Wie wäre es, wenn ich Ihnen
eine Geschichte erzählen könnte,
an die Sie sich mit Ihrem ganzen Körper
und nicht nur mit Ihrem
Verstand erinnern würden?
Mein ganzes Journalistendasein
wollte ich Geschichten erzählen,
die einen Unterschied machen
und Leute dazu inspirieren,
sich Gedanken zu machen.
Ich arbeitete bei den Printmedien,
machte Dokumentarfilme.
Ich arbeitete beim Rundfunk.
Aber erst als ich mit Virtual Reality
arbeitete, sah ich,
dass die Menschen wirklich intensiv
und authentisch reagierten.
Das haute mich um.
Mit VR, Virtual Reality, kann ich Sie
in die Mitte des Geschehens setzen,
mitten in die Handlung.
Mit diesen Schutzbrillen, die alles
verfolgen, was Sie sich anschauen,
erhalten Sie dieses Ganzkörpergefühl,
als seien Sie tatsächlich dabei.
Vor ungefähr fünf Jahren
ging ich damit an die Grenze
und vereinte Journalismus
mit Virtual Reality.
Ich wollte etwas über
das Thema "Hunger" machen.
In den USA gibt es Familien, die hungern.
Essenstafeln sind überfordert
und haben oft nichts mehr anzubieten.
Das Hungergefühl
konnte ich nicht erzeugen,
aber vielleicht konnte ich sie
etwas im Körper spüren lassen.
Das war vor 5 Jahren --
da war die Kombination
von Journalismus und Virtual Reality
noch eine unausgegorene Idee,
und ich konnte es nicht finanzieren.
Glauben Sie mir,
viele Kollegen lachten mich aus.
Aber ich hatte
eine großartige Praktikantin,
ihr Name ist Michaela Kobsa-Mark.
Zusammen suchten wir Essenstafeln auf,
nahmen die Leute auf
und fotografierten sie.
Eines Tages kam sie zurück ins Büro
und war ganz aufgelöst, sie weinte.
Sie filmte eine lange Warteschlange,
wo eine Frau, die die Schlange bedienen
musste, vollkommen überfordert war.
Sie schrie: "Das sind zu viele Menschen!
Das sind zu viele!"
Ein Diabetiker erhielt sein Essen
nicht rechtzeitig,
sein Blutzucker sank zu stark ab,
er kollabierte und fiel ins Koma.
Als ich dieses Audio hörte, wusste ich,
dass diese Aufnahme
ein aufrüttelndes Beispiel
für die Realität an
den Essenstafeln sein würde.
Hier ist die tatsächliche Schlange.
Man sieht, wie lang sie war.
Wie ich bereits sagte --
wir hatten kein großes Budget.
Ich musste die Szene mit virtuellen
Menschen nachspielen lassen.
Es war ein Geben und ein Nehmen, damit ich
die Menschenmodelle herstellen konnte,
um die Sachen so wahrheitsgetreu
wie möglich zu nachzustellen.
Dann versuchten wir
genauestens zu vermitteln,
was an dem Tag passiert war.
(Video) Stimme: Da sind zu viele Menschen!
Das sind zu viele!
Stimme: Okay, er hat einen Anfall.
Stimme: Wir brauchen einen Krankenwagen.
Nonny de la Peña: Der Mann rechts,
er geht um den Menschen herum.
Er ist gerade da bei diesem Menschen,
nah an seinen Füßen.
Obwohl er durch
seine periphere Sicht weiß,
dass er in einem virtuellem Raum ist,
dass er eigentlich nicht gerade
da auf der Straße ist,
fühlt er sich so, als wäre er dort
mit diesen Menschen.
Er ist sehr vorsichtig, um nicht
auf diesen Mann zu treten,
der ja gar nicht da ist -- wohlgemerkt.
Dieser Film lief 2012
beim Sundance Festival.
Das war erstaunlich; es war
der 1. Film mit Virtual Reality --
der erste überhaupt.
Als wir ihn präsentierten,
war ich sehr nervös.
Ich wusste nicht,
wie die Leute reagieren würden,
was passieren würde.
Wir präsentierten uns
mit diesen paar Schutzbrillen
(Video) Oh, du weinst ja. Gina, du weinst.
Sie hören die Überraschung
in meiner Stimme.
Dieses Überraschtsein erlebten wir
immer und immer wieder:
Die Leute wollten dem Ohnmächtigen helfen,
ihm etwas ins Ohr flüstern
oder helfen, obwohl sie wussten,
dass es nicht ging.
Viele Menschen kamen aus
dem Film heraus und meinten:
"Mensch, ich war so frustriert,
weil ich ihm nicht helfen konnte",
und nahmen das mit in ihr Leben.
Nach diesem Film
schlug der Leiter der Filmschule der USC,
Universität of Southern Calfornia,
den Leitern des Weltwirtschaftsforum
das Thema "Hunger" vor;
er nahm seine Schutzbrille ab
und ordnete auf der Stelle
einen Film über Syrien an.
Ich wollte unbedingt etwas über
syrische Flüchtlingskinder machen,
denn sie sind die Leidtragenden
dieses Bürgerkrieges.
Ein Team ging an die irakische Grenze,
um in Flüchtlingslagern zu filmen.
Dort würde ich sie heutzutage
nicht mehr hinschicken.
Von dort aus operiert der IS.
Dann stellten wir eine Straßenszene nach,
in der ein kleines Mädchen singt
und plötzlich eine Bombe explodiert.
Wenn Sie mitten in diesem Szenario sind,
diesen Knall hören
und überall die Verletzten sehen,
ist das sehr furchterregend und real.
Einige, die bei realen Bombardierungen
dabei waren, sagten,
dass das gleiche Angstgefühl
hervorgerufen wird.
[Der Bürgerkrieg in Syrien
ist vielleicht sehr weit weg,]
[bis Sie ihn selbst erleben.]
(Mädchen singt)
(Explosion)
[Das Syrienprojekt]
[Eine Virtual-Reality-Erfahrung]
NP: Danach lud man uns ein,
den Film im "Victoria and Albert Museum"
in London zu zeigen.
Es gab dafür keine Werbung.
Man wies uns den Tapetensaal zu.
Wir hatten keine Presse.
Es kamen also nur Leute vorbei,
die sich zufällig im Museum befanden,
sie sahen uns und diese komischen Lichter.
Vielleicht wollten sie
die Geschichte der Tapeten sehen.
Sie wurden aber mit unseren
Virtual-Reality-Kameras konfrontiert.
Aber viele Leute ließen sich drauf ein.
Nach einer fünftägigen Vorführung
erhielten wir in unserem Gästebuch
54 Seiten voller Kommentare.
Die Kuratoren teilten uns mit,
dass sie niemals so eine
Resonanz erfahren haben.
Sie sagten Dinge wie: "Es ist so real",
"Absolut glaubhaft",
oder dieses, das mich besonders berührte:
"Ein reales Gefühl, als wär man
mitten in den Geschehnissen,
die man sonst nur
in den Nachrichten sieht."
Es funktioniert also.
Der Stoff funktioniert.
Es ist egal, wie alt oder woher Sie sind.
Es ist aufrüttelnd.
Verstehen Sie mich nicht falsch.
Ich sage nicht, dass Sie im Film
nicht wissen, dass Sie hier sind.
Aber es fühlt sich so an,
als wären wir an 2 Orten gleichzeitig.
Wir haben eine Dualität der Gegenwart
und das ermöglicht Mitgefühl.
Nicht wahr?
Das bedeutet natürlich,
dass ich bei der Arbeit an diesen Filmen
sehr vorsichtig sein muss.
Sie müssen den besten journalistischen
Vorgaben entsprechen,
und ich muss sicherstellen, dass
diese eindringlichen Geschichten
mit Integrität hergestellt werden.
Wenn wir das Filmmaterial
nicht selber aufnehmen,
müssen wir sehr genau überprüfen,
woher das Material stammt
und ob es echt ist.
Ich gebe Ihnen ein Beispiel.
Nehmen wir den Fall von
Trayvon Martin, ein Junge, er war 17.
Er kaufte sich Limonade und Süßigkeiten
und auf seinem Heimweg wurde er
von einem Polizisten verfolgt,
der Georg Zimmermann heißt,
der auf ihn schoss und ihn tötete.
Um diesen Film zu machen,
besorgten wir uns Architekturpläne
des gesamten Komplexes
und bauten auf deren Grundlage
das Szenario innen wie außen nach.
Die ganzen Ereignisse
basieren auf den real eingegangenen
Anrufen bei der Polizei.
Interessanterweise konnten wir damit
einiges Licht ins Dunkle bringen.
Primeau Productions,
die Gerichtsmediziner,
die den Ton rekonstruierten, sagen,
sie könnten bezeugen,
dass George Zimmermann
seine Waffe bereits anlegte, als er aus
dem Wagen stieg und Trayvon verfolgte.
Die Grundsätze des Journalismus
bleiben also hier erhalten,
sie ändern sich nicht.
Wir folgen den gleichen
Prinzipien wie immer.
Anders ist dieses Gefühl,
mittendrin zu sein,
ob sie beobachten, dass ein Mann
in Ohnmacht fällt, weil er Hunger hat,
oder ob Sie sich mitten in einer
Bombenexplosion befinden.
Das hat mich also dazu bewegt,
mit diesen Filmen weiterzumachen
und darüber nachzudenken,
wie man sie weiterentwickeln kann,
über das Headset hinaus --
mobile Filme wie der über Trayvon Martin.
Diese Sachen beeinflussen tatsächlich.
Amerikaner haben mir erzählt,
dass sie danach
Geld für syrische Flüchtlingskinder
überwiesen hätten.
"Hunger in LA" trägt dazu bei,
dass ein neues
Journalismusformat entsteht,
das in der Zukunft zu all den anderen
Formaten hinzu kommen wird.
Danke.
(Applaus)