Von der Gefahr sich zu verstecken
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0:01 - 0:06Als ich jung war, war ich stolz darauf,
im konservativen US-Bundesstaat Kansas -
0:06 - 0:10jemand zu sein, der sich nicht anpasste.
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0:10 - 0:13Ich ging andere Wege als die Masse,
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0:13 - 0:16ich schreckte nicht vor verrückten
Modetrends oder Frisuren zurück, -
0:16 - 0:20ich nahm kein Blatt vor den Mund
und war sehr sozial. -
0:20 - 0:24Selbst die 16 Jahre alten
Bilder und Postkarten -
0:24 - 0:28von meinem Auslandssemester
in London zeigen, -
0:28 - 0:32dass es mir wirklich egal war, ob mich
andere komisch oder anders fanden. -
0:32 - 0:34(Lachen)
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0:35 - 0:39Doch als ich vor 16 Jahren
dort in London war, -
0:39 - 0:45entdeckte ich etwas an mir,
das wirklich einzigartig war. -
0:45 - 0:48Und das sollte alles verändern.
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0:49 - 0:53Ich wurde das genaue Gegenteil von dem,
was ich gedacht hatte zu sein. -
0:53 - 0:56Ich blieb zuhause, anstatt raus zu gehen.
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0:56 - 1:00Ich hörte auf, mich in Vereinen
und Gruppen zu engagieren. -
1:00 - 1:04Ich wollte nicht mehr auffallen.
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1:04 - 1:08Ich sagte mir, ich würde älter
und erwachsener werden, -
1:08 - 1:12und nicht plötzlich
nach Bestätigung suchen. -
1:12 - 1:15Ich dachte nämlich immer,
das bräuchte ich nicht. -
1:15 - 1:17Ich war ja immer etwas unkonventionell.
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1:18 - 1:19Aber jetzt verstehe ich,
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1:19 - 1:24dass genau der Moment, in dem ich
etwas anderes an mir entdeckte, -
1:24 - 1:29der Moment war, in dem ich begann,
mich zu verstecken und anzupassen. -
1:30 - 1:32Verstecken wird zur Gewohnheit.
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1:32 - 1:34Wenn man erst einmal anfängt,
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1:34 - 1:40wird es immer schwerer, da wieder heraus
zu kommen und die Wahrheit zu sagen. -
1:40 - 1:42Selbst jetzt,
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1:42 - 1:46als ich mit Leuten über diesen
Vortrag und seinen Inhalt sprach, -
1:46 - 1:48sagte ich ihnen nicht die Wahrheit
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1:48 - 1:51und dachte mir stattdessen
eine andere Geschichte aus. -
1:52 - 1:57Es ist also irgendwie bedeutsam
und ein wenig unheimlich, -
1:57 - 2:02dass ich nach 16 Jahren
hierher zurückgekehrt bin -
2:02 - 2:07und mir diese Bühne ausgesucht habe,
um endlich mit dem Verstecken aufzuhören. -
2:08 - 2:12Was habe ich 16 Jahre lang versteckt?
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2:14 - 2:18Ich bin lesbisch.
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2:18 - 2:23(Applaus)
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2:34 - 2:36Danke schön.
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2:36 - 2:39Ich habe mich schwer damit getan,
das laut zuzugeben, -
2:39 - 2:42weil ich mich nicht
darüber definieren will. -
2:42 - 2:44Jedes Mal, wenn ich überlegte,
die Wahrheit zu sagen, -
2:44 - 2:49wollte ich doch einfach nur,
dass man mich als Morgana kennt, -
2:49 - 2:52einfach nur Morgana, und nicht etwa als
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2:52 - 2:56"meine lesbische Freundin Morgana" oder
"homosexuelle Arbeitskollegin Morgana". -
2:56 - 2:59Einfach nur "Morgana".
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2:59 - 3:02Falls Sie aus großen Städten kommen,
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3:02 - 3:05halten Sie das vermutlich
für keine große Sache. -
3:05 - 3:08Es wirkt vielleicht komisch,
dass ich die Wahrheit -
3:08 - 3:11so lange geheim gehalten habe.
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3:11 - 3:16Aber ich war gelähmt vor Angst,
nicht akzeptiert zu werden. -
3:17 - 3:19Ich bin damit natürlich nicht alleine.
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3:19 - 3:24Eine Deloitte-Studie aus 2013 zeigt,
dass überraschend viele -
3:24 - 3:27Teile ihrer Persönlichkeit verstecken.
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3:27 - 3:31Von allen befragten Arbeitnehmern
gaben 61 % an, -
3:31 - 3:36etwas an ihrem Aussehen
oder Verhalten zu ändern, -
3:36 - 3:38um bei der Arbeit nicht aufzufallen.
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3:38 - 3:42Von allen homo- und
bisexuellen Arbeitnehmern -
3:42 - 3:47gaben 83 % an, etwas an sich zu ändern,
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3:47 - 3:52um nicht "zu schwul" zu wirken.
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3:52 - 3:55Die Studie zeigt, dass selbst in Firmen,
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3:55 - 3:59für die personelle Vielfalt
und Inklusion wichtig ist, -
3:59 - 4:02Angestellte damit Probleme haben,
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4:02 - 4:04sie selbst zu sein, da sie denken,
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4:04 - 4:08sich anzupassen sei langfristig
für die Karriere wichtig. -
4:08 - 4:13Ich war überrascht, dass neben mir
noch so viele andere -
4:13 - 4:17sehr viel Energie für das
Sich-Verstecken verschwenden. -
4:17 - 4:20Ich war schockiert, als ich herausfand,
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4:20 - 4:25dass mein Schweigen sogar
über Leben und Tod entscheiden -
4:25 - 4:28und langfristige soziale
Folgen haben kann. -
4:28 - 4:31Zwölf Jahre:
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4:31 - 4:38Um so viele Jahre ist die Lebenserwartung
von Bi- und Homosexuellen kürzer, -
4:38 - 4:41wenn sie in einer Gesellschaft leben,
die stark schwulenfeindlich ist, -
4:41 - 4:44verglichen mit einer
toleranten Gesellschaft. -
4:45 - 4:49Zwölf ganze Jahre weniger.
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4:49 - 4:52Als ich das dieses Jahr in
der Zeitschrift "The Advocat" las, -
4:52 - 4:56wurde mir klar, dass ich nicht
länger schweigen konnte. -
4:56 - 4:59Die Auswirkungen von Stress
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4:59 - 5:03und sozialen Stigmata
sind eine tödliche Kombination. -
5:05 - 5:08Die Studie belegt, dass Homosexuelle
in Anti-Schwulen-Gesellschaften -
5:08 - 5:14öfter unter Herzkrankheiten und Gewalt
leiden und sogar öfter Selbstmord begehen. -
5:14 - 5:17Was ich erst als persönliches
Problem gesehen hatte, -
5:17 - 5:19hatte in Wahrheit Auswirkungen
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5:19 - 5:22vom Arbeitsplatz bis in die Gesellschaft,
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5:22 - 5:25für alle, denen es so geht wie mir.
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5:25 - 5:29Die Entscheidung, mein
wahres Ich zu verbergen, -
5:29 - 5:32hat vielleicht unabsichtlich sogar
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5:32 - 5:36zu genau dieser Atmosphäre der
Diskriminierung beigetragen. -
5:36 - 5:42Ich habe mir immer gesagt,
es gäbe keinen Grund mich zu outen. -
5:42 - 5:46Doch wirklich bewusst wurden mir
die sozialen Folgen davon -
5:46 - 5:51erst in diesem Jahr,
als ich eine Chance verpasste, -
5:51 - 5:54etwas an einer Atmosphäre
der Diskriminierung -
5:54 - 5:57in meinem eigenen
Heimatstaat Kansas zu verändern. -
5:57 - 6:02Im Februar schlug das Repräsentantenhaus
einen Gesetzesentwurf zur Abstimmung vor, -
6:02 - 6:07der es Unternehmen erlaubt hätte,
aufgrund von Religionsfreiheit -
6:07 - 6:11Homosexuellen Dienstleistungen
zu verweigern. -
6:13 - 6:17Der Vater einer früheren
Kollegin und Freundin -
6:17 - 6:21ist Mitglied im
Repräsentantenhaus von Kansas. -
6:21 - 6:26Er hat für den Entwurf gestimmt,
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6:26 - 6:33für ein Gesetz, das Unternehmen erlaubt,
mir ihre Dienstleistungen zu verweigern. -
6:35 - 6:36Was denkt meine Freundin
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6:36 - 6:42über Bi-, Trans- und Homosexuelle,
über kritische Menschen? -
6:42 - 6:45Wie denkt ihr Vater darüber?
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6:45 - 6:50Ich weiß es nicht, weil ich ihnen nie
die Wahrheit über mich erzählt habe. -
6:50 - 6:54Und das schockiert mich zutiefst.
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6:54 - 6:57Was wäre, wenn ich es ihr
vor Jahren erzählt hätte? -
6:57 - 7:00Hätte sie ihrem Vater
meine Erfahrungen erzählen können? -
7:00 - 7:05Hätte ich eventuell seine Wahl verändert?
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7:05 - 7:07Das werde ich nie wissen.
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7:07 - 7:10Und genau das hat mir klar gemacht,
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7:10 - 7:14dass ich nichts getan habe,
um etwas zu verändern. -
7:15 - 7:17Wie ironisch ist es,
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7:17 - 7:20dass ich in der Personalabteilung arbeite,
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7:20 - 7:24wo es darauf ankommt,
Menschen zusammenzubringen, -
7:24 - 7:27ihre berufliche Entwicklung zu fördern,
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7:27 - 7:32Vielfalt in der Gesellschaft
und am Arbeitsplatz zu unterstützen, -
7:32 - 7:36und ich doch nichts getan habe,
um genau diese Vielfalt zu fördern? -
7:37 - 7:42Als ich vor einem Jahr dort
angefangen habe, dachte ich, -
7:42 - 7:45dieses Unternehmen hat
Anti-Diskriminierungsrichtlinien, -
7:45 - 7:49die homo-, bi- und transsexuelle
Menschen schützen. -
7:49 - 7:54Dieses Unternehmen setzt sich mit
seinen Programmen offen für Vielfalt ein. -
7:54 - 8:00Wenn ich hier arbeite,
werde ich endlich die Wahrheit sagen. -
8:01 - 8:03Aber das habe ich nicht.
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8:03 - 8:06Anstatt meine Chance zu nutzen,
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8:06 - 8:10habe ich nichts getan.
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8:20 - 8:26(Applaus)
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8:28 - 8:32Als ich mir noch einmal
mein Tagebuch und die Bilder -
8:32 - 8:35aus London vor 16 Jahren angeschaut habe,
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8:35 - 8:40fand ich ein abgewandeltes Zitat
aus Toni Morrison's Buch "Paradies". -
8:42 - 8:46"Im Inneren gibt es
unheimlichere Dinge als draußen." -
8:46 - 8:49Und darunter schrieb ich:
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8:49 - 8:51"Merk dir das."
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8:52 - 8:57Ich denke, ich wollte mich damit
motivieren, London zu erkunden. -
8:57 - 9:04Aber ich übersah die Botschaft,
mich selber zu erforschen und anzunehmen. -
9:04 - 9:08Ich habe erst viele Jahre
später verstanden, -
9:08 - 9:12dass die größten Hürden für mich
-
9:12 - 9:16meine eigenen Ängste
und Unsicherheiten sind. -
9:16 - 9:20Wenn ich mich meinen
inneren Ängsten stelle, -
9:20 - 9:24kann ich die Wirklichkeit
draußen verändern. -
9:25 - 9:28Heute habe ich mich entschieden,
-
9:28 - 9:34den Teil von mir preiszugeben,
den ich zu lange versteckt habe. -
9:34 - 9:39Ich hoffe, ich werde mich
nie wieder verstecken -
9:39 - 9:45und ich hoffe, dass ich durch
mein Outing heute Statistiken verändern -
9:45 - 9:52und anderen helfen kann, zu sich selbst
zu stehen und erfüllter zu leben, -
9:52 - 9:56sowohl bei der Arbeit
als auch im Privaten. -
9:56 - 9:59Danke schön.
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9:59 - 10:05(Applaus)
- Title:
- Von der Gefahr sich zu verstecken
- Speaker:
- Morgana Bailey
- Description:
-
Morgana Bailey hat ihr wahres Ich 16 Jahre lang geheim gehalten.
In diesem mutigen Vortrag sagt sie nun die Worte, die für andere nicht außergewöhnlich sein mögen, aber sie lange gelähmt haben. Sie hat verstanden, dass ihr Schweigen persönliche, berufliche und gesellschaftliche Folgen hat. Vor einem Publikum, in dem ihre Arbeitskollegen sitzen, erzählt sie, was Angst vor der Bewertung durch andere bedeutet, und wie wir uns in Folge selbst bewerten. - Video Language:
- English
- Team:
- closed TED
- Project:
- TEDTalks
- Duration:
- 10:22
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