Das beste Weihnachten meiner Kinder war zugleich das schlimmste für mich und meinen Mann. Die 7-jährige Elizabeth und ihr 5-jähriger Bruder Ian wussten nicht, wieso sie alles bekamen, was sie sich gewünscht hatten. Der Weihnachtsmann war so großzügig, weil mein Mann Pat und ich etwas wussten, das die Kinder nicht verstanden. Etwas Beängstigendes, das wir gerade erfahren hatten. Das war im Jahr 1994, aber die Geschichte fängt einige Jahre vorher an. Ein paar Jahre lang hatte ich einen Ausschlag auf Elizabeths Hals bemerkt, der wie Hitzepickel aussah. In den selben Jahren starben mein Vater und Bruder an Krebs und ich war wohl überängstlich, was Krankheiten anging. Die Ärzte sagten, es sei nichts Schlimmes, kein Grund zur Sorge. Aber ich war nicht sicher. Ohne Überweisung und auf eigene Kosten ging ich mit Elizabeth zum Hautarzt. Wahrscheinlich war sie nur gegen etwas allergisch, aber wieso erschien der Ausschlag nur an den Seiten ihres Halses? Es war zwei Tage vor Weihnachten im Jahre 1994 und der Hautarzt schaut kurz auf ihren Hals und sagt: "Sie hat Pseudoxanthoma Elasticum". Und dann schaltet er das Licht aus und schaut in ihre Augen. Rein durch Zufall war der Hautarzt auch ein Augenarzt. Unser Glückstag. Mir ist flau im Magen. "-oma?" "-om" wie in Melanom oder Lymphom – Krebs. "Wieso schauen Sie in ihre Augen wegen eines Ausschlags?" Ich schreie lautlos. Da haben wir es. Elizabeth hat Pseudoxanthoma Elasticum. Kurz PXE. Fragen vermischen sich mit Angst und kommen hoch wie Galle in meinem Hals. Wieso schauen Sie in ihre Augen? Was wissen Sie darüber? Wieso sind Sie sich da sicher? Wie sieht die Prognose aus? Darauf hatte mich meine Ausbildung als Seelsorgerin nicht vorbereitet. Dr. Bercovitch erzählt uns alles, was er über PXE weiß: "Es ist eine seltene genetische Störung. Sie ist systemisch, eine langsam fortschreitende Krankheit des vorzeitigen Alterns. Sie verursacht schlaffe und faltige Haut im Bereich der Beugemuskeln. Sie verursacht teilweise Erblindung, ähnlich der Makuladegeneration, und eine Menge Herz-Kreislauf-Probleme. Es ist wenig bekannt über die Krankheit. Einige Personen sterben um die 30, sagen einige Berichte." Dann schaut er unseren Sohn an und sagt: "Er hat es auch." Wir würden am liebsten zurück in die Normalität flüchten. Zwei Tage nach Weihnachten kommen zwei Forscher einer Universität in Boston und nehmen uns und unseren Kindern Blut ab, weil sie in ihrem Projekt das Gen finden wollen. Ein paar Tage später kommen Forscher eines Zentrums in New York und auch sie wollen unser Blut. "Das sind Kinder. Sie sind fünf und sieben Jahre alt. Nicht noch einen Nadelstich. Holen Sie sich Ihren Teil von den anderen Forschern." Sie lachen ungläubig. "Teil?" Wir merken, dass in der biomedizinischen Forschung wenig geteilt wird. Genau dieser Moment setzte mich und meinen Mann Pat in Bewegung. Wir gingen in eine Bibliothek der Medizin-Uni und kopierten jeden Artikel, den wir über PXE finden konnten. Wir verstanden kein Wort. Wir kauften medizinische Wörter- und Lehrbücher und lasen alles, was wir finden konnten. Wir verstanden noch nicht, aber entdeckten Muster. Nach einem Monat wussten wir, dass es keine systematischen Anstrengungen gab, PXE zu verstehen. Der Mangel an Austausch, den wir erlebten, war allgegenwärtig. Forscher konkurrierten miteinander, weil die Forschungswelt Wettbewerb belohnt, statt Leiden zu verhindern. Wir stellten fest, dass wir selber an diesem Zustand arbeiten mussten, um Lösungen für uns und andere wie uns zu finden. Aber wir stießen auf zwei große Hürden. Die erste: Pat und ich sind keine Wissenschaftler. Damals war er Leiter einer Baugesellschaft und ich eine ehemalige Schulseelsorgerin, Hausfrau und Mutter. Wohl kaum Voraussetzungen, um die Forschungswelt im Sturm zu erobern. Die zweite Hürde: Forscher teilen nicht. Man sagte uns, dass man Katzen nicht hüten kann. Klar kann man. Wenn man ihr Futter bewegt. (Lachen) (Applaus) DNA und klinische Daten sind das Futter. Also sammelten wir Blut und medizinische Daten. Und alle Forscher, die diese Ressourcen nutzten, mussten ihre Ergebnisse untereinander und mit den Spendern teilen. Lange vor der täglichen Nutzung des Internets gründeten Pat und ich PXE International. Eine Gesellschaft zur Förderung der PXE-Forschung und Unterstützung von Personen mit der Krankheit. Traditionelle Medien nutzend vereinten wir circa 100 bis 150 Personen weltweit. Wir fragten, ob sie uns Blut-, Gewebeproben, medizinische Daten und Akten spenden würden. Wir vereinten all diese Daten. Wir merkten schnell, dass diese geteilten Ressourcen nicht ausreichen. Da entschieden wir uns für intensive Grundlagenforschung. Intensive Forschungsarbeit. Wir mieteten einen Platz in einem Harvard-Labor. Eine wunderbare Nachbarin kam ein paar Mal in der Woche und blieb bei den Kindern, von acht Uhr abends bis zwei Uhr morgens. Pat und ich extrahierten DNA, ließen Gele laufen, bewerteten sie und suchten nach dem Gen. Großzügige Doktoranden gaben uns dabei Nachhilfe. In ein paar Jahren fanden wir das Gen. Wir ließen es patentieren, damit es frei verfügbar ist. Wir entwarfen einen Diagnosetest und bildeten eine Forschungsgruppe. Wir organisierten Treffen und eröffneten ein Kompetenzzentrum. Weltweit fanden wir mehr als 4 000 Personen mit PXE und führten Patiententreffen, klinische Tests und Studien durch. Während alldem lebten wir mit Angst. Die Angst saß uns wie die Faust im Nacken, während die Zeit lief. Angst vor Forschern, die qualifiziert und platziert in einer für sie geschaffenen Welt arbeiteten. Angst, dass wir die falschen Entscheidungen trafen. Angst, dass die Neinsager recht hatten, und dass die Katzen einfach ein anderes Futter finden würden. Aber unser Antrieb war größer als die Angst. Wir wollten Veränderungen für unsere Kinder und alle anderen. Und sehr schnell bemerkten wir: Was wir für eine Krankheit tun, sollten wir für alle Krankheiten tun. Wir schlossen uns Genetic Allliance an und ich leitete schließlich dieses Netzwerk von Gesundheits- und Patientenvertretungen, Forschungs- und Gesundheitsgruppen. Wir erstellten skalier- und erweiterbare Ressourcen wie Biobanken, Hilfsregister- und verzeichnisse für alle Krankheiten. Als ich mehr über diese Krankheiten und Interessenvertretungen lernte, entdeckte ich zwei Geheimnisse im Gesundheitswesen, die mich sehr beeinflusst haben. Das erste: Es gibt keine fertigen Antworten für Leute wie meine Kinder oder für alle, mit denen ich arbeitete – ob mit gängigen oder seltenen Krankheiten. Das zweite Geheimnis: Wir könnten unser Problem lösen, wenn wir alle unsere Daten, unsere biologischen Proben und letztendlich uns selbst spenden. Langsam werden es mehr und mehr Personen, die an Veränderungen arbeiten. Laienwissenschaftler, Aktivisten und selbststudierende Experten benutzen Auslagerung und Wissenschaft zum Selbermachen, um Spielregeln zu ändern. Selbst Präsident Obama und Vizepräsident Biden befürworten es, wenn die Bevölkerung in der Forschung mitwirkt. Das ist ein Grundprinzip unserer Organisation. Klar ist es schwer, Interventionen und Therapien zu entdecken und zu entwickeln. Der wissenschaftliche Teil ist schwer. Die Regulierungsbedingungen sind komplex. Es gibt viele Interessengruppen, die viele Interessen vertreten. Es gibt falsch ausgerichtete Initiativen, Publikationen, Förderungen und Ansprüche. Ich verurteile Wissenschaftler auf diesem Weg nicht, aber ich fordere sie heraus, es anders zu machen um herauszufinden, dass Menschen im Mittelpunkt stehen. Genetic Alliance versucht, diese maroden Systeme zu verändern. Unser Ziel ist es, ohne Grenzen zu arbeiten. Das hört sich abstrakt an, ist aber von ganz praktischer Natur. Wenn wir frustriert sind, weil Organisationen Daten von Personen nicht teilen wollen, die Energie, Zeit, Blut und Tränen investiert haben, müssen wir aufhören und fragen: "Warum könnten wir teilen, tun es aber nicht?" Wir sind auch Teil des Systems. Was können wir tun, damit Personen ihre Daten frei austauschen können? Damit Personen etwas riskieren und sich annähern können? Dies führt zur Auflösung der Grenzen zwischen "uns" und "ihnen", nicht nur in Bezug auf Organisationen, sondern auch auf Einzelpersonen. Wenn ich Organisationen oder Personen bitte, diesen Ansprüchen gerecht zu werden, muss ich auch mich selbst und meine Vorgehensweisen prüfen. Wenn ich Kliniker, Forscher und Verwalter auffordere, Risiken einzugehen, muss ich auch Risiken eingehen. Ich muss meine Ängste konfrontieren. Meine Angst, nicht genug Auswirkung zu haben. Meine Angst, nicht gut zu leiten. Meine Angst, nicht ausreichend zu sein. Kurz vor dem Teenageralter überraschten uns unsere Kinder hiermit: "Hört auf damit, einen Unterschied zu machen oder Wirkung zeigen zu wollen. Lernt, wie wir, mit PXE zu leben, anstatt es bekämpfen zu wollen." Ich muss mich fragen, woher all meine Angst kommt. Die Erklärung der Kinder macht deutlich, woher meine Angst kommt. Sie ergibt sich aus der Liebe, die ich für Elizabeth und Ian fühle. Ich liebe Menschen mit PXE und mit ganz egal welcher Krankheit. Ich liebe Menschen. Meine Kollegen entdeckten, dass wir nicht den Tod fürchten, sondern das ungeheure Ausmaß der Liebe. Weitreichende Liebe macht mich zum Ziel großen Leidens. Ich begegne Verlusten. Während ich meine Ängste entdecke, entdecke ich, dass ich, und alle um mich herum, zu grenzenloser Liebe fähig sind. Und ich entdecke auch, wenn ich die Angst erforsche, lassen sich viele neue Dinge und neue Wege finden. Sie führen mich zu praktischen Lösungen, Heilung und Gesundheit. Ich fürchte mich nicht mehr als damals. Mit großer Unterstützung all meiner Mitstreiter erkenne ich, dass der frühere Zustand keine Warnung war. Stattdessen ist er eine Einladung, vorwärts zu schreiten, um den Weg zu größerer Liebe zu erkennen, der in ihm liegt. Wenn ich der Angst mit sanfter Güte gegenübertrete, finde ich in mir und in anderen großen Reichtum. Ich finde die Fähigkeit, große Herausforderungen anzunehmen. Meine Kinder sind mir voraus auf diesem Weg. Mit 29 und 27 Jahren seien sie gesund und glücklich, auch wenn PXE ihre Haut, Augen und Arterien beeinflusst. Deshalb lade ich Sie und uns dazu ein, der Angst in die Augen zu sehen. Umarmen wir die Dinge, die uns Angst machen, um die Liebe im Zentrum zu entdecken. Dort finden wir nicht nur uns selbst, sondern können uns in die hineinversetzen, vor denen wir uns fürchten und in die, die vor uns Angst haben. Wenn wir die Angst zulassen und uns verletzlich machen für Ordnungen und Menschen, die uns herausfordern, steigert sich unsere Kraft für Veränderungen. Wenn wir merken, dass am Inneren zu arbeiten auch Äußeres verändert, und dass innere Arbeit äußere Arbeit darstellt, nehmen wir in Angriff, was wichtig ist und viel Mist wird erledigt. (Lachen) Zusammenarbeit kennt keine Grenzen. Vielen Dank. (Applaus)