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Jon Ronson: Seltsame Antworten auf den Psychopathen-Test

  • 0:00 - 0:04
    Diese Geschichte beginnt so:
    Ich war bei einem Freund zu Hause
  • 0:04 - 0:08
    und sie hatte auf ihrem Regal
    eine Ausgabe des DSM Handbuches,
  • 0:08 - 0:11
    welches das Handbuch
    für psychische Störungen ist.
  • 0:11 - 0:13
    Es listet alle bekannten
    psychischen Störungen auf.
  • 0:13 - 0:17
    Und es war, zurück in den 50ern,
    eine sehr dünne Broschüre.
  • 0:17 - 0:20
    Und dann wurde es
    immer dicker und dicker
  • 0:20 - 0:23
    und nun ist es 886 Seiten lang.
  • 0:23 - 0:27
    Und listet derzeit 374
    psychische Störungen auf.
  • 0:27 - 0:29
    So blätterte ich mich also durch
  • 0:29 - 0:31
    und wunderte mich, ob ich irgendwelche
    psychischen Störungen habe,
  • 0:31 - 0:34
    und es stellt sich heraus,
    dass ich zwölf habe.
  • 0:34 - 0:35
    (Gelächter)
  • 0:35 - 0:37
    Ich habe eine generalisierte
    Angststörung,
  • 0:37 - 0:38
    das ist selbstverständlich.
  • 0:38 - 0:40
    Ich habe eine Albtraum Störung,
  • 0:40 - 0:42
    welche sich darin bestimmen lässt,
  • 0:42 - 0:46
    dass man wiederholt Träume davon hat, wie man verfolgt wird oder als Versager bezeichnet wird –
  • 0:46 - 0:50
    und alle meine Träume beinhalten Leute,
    die mich die Straße entlang verfolgen
  • 0:50 - 0:51
    und rufen: "Du bist ein Versager."
  • 0:51 - 0:53
    (Gelächter)
  • 0:53 - 0:56
    Ich habe Eltern-Kind-
    Beziehungsprobleme,
  • 0:56 - 0:58
    wofür ich meine Eltern
    schuldig halte.
  • 0:58 - 1:00
    (Gelächter)
  • 1:00 - 1:03
    Ich scherze. Ich scherze nicht.
  • 1:03 - 1:04
    Ich scherze.
  • 1:04 - 1:06
    Und außerdem simuliere ich.
  • 1:06 - 1:07
    Und ich denke, dass es
    tatsächlich sehr selten ist,
  • 1:07 - 1:11
    sowohl Simulation, als auch eine
    generalisierte Angststörung zu haben,
  • 1:11 - 1:13
    da Simulation dazu neigt,
    mich sehr ängstlich zu machen.
  • 1:13 - 1:15
    Wie dem auch sei, ich blätterte
    also durch dieses Buch
  • 1:15 - 1:18
    und wunderte mich, ob ich viel
    verrückter war, als ich gedacht hatte
  • 1:18 - 1:21
    oder ob es vielleicht keine gute Idee ist,
    sich mit einer psychischen Störung
    zu diagnostizieren,
  • 1:21 - 1:23
    wenn man kein ausgebildeter Experte ist,
  • 1:23 - 1:28
    oder ob das Fach der Psychiatrie
    ein seltsames Verlangen dafür hat,
  • 1:28 - 1:33
    etwas, das im Grunde genommen normales,
    menschliches Verhalten ist, als eine
    psychische Störung einzuordnen.
  • 1:33 - 1:35
    Ich wusste nicht, was von diesen
    Dingen der Wahrheit entsprach,
  • 1:35 - 1:37
    jedoch dachte ich, dass es
    irgendwie interessant war.
  • 1:37 - 1:40
    Und ich dachte mir, dass ich vielleicht
    einen Kritiker der Psychiatrie treffen sollte,
  • 1:40 - 1:41
    um mir seine Ansicht anzuhören.
  • 1:41 - 1:46
    Was mich dazu führte, mit den
    Scientologen zu Mittag zu essen.
  • 1:46 - 1:47
    Es war ein Mann namens Brian,
  • 1:47 - 1:50
    der ein durchgeknalltes Team
    von Scientologen betreibt,
  • 1:50 - 1:55
    das darauf festgelegt ist, Psychiatrie zu zerstören,
    wo auch immer sie liegen mag.
  • 1:55 - 1:56
    Sie nennen sich die CCHR.
  • 1:56 - 1:59
    Und ich sagte zu ihm:
    "Können Sie mir beweisen,
  • 1:59 - 2:03
    dass Psychiatrie eine
    Pseudo-Wissenschaft ist,
    der man nicht vertrauen darf?"
  • 2:03 - 2:05
    Und er sagte: "Ja, wir können
    es Ihnen beweisen."
  • 2:05 - 2:07
    Und ich sagte: "Wie?"
  • 2:07 - 2:10
    Und er sagte: "Wir werden Sie
    mit Tony bekannt machen."
  • 2:10 - 2:12
    Und ich sagte: "Wer ist Tony?"
  • 2:12 - 2:16
    Und er sagte: "Tony ist in Broadmoor."
  • 2:16 - 2:18
    Nun ist Broadmoor
    das Broadmoor Hospital.
  • 2:18 - 2:23
    Es war früher bekannt als die Broadmoor
    Irrenanstalt für kriminelle Wahnsinnige.
  • 2:23 - 2:26
    Es ist der Ort, an den man
    Serienmörder und
  • 2:26 - 2:28
    die Leute hinschickt, die sich
    nicht helfen können.
  • 2:28 - 2:30
    Und ich sagte zu Brian:
    "Was hat Tony getan?"
  • 2:30 - 2:33
    Und er sagte: "Fast gar nichts.
  • 2:33 - 2:36
    Er hat irgendjemanden
    verprügelt oder so,
  • 2:36 - 2:42
    und dann hat er beschlossen,
    Wahnsinn vorzutäuschen,
    um der Haftstrafe zu entgehen.
  • 2:42 - 2:46
    Aber er hat es zu gut vorgetäuscht
    und jetzt steckt er in Broadmoor fest
  • 2:46 - 2:49
    und niemand glaubt ihm,
    dass er bei Verstand ist.
  • 2:49 - 2:53
    Wollen Sie, dass wir versuchen Sie
    nach Broadmoor zu bekommen,
    um Tony zu treffen?"
  • 2:53 - 2:54
    Also sagte ich: "Ja, bitte."
  • 2:54 - 2:57
    So nahm ich also
    den Zug nach Broadmoor.
  • 2:57 - 3:01
    Ich begann um Kempton Park
    unkontrolliert zu gähnen,
  • 3:01 - 3:04
    was anscheinend Hunde tun,
    wenn sie ängstlich und nervös sind –
  • 3:04 - 3:06
    sie gähnen unkontrollierbar.
  • 3:06 - 3:07
    Und wir kamen in Broadmoor an.
  • 3:07 - 3:12
    Und ich wurde durch Tor und Tor,
    und Tor und Tor
  • 3:12 - 3:13
    ins Wellness Center geführt,
  • 3:13 - 3:15
    das der Ort ist, in dem man die
    Patienten treffen kann.
  • 3:15 - 3:19
    Es sieht aus wie ein
    riesiges Hampton Inn.
  • 3:19 - 3:23
    Es ist komplett pfirsich- und pinienfarben
    und in beruhigenden Farbtönen.
  • 3:23 - 3:28
    Und die einzigen starken Farben
    sind das Rot der Panikknöpfe.
  • 3:28 - 3:31
    Und die Patienten begannen
    langsam einzutreffen.
  • 3:31 - 3:36
    Und sie waren ziemlich übergewichtig
    und trugen Trainingshosen
  • 3:36 - 3:38
    und sahen sehr fügsam aus.
  • 3:38 - 3:40
    Und Brian der Scientologe
    flüsterte mir zu:
  • 3:40 - 3:42
    "Sie nehmen Medikamente",
  • 3:42 - 3:45
    was für die Scientologen, wie
    das größte Unheil der Welt ist,
  • 3:45 - 3:48
    aber ich dachte, dass es
    wahrscheinlich eine gute Idee ist.
  • 3:48 - 3:50
    (Gelächter)
  • 3:50 - 3:52
    Und dann sagte Brian:
    "Da ist Tony."
  • 3:52 - 3:54
    Und ein Mann betrat den Raum.
  • 3:54 - 3:58
    Und er war nicht übergewichtig,
    er war in sehr guter Form.
  • 3:58 - 4:00
    Und er trug keine Trainingshosen,
  • 4:00 - 4:03
    er trug einen Nadelstreifenanzug.
  • 4:03 - 4:05
    Und er hatte seinen Arm ausgestreckt,
  • 4:05 - 4:07
    wie jemand aus The Apprentice.
  • 4:07 - 4:10
    Er sah aus, wie ein Mann,
    der ein Outfit tragen wollte,
  • 4:10 - 4:14
    dass mich davon überzeugen sollte,
    dass er sehr bei Verstand war.
  • 4:14 - 4:16
    Und er setzte sich hin.
  • 4:16 - 4:19
    Und ich sagte: "Ist es also wahr,
    dass Sie sich hier hinein gefälscht haben?"
  • 4:19 - 4:22
    Und er sagte: "Ja, klar. Absolut.
    Ich habe jemanden verprügelt als ich 17 war.
  • 4:22 - 4:25
    Und ich war im Gefängnis,
    um meinen Prozess abzuwarten
  • 4:25 - 4:26
    und mein Zellengenosse sagte mir:
  • 4:26 - 4:28
    "Weißt du, was du tun musst?
  • 4:28 - 4:29
    Wahnsinn vortäuschen.
  • 4:29 - 4:33
    Sag ihnen, du seist verrückt. Du wirst
    zu irgendeinem bequemen
    Krankenhaus geschickt werden.
  • 4:33 - 4:35
    Krankenschwestern bringen dir Pizzen.
  • 4:35 - 4:37
    Du wirst deine eigene Playstation haben."
  • 4:37 - 4:39
    Also sagte ich: "Na dann,
    wie haben Sie es gemacht?"
  • 4:39 - 4:42
    Er sagte: "Ich habe nach dem
    Gefängnispsychiater gefragt.
  • 4:42 - 4:44
    Und ich hatte gerade erst den
    Film namens 'Crash' gesehen,
  • 4:44 - 4:48
    indem Leute sexuelle Befriedigung
    durch das Zertrümmern von Autos
    gegen Wände bekommen.
  • 4:48 - 4:49
    So sagte ich also zu dem Psychiater:
  • 4:49 - 4:53
    'Ich erhalte sexuelle Befriedigung
    durch das Zertrümmern
    von Autos gegen Wände.'"
  • 4:53 - 4:55
    Und ich sagte: "Was noch?"
  • 4:55 - 4:57
    Er sagte: "Oh, ja.
    Ich erzählte dem Psychiater,
  • 4:57 - 5:01
    dass ich Frauen beim
    Sterben zusehen wollte,
  • 5:01 - 5:03
    weil es mir ein Gefühl
    der Normalität geben würde."
  • 5:03 - 5:05
    Und ich sagte:
    "Wo hast du das denn her?"
  • 5:05 - 5:08
    Er sagte: "Oh, von einer
    Biographie von Ted Bundy,
  • 5:08 - 5:09
    die sie in der Gefängnisbücherei hatten."
  • 5:09 - 5:14
    Wie dem auch sei, er täuschte den
    Wahnsinn also zu gut vor, so sagte er.
  • 5:14 - 5:16
    Und sie sandten ihn nicht zu
    irgendeinem bequemen Krankenhaus.
  • 5:16 - 5:18
    Sie sandten ihn nach Broadmoor.
  • 5:18 - 5:20
    Und sofort als er dort ankam,
  • 5:20 - 5:23
    warf er einen Blick über den Ort,
    fragte nach dem Psychiater,
  • 5:23 - 5:24
    sagte: "Es gab ein schreckliches Missverständnis.
  • 5:24 - 5:27
    Ich bin nicht psychisch krank."
  • 5:27 - 5:29
    Ich sagte: "Wie lange bist du
    schon hier gewesen?"
  • 5:29 - 5:33
    Er sagte: "Nun ja, hätte ich nur meine Zeit in Haft
    für das ursprüngliche Verbrechen verbracht,
  • 5:33 - 5:35
    dann hätte ich fünf Jahre bekommen.
  • 5:35 - 5:41
    Ich bin seit zwölf Jahren in Broadmoor."
  • 5:41 - 5:45
    Tony sagte, dass es sehr viel schwerer ist,
    Leute davon zu überzeugen,
    dass man bei Verstand ist,
  • 5:45 - 5:47
    als sie davon zu überzeugen,
    dass man verrückt sei.
  • 5:47 - 5:49
    Er sagte: "Ich dachte, der beste Weg,
    um normal zu erscheinen,
  • 5:49 - 5:52
    wäre es mit Leuten normal
    über normale Dinge zu sprechen,
  • 5:52 - 5:54
    wie über Fußball oder darüber,
    was im Fernsehen läuft.
  • 5:54 - 5:56
    Ich abonnierte New Scientist
  • 5:56 - 5:58
    und neulich gab es diesen Artikel darüber,
  • 5:58 - 6:02
    wie die U.S. Armee Hummeln trainiert,
    um Bomben aufzuschnüffeln.
  • 6:02 - 6:03
    So sagte ich also zu einer Krankenschwester:
  • 6:03 - 6:06
    "Wussten Sie, dass die U.S. Armee
    Hummeln trainiert,
  • 6:06 - 6:08
    um Bomben aufzuschnüffeln?"
  • 6:08 - 6:09
    Als ich meine medizinischen
    Unterlagen durchging,
  • 6:09 - 6:11
    sah ich, dass sie geschrieben hatten:
  • 6:11 - 6:15
    "Glaubt, dass Bienen
    Bomben schnüffeln können.'"
  • 6:15 - 6:17
    Er sagte: "Wissen Sie,
    sie halten immer Ausschau
  • 6:17 - 6:20
    nach non-verbalen Hinweisen
    zu meinem mentalen Zustand.
  • 6:20 - 6:23
    Aber wie sitzt man
    auf eine geistig normale Weise?
  • 6:23 - 6:26
    Wie kreuzt man seine Beine
    auf eine geistig normale Weise?
  • 6:26 - 6:28
    Es ist einfach unmöglich."
  • 6:28 - 6:29
    Und als Tony mir das sagte,
  • 6:29 - 6:32
    dachte ich mir:
    "Sitze ich wie ein Journalist?
  • 6:32 - 6:36
    Kreuze ich meine Beine
    wie ein Journalist?"
  • 6:36 - 6:41
    Er sagte: "Wissen Sie, ich habe
    den Stockwell Würger auf der einen Seite
  • 6:41 - 6:45
    und den 'durch die Tulpen schleichenden'
    Vergewaltiger auf der anderen.
  • 6:45 - 6:48
    Ich neige also dazu, viel in meinem Zimmer zu bleiben,
    weil ich sie ziemlich furchteinflößend finde.
  • 6:48 - 6:51
    Und sie nehmen das
    als ein Zeichen des Wahnsinns.
  • 6:51 - 6:54
    Sie sagen, es beweist, dass ich
    distanziert und hochtrabend sei."
  • 6:54 - 6:58
    So wäre Broadmoor also der einzige Ort,
    an dem nicht mit Serienmördern abhängen zu wollen
  • 6:58 - 7:00
    ein Zeichen des Wahnsinns ist.
  • 7:00 - 7:03
    Wie dem auch sei, er erschien mir
    vollkommen normal – aber was wusste ich schon?
  • 7:03 - 7:07
    Und als ich nach Hause kam, schickte ich
    eine E-Mail an diesen Kliniker, Anthony Maden.
  • 7:07 - 7:08
    Ich sagte:"Was ist die Geschichte?"
  • 7:08 - 7:13
    Und er sagte: "Ja. Wir akzeptieren, dass Tony
    seinen Wahnsinn vorgetäuscht hat,
    um der Haftstrafe zu entgehen,
  • 7:13 - 7:18
    da seine Halluzinationen, die von Anfang an
    etwas klischeehaft erschienen,
  • 7:18 - 7:20
    sofort verschwanden,
    als er in Broadmoor ankam.
  • 7:20 - 7:22
    Trotzdem haben wir ihn eingeschätzt.
  • 7:22 - 7:27
    Und wir haben festgestellt,
    dass er ein Psychopath ist."
  • 7:27 - 7:29
    Und tatsächlich ist das
    Vortäuschen des Wahnsinns
  • 7:29 - 7:33
    genau die Art eines gerissenen und
    manipulativen Aktes eines Psychopathen.
  • 7:33 - 7:36
    Es ist auf der Checkliste:
    gerissen und manipulativ.
  • 7:36 - 7:38
    Das heißt also, dass Vorzutäuschen,
    sein Gehirn funktioniere falsch,
  • 7:38 - 7:41
    Beweis dafür ist, dass
    sein Gehirn falsch funktioniert.
  • 7:41 - 7:42
    Und ich sprach mit anderen Experten
  • 7:42 - 7:46
    und sie sagten, der Nadelstreifenanzug –
    klassischer Psychopath.
  • 7:46 - 7:48
    Stimmt mit Punkten eins und zwei
    auf der Checkliste überein –
  • 7:48 - 7:53
    Zungenfertigkeit, oberflächlicher Charme
    und ein übertriebenes Selbstwertgefühl.
  • 7:53 - 7:56
    Und ich sagte: "Nun ja, nur weil er nicht
    mit den anderen Patienten abhängen wollte?"
  • 7:56 - 8:00
    Typischer Psychopath – es spricht für Exzentrik
    und ebenfalls für einen Mangel an Empathie.
  • 8:00 - 8:04
    So waren also alle Dinge, die an Tony
    am normalsten erschienen sind,
  • 8:04 - 8:07
    Beweis dafür, laut seinem Kliniker,
  • 8:07 - 8:09
    dass er auf diese neue Art verrückt sei.
  • 8:09 - 8:11
    Er war ein Psychopath.
  • 8:11 - 8:12
    Und sein Kliniker sagte zu mir:
  • 8:12 - 8:14
    "Wenn Sie mehr über Psychopathen
    herausfinden wollen,
  • 8:14 - 8:17
    können Sie zu einem
    Psychopathen-Identifizierungskurs gehen,
  • 8:17 - 8:21
    der von Robert Hare geleitet wird,
    der die Psychopathen-Checkliste erfunden hat."
  • 8:21 - 8:22
    Und so tat ich dies.
  • 8:22 - 8:24
    Ich nahm an einem
    Psychopathen-Identifizierungskurs teil
  • 8:24 - 8:28
    und ich bin inzwischen ein zertifizierter –
  • 8:28 - 8:31
    und ich muss sagen,
    ein extrem erfahrener –
  • 8:31 - 8:33
    Psychopathen-Identifizierer.
  • 8:33 - 8:35
    Hier sind also die Statistiken:
  • 8:35 - 8:40
    Einer aus ein hundert normalen
    Leuten ist ein Psychopath.
  • 8:40 - 8:44
    Es sind 1.500 Leute in diesem Raum.
  • 8:44 - 8:50
    Fünfzehn von Ihnen sind Psychopathen.
  • 8:50 - 8:52
    Obwohl dieser Betrag auf vier Prozent
  • 8:52 - 8:55
    bei CEOs und Geschäftsführern steigt.
  • 8:55 - 8:58
    Also denke ich, dass eine
    sehr gute Chance besteht,
  • 8:58 - 9:03
    dass es etwa 30 bis 40 Psychopathen
    in diesem Raum gibt.
  • 9:03 - 9:05
    Es könnte bis zum Ende des
    heutigen Abends ein Gemetzel sein.
  • 9:05 - 9:09
    (Gelächter) (Lacht)
  • 9:09 - 9:14
    Hare sagt, dass dies der Fall ist, weil
    Kapitalismus in seiner skrupellosesten Form
  • 9:14 - 9:17
    psychopathisches Verhalten belohnt –
  • 9:17 - 9:22
    den Mangel an Empathie,
    die Zungenfertigkeit,
  • 9:22 - 9:24
    gerissen, manipulativ.
  • 9:24 - 9:27
    Tatsächlich ist der Kapitalismus
    in seiner unbarmherzigsten Form
  • 9:27 - 9:32
    eine physische Manifestation
    der Psychopathie.
  • 9:32 - 9:33
    Es ist wie eine Form der Psychopathie,
  • 9:33 - 9:38
    die uns alle beeinflusst.
  • 9:38 - 9:40
    Und Hare sagte mir: "Wissen Sie was?
    Vergessen Sie irgendeinen Typen in Broadmoor,
  • 9:40 - 9:42
    der vielleicht oder vielleicht auch nicht
    Wahnsinn vorgetäuscht hat.
  • 9:42 - 9:44
    Wen interessiert's?
    Das ist keine große Story.
  • 9:44 - 9:46
    Die große Story", so sagte er:
    "ist die Psychopathie der Konzerne.
  • 9:46 - 9:51
    Sie sollten losgehen und ein paar Unternehmenspsychopathen interviewen.
  • 9:51 - 9:54
    Also versuchte ich es.
    Ich schrieb den Leuten bei Enron.
  • 9:54 - 9:56
    Ich sagte: "Dürfte ich kommen
    und Sie im Gefängnis interviewen,
  • 9:56 - 9:58
    um herauszufinden,
    ob sie Psychopathen sind?"
  • 9:58 - 10:02
    Und sie antworteten nicht.
  • 10:02 - 10:04
    Also änderte ich meine Vorgehensweise.
  • 10:04 - 10:08
    Ich schrieb eine E-Mail an
    "Kettensägen Al" Dunlap,
  • 10:08 - 10:11
    den Anlagen-Abschneider der 1990er Jahre.
  • 10:11 - 10:16
    Er kam in schwächelnde Betriebe
    und entließ 30 Prozent der Arbeiterschaft,
  • 10:16 - 10:19
    verwandelte amerikanische Städte
    einfach so in Geisterstädte.
  • 10:19 - 10:20
    Und ich schrieb ihm eine E-Mail und sagte:
  • 10:20 - 10:22
    "Ich glaube, dass sie eventuell eine
    sehr besondere Gehirnanomalie haben,
  • 10:22 - 10:25
    die sie besonders macht
  • 10:25 - 10:29
    und Ihr Interesse an räuberischem
    Temperament und Furchtlosigkeit weckt.
  • 10:29 - 10:31
    Kann ich kommen und Sie bezüglich Ihrer
  • 10:31 - 10:33
    besonderen Gehirnanomalie interviewen?"
  • 10:33 - 10:36
    Und er sagte: "Kommen Sie vorbei."
  • 10:36 - 10:39
    So ging ich also zu Al Dunlaps
    riesiger Villa in Florida,
  • 10:39 - 10:44
    die mit Raubtier-Skulpturen gefüllt war.
  • 10:44 - 10:47
    Es gab Löwen und Tiger.
  • 10:47 - 10:48
    Er führte mich gerade durch den Garten.
  • 10:48 - 10:51
    Dort gab es Falken und Adler.
  • 10:51 - 10:52
    Er sagte zu mir:
    "Dort drüben sehen Sie Haie."
  • 10:52 - 10:55
    Er sagte dies auf eine
    weniger feminine Weise.
  • 10:55 - 11:01
    "Dort sehen Sie mehr Haie und dort Tiger."
  • 11:01 - 11:03
    Es war wie Narnia.
  • 11:03 - 11:06
    (Gelächter)
  • 11:06 - 11:09
    Und dann gingen wir in seine Küche.
  • 11:09 - 11:13
    Nun wurde Al Dunlap immer mit einbezogen,
    um schwächelnde Unternehmen zu retten.
  • 11:13 - 11:15
    Er entließ 30 Prozent der Arbeitskräfte.
  • 11:15 - 11:18
    Und er feuerte die Leute ziemlich oft
    Leute mit einem Witz.
  • 11:18 - 11:21
    Zum Beispiel – eine berühmte
    Geschichte über ihn –
  • 11:21 - 11:24
    jemand kam zu ihm und sagte:
    "Ich habe mir gerade ein neues Auto gekauft."
  • 11:24 - 11:26
    Und er sagte: "Sie mögen vielleicht
    ein neues Auto haben,
  • 11:26 - 11:32
    aber ich sage Ihnen mal,
    was Sie nicht haben, einen Job."
  • 11:32 - 11:35
    In der Küche also – er stand dort
    mit seiner Frau Judy,
  • 11:35 - 11:38
    und seinem Bodyguard Sean – und ich sagte:
    "Wissen Sie, wie ich in meiner E-Mail gesagt hatte,
  • 11:38 - 11:41
    dass Sie eventuell eine besondere
    Gehirnanomalie haben, die Sie besonders macht?"
  • 11:41 - 11:43
    Er sagte: "Ja, es ist
    eine erstaunliche Theorie.
  • 11:43 - 11:46
    Es ist wie Star Trek. Man geht dorthin,
    wo noch nie ein Mensch zuvor gewesen ist."
  • 11:46 - 11:54
    Und ich sagte: "Nun ja, manche
    Psychologen würden vielleicht sagen,
  • 11:54 - 11:57
    dass es Sie zu einem ..." (Nuschelt)
  • 11:57 - 11:59
    (Gelächter)
  • 11:59 - 12:00
    Und er sagte: "Zu einem was?"
  • 12:00 - 12:02
    Und ich sagte:
    "Zu einem Psychopathen."
  • 12:02 - 12:07
    Und ich fügte hinzu: "Ich habe eine Liste von psychopathischen Merkmalen in meiner Hosentasche.
  • 12:07 - 12:09
    Darf ich sie mit Ihnen durchgehen?"
  • 12:09 - 12:12
    Und er sah trotz allem interessiert aus
  • 12:12 - 12:13
    und er sagte: "Okay, fahren Sie fort."
  • 12:13 - 12:16
    Und ich sagte: "Okay.
    Exzentrisches Selbstwertgefühl."
  • 12:16 - 12:19
    Wozu ich sagen muss, dass es für ihn
    schwer gewesen wäre, dies zu leugnen,
  • 12:19 - 12:22
    da er unter einem riesigen
    Ölgemälde seiner selbst stand.
  • 12:22 - 12:27
    (Gelächter)
  • 12:27 - 12:30
    Er sagte: "Na ja, man muss
    an sich selbst glauben!"
  • 12:30 - 12:33
    Und ich sagte: "Manipulativ."
  • 12:33 - 12:36
    Er sagte: "Das ist Führungsverhalten."
  • 12:36 - 12:38
    Und ich sagte: "Schwacher Affekt:
  • 12:38 - 12:40
    ein Unvermögen, eine Reihe an
    Emotionen zu erfahren."
  • 12:40 - 12:43
    Er sagte: "Wer will denn schon
    von irgendwelchen unsinnigen Emotionen
    herunter gezogen werden?"
  • 12:43 - 12:46
    So ging er also die psychopathische
    Checkliste runter,
  • 12:46 - 12:49
    während er sie sozusagen in
    "Die Mäusestrategie für Manager" verwandelte.
  • 12:49 - 12:53
    (Gelächter)
  • 12:53 - 12:56
    Aber ich bemerkte etwas, das mit mir geschah,
    als ich an diesem Tag bei Al Dunlap war.
  • 12:56 - 12:58
    Wann auch immer er mir etwas sagte,
    das mehr oder weniger normal war –
  • 12:58 - 13:02
    zum Beispiel sagte er nein
    zu Jugendkriminalität.
  • 13:02 - 13:03
    Er sagte, er wurde bei
    West Point angenommen
  • 13:03 - 13:06
    und bei West Point werden
    keine Straftäter angenommen.
  • 13:06 - 13:09
    Er sagte nein zu mehreren
    kurz-ehelichen Beziehungen.
  • 13:09 - 13:11
    Er ist lediglich zwei Mal verheiratet gewesen.
  • 13:11 - 13:14
    Zugegebenermaßen führte seine erste Frau
    in ihren Scheidungspapieren an,
  • 13:14 - 13:16
    dass er sie einmal mit einem
    Messer bedroht habe
  • 13:16 - 13:19
    und sagte, dass er sich schon immer gewundert hatte,
    wie menschliches Fleisch schmeckt,
  • 13:19 - 13:23
    aber Leute sagen in schlechten Ehen,
    im Eifer des Gefechts, dumme Dinge zueinander
  • 13:23 - 13:26
    und seine zweite Ehe hält
    seit 41 Jahren.
  • 13:26 - 13:29
    Wann auch immer er mir also etwas sagte,
    das einfach un-psychopathisch erschien,
  • 13:29 - 13:33
    dachte ich mir selbst: "Na das werde
    ich wohl nicht in mein Buch schreiben."
  • 13:33 - 13:37
    Und dann wurde mir klar, dass
    der Vorgang des Psychopathen-Identifizierens
  • 13:37 - 13:40
    mich ein wenig psychopathisch
    gemacht hatte.
  • 13:40 - 13:45
    Weil ich ihn so verzweifelt in eine Kiste
    mit der Aufschrift Psychopath schieben wollte.
  • 13:45 - 13:50
    Ich habe verzweifelt versucht ihn anhand seiner
    verrücktesten Charakteristiken zu definieren.
  • 13:50 - 13:53
    Und mir wurde klar, oh mein Gott.
    Das ist es, was ich seit 20 Jahren getan habe.
  • 13:53 - 13:55
    Es ist das, was Journalisten tun.
  • 13:55 - 13:59
    Wir reisen durch die Welt mit unseren
    Notizblöcken in unseren Händen
  • 13:59 - 14:00
    und warten auf die Juwelen.
  • 14:00 - 14:05
    Und die Juwelen sind immer
    die äußersten Aspekte
  • 14:05 - 14:07
    der Persönlichkeit des Befragten.
  • 14:07 - 14:10
    Und wir nähen sie zusammen,
    wie mittelalterliche Mönche.
  • 14:10 - 14:14
    Und wir lassen das normale Zeug zurück.
  • 14:14 - 14:21
    Und dies ist ein Land, das zu oft bestimmte
    psychische Störungen überdiagnostiziert.
  • 14:21 - 14:24
    Bipolare Störung bei Kindern –
    Kinder gerade mal vier Jahre alt –
  • 14:24 - 14:26
    werden als bipolar abgestempelt,
  • 14:26 - 14:29
    weil sie Wutanfälle haben,
  • 14:29 - 14:33
    was sie hoch auf ihrer
    bipolaren Checkliste einordnet.
  • 14:33 - 14:37
    Als ich nach London zurückkam,
    rief Tony mich an.
  • 14:37 - 14:40
    Er sagte: "Wieso haben Sie nicht
    auf meine Anrufe geantwortet?"
  • 14:40 - 14:44
    Ich sagte: "Nun ja, man sagt,
    dass Sie ein Psychopath seien."
  • 14:44 - 14:46
    Und er sagte:
    "Ich bin kein Psychopath."
  • 14:46 - 14:49
    Er sagte: "Wissen Sie, einer der Punkte
    auf der Checkliste ist das Fehlen von Gewissensbisse,
  • 14:49 - 14:52
    aber ein weiterer Punkt auf der Checkliste
    ist gerissen und manipulativ.
  • 14:52 - 14:55
    Das heißt, wenn man sagt, dass man
    Gewissensbisse für seine Tat empfindet,
  • 14:55 - 14:57
    sagen sie: 'Typisch Psychopath,
  • 14:57 - 15:00
    zu sagen, dass er Gewissensbisse spürt,
    wobei er es eigentlich nicht tut.'
  • 15:00 - 15:03
    Es ist wie Hexerei.
    Sie drehen alles auf den Kopf."
  • 15:03 - 15:06
    Er sagte: "Ich habe bald ein Tribunal.
  • 15:06 - 15:08
    Werden Sie dazu kommen?"
  • 15:08 - 15:10
    Also sagte ich zu.
  • 15:10 - 15:13
    So ging ich zu seinem Tribunal.
  • 15:13 - 15:18
    Und nach 14 Jahren in Broadmoor,
    ließen sie ihn gehen.
  • 15:18 - 15:21
    Sie beschlossen, dass er nicht auf unbestimmte
    Zeit festgehalten werden sollte,
  • 15:21 - 15:24
    weil er bei einer Checkliste
    hoch abschneidet,
  • 15:24 - 15:29
    was vielleicht bedeutet, dass er mit
    überdurchschnittlicher Wahrscheinlichkeit
    rückfällig werden könnte.
  • 15:29 - 15:31
    Also ließen sie ihn gehen.
  • 15:31 - 15:33
    Und draußen im Flur sagte er zu mir:
  • 15:33 - 15:34
    "Wissen Sie was, Jon?"
  • 15:34 - 15:37
    Jeder ist ein wenig psychopathisch."
  • 15:37 - 15:41
    Er sagte: "Sie sind es. Ich bin es.
    Na ja, offensichtlich bin ich es."
  • 15:41 - 15:43
    Ich sagte:
    "Was werden Sie jetzt tun?"
  • 15:43 - 15:46
    Er sagte:
    "Ich werde nach Belgien gehen,
  • 15:46 - 15:48
    weil dort eine Frau ist,
    die ich gern mag.
  • 15:48 - 15:51
    Aber sie ist verheiratet, also werde ich sie
    von ihrem Ehemann trennen müssen."
  • 15:51 - 15:56
    (Gelächter)
  • 15:56 - 15:59
    Wie dem auch sei,
    das war vor zwei Jahren
  • 15:59 - 16:01
    und das ist, wo mein Buch endete.
  • 16:01 - 16:05
    Und die letzten 20 Monate lang
    war alles in Ordnung.
  • 16:05 - 16:07
    Nichts Schlimmes passierte.
  • 16:07 - 16:09
    Er lebte mit einem Mädchen
    außerhalb von London.
  • 16:09 - 16:11
    Er holte, laut Brian, dem Scientologen,
  • 16:11 - 16:15
    verlorene Zeit auf – was, wie ich weiß,
    ominös klingt,
  • 16:15 - 16:16
    aber nicht unbedingt ominös sein muss.
  • 16:16 - 16:19
    Unglücklicherweise, nach 20 Monaten,
  • 16:19 - 16:21
    ging er doch für einen Monat
    ins Gefängnis zurück.
  • 16:21 - 16:26
    Er ist in einen Aufruhr in einer
    Bar geraten, so nannte er es –
  • 16:26 - 16:28
    landete für einen Monat im Gefängnis,
  • 16:28 - 16:29
    was, wie ich weiß, schlimm ist,
  • 16:29 - 16:32
    aber wenigstens deutet der eine Monat an,
    dass, was immer der Aufruhr gewesen ist,
  • 16:32 - 16:35
    nicht all zu schlimm gewesen sein kann.
  • 16:35 - 16:38
    Und dann rief er mich an.
  • 16:38 - 16:42
    Und wissen Sie was, ich denke,
    dass es richtig ist, dass Tony draußen ist.
  • 16:42 - 16:46
    Weil man Menschen nicht nach ihren
    verrücktesten Ecken definieren sollte.
  • 16:46 - 16:50
    Und Tony ist ein Halb-Psychopath.
  • 16:50 - 16:55
    Er ist eine Grauzone in einer Welt,
    der keine Grauzonen gefallen.
  • 16:55 - 17:00
    Aber die Grauzonen sind die Orte,
    an denen man die Komplexität findet,
  • 17:00 - 17:03
    es ist, wo man die Menschlichkeit findet
  • 17:03 - 17:06
    und es ist, wo man die Wahrheit findet.
  • 17:06 - 17:08
    Und Tony sagte zu mir:
  • 17:08 - 17:12
    "Jon, könnte ich Ihnen einen Drink
    in einer Bar spendieren?
  • 17:12 - 17:15
    Ich möchte Ihnen einfach für all das danken, was Sie für mich getan haben."
  • 17:15 - 17:21
    Und ich bin nicht gegangen.
    Was hätten Sie getan?
  • 17:21 - 17:22
    Danke.
  • 17:22 - 17:39
    (Beifall)
Title:
Jon Ronson: Seltsame Antworten auf den Psychopathen-Test
Speaker:
Jon Ronson
Description:

Gibt es eine eindeutige Linie, die verrückt von gesund trennt? Mit einer haarsträubenden Vorstellung beleuchtet Jon Ronson, Autor von "The Psychopath Test" ("Die Psychopathen sind unter uns"), die Grauzonen zwischen den beiden. (Mit live gemischtem Sound von Julian Treasure und Animationen von Evan Grant.)

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Video Language:
English
Team:
closed TED
Project:
TEDTalks
Duration:
18:01

German subtitles

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