Was ist abstrakter Expressionismus? - Sarah Rosenthal

Ganze Lektion unter: http://ed.ted.com/lessons/could-just-anyone-make-a-jackson-pollock-painting-sarah-rosenthal

Wenn du ein Museum mit einer Sammlung moderner und zeitgenössischer Kunst besuchst, wirst du wahrscheinlich Werke sehen, die manchmal die Reaktion: "Meine Katze könnte das machen, also warum ist es Kunst?" hervorrufen. Aber stimmt das? Könnte jeder eines von Jackson Pollocks Drip-Paintings kreieren? Sarah Rosenthal taucht in die Bewegung des abstrakten Expressionismus ein und hofft, diese Frage zu beantworten.

Lektion von Sarah Rosenthal, Animation von Tomás Pichardo-Espaillat.

Wenn du ein Museum mit moderner
und zeitgenössischer Kunst besuchst,

siehst du wahrscheinlich Werke,
bei denen du manchmal denkst:

"Meine Katze könnte das machen,
warum also ist es Kunst?"

"Abstrakter Expressionismus",
auch als New Yorker Schule bekannt,

ruft diese Reaktion besonders oft hervor.

Der abstrakte Expressionismus begann 1943

und entfaltete sich nach Ende
des Zweiten Weltkriegs.

Charakteristisch für ihn sind
große, primär abstrakte Gemälde,

lückenlose Kompositionen
ohne klaren Blickpunkt

und weitläufige Streifen Farbe,
die Emotionen verkörpern und hervorrufen.

Zu seinen Künstlern zählen:

Barnett Newman, voll existentiellem Elan,

Willem de Kooning, bekannt für
seine travestierten Frauen,

Helen Frankenthaler,
die die Soak-Stain-Technik schuf,

und andere.

Aber der vielleicht bekannteste,
einflussreichste und verwirrendste

war Jackson Pollock.

Die meisten seiner Gemälde
sind sofort erkennbar.

Sie zeigen ein Gewirr von Farblinien,

die in jede Richtung des Bildes springen.

Diese Chaosfelder sind groß
und sicherlich beeindruckend,

aber was ist so toll an ihnen?

Hat er nicht einfach
Farbe zufällig getröpfelt?

Kann das nicht jeder?

Die Antwort auf diese Fragen
ist sowohl ja als auch nein.

Pollock benutzte eine Technik,
die eigentlich jeder anwenden kann,

unabhängig vom Können.

Aber nur er konnte seine Gemälde malen.

Dieses Paradoxon bezieht sich
auf die Wurzeln seiner Arbeit

in den surrealistischen automatischen
Zeichnungen André Massons und anderer.

Diese Surrealisten zeichneten angeblich
direkt aus dem Unterbewusstsein,

um die in ihrem Geist
versteckten Wahrheiten zu zeigen.

Manchmal ließen sie
ihre Hände automatisch malen,

anstatt sich etwas vorzustellen
und es dann zu zeichnen

und lockten später Figuren
aus dem Gekritzel heraus.

Pollock entfernte sich
von der Repräsentation

und fertigte Drip- oder Action-Bilder
unter einer ähnlichen Prämisse an,

obwohl er eine eigene Technik entwickelte

und nie nach versteckten Bildern
oder Botschaften suchte.

Zunächst nahm er die Leinwand von
der Staffelei und legte sie auf den Boden,

eine an sich subversive Handlung.

Dann ging er in einem
kontrollierten Tanz um die Leinwand

und tröpfelte Industrielack von Rührern
und anderen Werkzeugen auf sie,

wobei er Geschwindigkeit
und Richtung änderte,

um das Auftreffen der Farbe
auf die Leinwand zu kontrollieren.

Diese Bewegungen entstanden,
wie die surrealistischen Kritzel,

angeblich in Pollocks Unterbewusstsein.

Aber anders als die Surrealisten,

deren Bilder den verborgenen Inhalt
des Geistes abbildeten,

malte Pollock angeblich physische
Offenbarungen seiner Psyche.

Seine Bilder selbst sind
Signaturen seines Geistes.

Theoretisch kann jeder ein Bild malen,
das ein Abbild seines Geistes ist.

Warum also ist Pollock besonders?

Es ist wichtig sich daran zu erinnern,
dass zwar jeder tun könnte, was er tat,

er und der Rest der New Yorker Schule
aber die einzigen waren, die es taten.

Sie zerstörten die jahrhundertealten
Konventionen der Malerei

und zwangen die Kunstwelt dazu,
sie völlig zu überdenken.

Ein letzter Grund für die Bedeutung
von Jackson Pollocks Arbeit ist,

dass die von ihm angefertigten Objekte
faszinierende Widersprüche verkörpern.

Obowhl Pollocks Prozess

radikal flach bemalte
Oberflächen produzierte,

erzeugt das Netz der gemalten Linien
die Illusion einer unendlichen Tiefe,

wenn man sie aus der Nähe betrachtet.

Und das Chaos dieses Gewirrs
scheint aller Kontrolle zu trotzen,

ist aber das Produkt eines bewussten,

wenn auch nicht geplanten Prozesses.

Diese Charakteristika machten
Pollock zu einer Berühmtheit

und in der Kunstgeschichte

erhöhten sie ihn zu dem Mythos

des genialen Künstlers als Helden.

Anstatt das Spielfeld also für
alle kreativen Geister zu öffnen,

verstärkte seine Arbeit leider
den alten elitären Aspekt der Kunst.

Elitär,

innovativ,

wie auch immer man ihn nennt,

der abstrakte Expressionismus
hat eine Geschichte,

die keine Katze beanspruchen kann,
egal wie talentiert sie auch ist.