • 16:09 - 16:13
    Trudeau drängte alle dazu,
    nicht mehr stammesbezogen zu denken,
  • 16:13 - 16:18
    auf den Multikulturalismus zu schauen
    und nicht auf die Sprache oder Hautfarbe,
  • 16:18 - 16:21
    sondern auf das, was sie
    durch und durch kanadisch machte.
  • 16:21 - 16:24
    Niemand erreichte alles, was er wollte,
  • 16:24 - 16:28
    aber jeder erreichte gerade soviel,
    dass der Handel bestehen blieb.
  • 16:29 - 16:31
    An dieser Stelle mögen Sie denken:
  • 16:31 - 16:32
    "Okay, Tepperman,
  • 16:32 - 16:35
    wenn die Lösungen wirklich da sind,
    wie Sie behaupten,
  • 16:35 - 16:39
    warum haben sie dann
    nicht schon alle Länder umgesetzt? "
  • 16:39 - 16:41
    Sie benötigen keine besonderen Kräfte.
  • 16:41 - 16:45
    Keiner der genannten Regierungschefs
    war ein Superheld.
  • 16:45 - 16:47
    Sie haben nichts alleine erreicht,
  • 16:47 - 16:49
    und sie hatten alle viele Mängel.
  • 16:49 - 16:52
    Nehmen wir Indonesiens
    ersten demokratischen Präsident,
  • 16:52 - 16:53
    Abdurrahman Wahid.
  • 16:53 - 16:57
    Dem Mann fehlte jede Ausstrahlung,
  • 16:57 - 16:59
    sodass er einmal
  • 16:59 - 17:01
    mitten in seiner eigenen Rede einschlief.
  • 17:01 - 17:02
    (Lachen)
  • 17:02 - 17:05
    Es ist eine wahre Geschichte.
  • 17:08 - 17:11
    Das sagt uns,
    dass das eigentliche Hindernis
  • 17:11 - 17:14
    nicht die Fähigkeiten oder Umstände sind.
  • 17:14 - 17:16
    Es ist etwas viel einfacheres.
  • 17:16 - 17:20
    Große Änderungen erfordern große Risiken
  • 17:20 - 17:22
    und große Risiken sind beängstigend.
  • 17:22 - 17:26
    Die Überwindung dieser Angst erfordert Mut
  • 17:26 - 17:27
    und wie Sie alle wissen,
  • 17:27 - 17:30
    sind mutige Politiker sehr selten.
  • 17:31 - 17:33
    Aber das bedeutet nicht, dass wir Wähler
  • 17:33 - 17:36
    von unseren Politikern
    keinen Mut fordern können.
  • 17:36 - 17:40
    Darum bringen wir sie
    in erster Linie ins Amt.
  • 17:40 - 17:44
    In dem heutigen Zustand der Welt
    gibt es wirklich keine andere Wahl.
  • 17:44 - 17:47
    Die Antworten sind vorhanden,
  • 17:47 - 17:49
    aber jetzt liegt es an uns,
  • 17:49 - 17:52
    mehr Frauen und Männer zu wählen,
  • 17:52 - 17:54
    die mutig genug sind, sie zu finden,
  • 17:54 - 17:55
    sie zu entwenden
  • 17:55 - 17:57
    und sie umzusetzen.
  • 17:57 - 17:58
    Danke.
  • 17:58 - 18:03
    (Beifall)
Title:
Die riskante Politik des Fortschritts
Speaker:
Jonathan Tepperman
Description:

Globale Probleme wie Terrorismus, Ungleichheit und politische Fehlleistung sind nicht leicht zu lösen, aber das bedeutet nicht, dass wir aufhören sollten, es zu versuchen. Der Journalist Jonathan Tepperman schlägt vor, wagemutiger zu denken. Er bereiste die Welt, um weltweite Politiker zu fragen, wie sie schwierige Probleme anpacken – und er fand überraschend hoffnungsvolle Geschichten, aus denen er drei Methoden zur Problemlösung ableitet.

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English
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closed TED
Project:
TEDTalks
Duration:
18:16
Nadine Hennig edited German subtitles for The risky politics of progress
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