Im Jahr 1885 erfand Carl Benz das Automobil. Noch im gleichen Jahr unternahm er die erste öffentliche Testfahrt und fuhr gegen eine Wand. Seit 130 Jahren versuchen wir, das Unzuverlässigste an einem Auto zu umgehen: den Fahrer. Autos sind jetzt stabiler, wir haben Gurte und Airbags eingebaut. In den letzten Jahren haben wir versucht, das Auto selbst intelligenter zu machen, um das Problem "Fahrer" zu lösen. Ich erzähle Ihnen heute davon, welchen Unterschied es macht, ob man das Problem nur mit Hilfe von Assistenzsystemen angeht oder völlig selbstständig fahrende Autos entwickelt, und wie sie die Welt verändern können. Ich werde Ihnen auch ein wenig von unserem Auto erzählen und zeigen, wie es die Umgebung wahrnimmt und darauf reagiert. Zunächst aber möchte ich noch ein wenig das Problem erläutern. Denn es ist ein großes Problem: 1,2 Mio. Menschen weltweit sterben jedes Jahr bei Autounfällen. Allein in den USA sind es 33 000 pro Jahr. Um das mal ins Verhältnis zu setzen: Das ist, also ob an jedem Arbeitstag eine Boeing 737 abstürzen würde. Das ist unglaublich. So wie hier werden uns Autos verkauft. Aber eigentlich sieht Fahren eher so aus. Die Sonne scheint nicht, es regnet. Sie wollen lieber alles andere tun, als zu fahren. Dafür gibt es einen Grund: Der Verkehr wird immer schlimmer. In Amerika wurden zwischen 1990 und 2010 38 % mehr Kilometer gefahren als zuvor. Es gibt nur 6 % mehr Straßen, es ist also kein Trugschluss: Der Verkehr ist heute deutlich schlimmer als noch vor kurzer Zeit. Dafür zahlen wir einen Preis. Ein Pendler fährt in Amerika durchschnittlich ca. 50 Minuten. Multiplizieren Sie das mit unseren 120 Mio. Pendlern, kommen Sie auf etwa 6 Mrd. Minuten, die täglich beim Pendeln verloren gehen. Eine riesige Zahl, also vergleichen wir das mal. Wenn Sie 6 Mrd. Minuten durch die durchschnittliche Lebenserwartung eines Menschen teilen, kommen Sie auf 162 Leben. So viele werden jeden Tag verschwendet, nur um von A nach B zu kommen. Das ist unglaublich. Dann gibt es solche Menschen, die gar nicht im Verkehr steckenbleiben können. So wie Steve. Er ist ein unheimlich fähiger Kerl, aber leider ist er blind. Statt morgens in 30 Minuten zur Arbeit zu fahren, müht er sich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ab -- 2 Std. lang. Es sei denn, er bittet Freunde und Familie um eine Fahrt. Er hat nicht dieselbe Freiheit wie wir, um von A nach B zu kommen. Das sollten wir ändern. Nach allgemeiner Meinung sollten wir vorhandene Fahrerassistenzsysteme immer schrittweise verbessern. Irgendwann werden daraus selbstfahrende Autos. Das wäre etwa damit zu vergleichen: Wenn ich mich beim Springen nur richtig anstrengen würde, könnte ich eines Tages fliegen. Stattdessen sollten wir etwas anderes tun. Ich möchte Ihnen drei Punkte vorstellen, die selbstfahrende Systeme von Assistenzsystemen unterscheiden. Ich fange mit dem an, was wir selbst erfahren haben. Im Jahr 2013 machten wir den ersten Test mit selbstfahrenden Autos, die normale Leute benutzen konnten. Fast normale Leute -- 100 Google-Mitarbeiter, aber sie waren nicht am Projekt beteiligt. Wir gaben ihnen das Auto, um es im Alltag auszuprobieren. Es gab es aber eine wichtige Besonderheit: Sie mussten aufpassen, schließlich war es ein Experiment. Trotz intensiver Tests könnte es versagen. Also schulten wir sie zwei Stunden ein, setzten sie ins Auto ließen es benutzen. Das Feedback war fantastisch für jemanden, der ein Produkt in die Welt setzen will. Alle fanden es toll. Einer war Porsche-Fahrer und sagte uns am ersten Tag: "Das ist totaler Unsinn, Was glauben wir eigentlich?" Am Ende meinte er: "Nicht nur ich sollte es haben, sondern auch alle anderen. Menschen sind schreckliche Fahrer." Das war Musik in unseren Ohren. Dann sahen wir uns an, was die Leute im Auto taten. Das öffnete uns die Augen. Da gab es einen Herrn. Er schaut auf sein Handy und bemerkt, dass der Akku fast leer ist. Also dreht er sich ungefähr so um und durchsucht seinen Rucksack, holt seinen Laptop raus, legt ihn auf den Sitz, dreht sich wieder um, sucht weiter und findet das Ladekabel für sein Handy, steckt es in den Laptop, danach in sein Handy. Klar, das Telefon wird geladen. Währenddessen fuhr er die ganze Zeit mit 105 km/h den Freeway entlang. Unglaublich. Nach einiger Überlegung wurde uns klar: Je besser die Technologie wird, desto unzuverlässiger wird der Fahrer. Wenn wir Autos nur schrittweise schlauer machen, werden wir wahrscheinlich unsere Ziele nicht erreichen. Ich werde nun kurz etwas technisch. Dieses Diagramm zeigt von links nach rechts, wie oft das Auto bremst, wenn es das nicht sollte. Sie können das meiste auf dieser Achse ignorieren, denn wenn Sie in der Stadt herumfahren und das Auto immer mal wieder anhält, werden Sie es niemals kaufen. Von unten nach oben sehen Sie, wie oft das Auto richtigerweise bremst, um so einen Unfall zu verhindern. Schauen wir uns die Ecke links unten an: Das ist ein Standardauto. Es bremst nicht selbstständig, es tut nichts Merkwürdiges, aber es verhindert auch keine Unfälle. Wenn wir ein Fahrerassistenz- system installieren, das Auffahrunfälle vermeiden soll, dann packen wir einige Technologien in das Auto. Das sehen Sie hier. Die Technologien sind gut, aber sie können niemals alle Unfälle verhindern. Dafür sind sie einfach nicht ausgelegt. Sehen wir uns diese Kurve an: So könnte man vielleicht die Hälfte aller Unfälle verhindern. Hervorragend, oder? Wir haben gerade die Zahl der Autounfälle halbiert! Jetzt sterben in Amerika 17 000 Menschen weniger pro Jahr. Aber wenn wir selbstfahrende Autos wollen, muss die Technologiekurve so aussehen. Wir müssen mehr Sensoren in das Auto integrieren, bis zu dem Punkt, an dem es praktisch nie mehr in einen Unfall verwickelt wird. Es wird noch passieren, aber sehr selten. Jetzt könnten wir darüber diskutieren, ob die Kurve stetig steigt, oder ob sie eher der 80/20-Regel entspricht. Die obere Kurve ist sehr schwer zu erreichen. Aber sehen wir es einmal anders. Wie oft muss die Technologie die richtigen Entscheidungen treffen? Dieser grüne Punkt hier ist das Fahrerassistenzsystem. Menschliche Fahrer machen Fehler, die Unfälle verursachen -- und zwar etwa alle 160 000 km in den USA. Im Gegensatz dazu trifft ein selbstfahrendes System etwa 10 Entscheidungen pro Sekunde. Umgerechnet wären das etwa 600-mal pro Kilometer. Wenn wir den Abstand zwischen beiden vergleichen, ist das etwa 10 hoch 8. 8 Größenordnungen. Das ist, wie wenn Sie mein Lauftempo mit der Lichtgeschwindigkeit vergleichen. Ganz egal, wieviel ich trainiere: Das kann ich nie erreichen. Der Unterschied ist also ziemlich groß. Betrachten wir nun schließlich, wie das System mit Unsicherheit umgeht. Dieser Fußgänger läuft vielleicht auf die Straße -- oder auch nicht. Ich kann es nicht erkennen und unsere Algorithmen auch nicht. Für ein Assistenzsystem heißt das, dass es nichts unternehmen kann, denn es wäre völlig inakzeptabel, wenn es unerwartet bremsen würde. Ein selbstfahrendes System sieht den Fußgänger und sagt: "Keine Ahnung, was du tun wirst, ich fahre langsamer, schaue genauer hin und reagiere dann entsprechend." Es ist also viel sicherer, als ein Assistenzsystem je sein könnte. Aber damit genug von den Unterschieden zwischen beiden. Betrachten wir, wie das Auto die Umgebung wahrnimmt. Das ist unser Auto. Zuerst bestimmt es seine Position, indem es auf einer Karte seine Sensordaten einträgt. Darüber legen wir das, was das Auto momentan sieht. Diese violetten Kästchen sind andere Fahrzeuge auf der Straße und das rote Ding ist ein Radfahrer. In der Entfernung sehen Sie noch einige Leitkegel. Jetzt wissen wir, wo das Auto gerade ist. Aber das reicht nicht: Wir müssen vorhersagen, was passieren wird. Der Pickup-Truck oben rechts will auf die linke Spur wechseln, denn vor ihm ist die Straße gesperrt. Also muss er ausweichen. Es ist toll, wenn man das weiß, aber wir müssen wissen, was jeder gerade denkt. Damit wird es zur komplizierten Aufgabe. Wenn wir das wissen, können wir bestimmen, wie sich das Auto verhalten sollte, wo genau es lang fahren sollte, wie stark es bremsen und beschleunigen sollte. Im Grunde geht es nur darum, einem Weg zu folgen, also nach links oder rechts zu lenken, zu bremsen oder Gas zu geben. Letztlich geht es nur um zwei Zahlen. Wie schwierig kann das schon sein? Als wir 2009 angefangen haben, sah unser System so aus. Sie sehen unser Auto in der Mitte und die anderen Kästchen, die auf der Autobahn fahren. Das Auto muss wissen, wo es selbst ist und ungefähr, wo die anderen sind. Es geht um ein geometrisches Verständnis der Umwelt. Als wir begannen, in der Innenstadt zu fahren, wurde die Aufgabe viel schwieriger. Da laufen Fußgänger vorbei, Autos überqueren die Kreuzung, fahren in verschiedene Richtungen, es gibt Ampeln, Zebrastreifen. Das ist im Vergleich viel komplizierter. Wenn Sie dieses Problem gelöst haben, muss das Auto noch mit Baustellen zurechtkommen. Hier links sind die Pylonen, wir müssen also nach rechts wechseln. Aber die Baustelle kommt nicht allein. Das Auto muss mit anderen zurecht kommen, die sich durch die Baustelle bewegen. Natürlich, falls jemand die Regeln bricht, taucht die Polizei auf. Das Auto muss verstehen, was ein Blinklicht auf dem Wagendach bedeutet: Das ist kein normales Auto, sondern ein Polizeiauto. Mit diesem orangen Kasten ist das ähnlich: Das ist ein Schulbus, den müssen wir auch anders behandeln. Im Verkehr haben die anderen Teilnehmer Erwartungen. Streckt ein Radfahrer den Arm aus, erwartet er, dass ihm das Auto Vorrang einräumt und ihn die Spur wechseln lässt. Wenn ein Polizist auf der Straße steht, sollte das Auto "Stopp" verstehen. Wenn man uns weiterwinkt, sollten wir weiterfahren. Wir erreichen das, indem wir Daten zwischen den Fahrzeugen austauschen. In einem ersten, einfachen Modell erkennt ein Auto eine Baustelle und informiert andere Fahrzeuge, damit diese die richtige Spur wählen. Wir können heute aber noch viel mehr als das. Wir haben alle Daten, die unsere Autos mit der Zeit erfasst haben -- hunderttausende Fußgänger, Radfahrer und Fahrzeuge -- wir kennen ihr Aussehen. Daraus können wir ableiten, wie andere Fahrzeuge und andere Fußgänger aussehen sollten. Daraus könnten wir dann sogar ein Modell ableiten, das ihre Bewegungen vorhersagt. Hier läuft gerade ein Fußgänger vor uns über die Straße. Das Blaue ist ein Radfahrer und wir nehmen an, dass er gleich ausscheren wird, um das geparkte Auto zu umfahren. Hier kommt uns ein Radfahrer entgegen. Wir wissen, dass er weiter dem Straßenverlauf folgen wird. Hier biegt jemand rechts ab. Hier wird gleich jemand vor uns wenden. Wir erkennen das und können sofort sicher reagieren. Das funktioniert alles prima für Dinge, die wir kennen. Natürlich trifft man immer wieder auf Situationen, die neu für uns sind. Vor ein paar Monaten fuhren unsere Autos durch Mountain View, und dann geschah das: Eine Frau in einem elektrischen Rollstuhl verfolgte eine Ente auf der Straße. (Lachen) In der Straßenverkehrs- ordnung steht leider nicht, wie man damit umgehen sollte. Aber unser Auto reagierte richtig. Es bremste und fuhr vorsichtig. Natürlich sind Enten nur die eine Sache. Hier fliegt ein Vogel direkt vor uns vorbei. Das Auto reagiert. Hier ist ein Radfahrer, den es so wohl nur in Mountain View gibt. Dann gibt es die Autofahrer, selbst die Allerkleinsten. Hier rechts springt uns jemand aus einem LKW entgegen. Hier links entscheidet sich das Auto in der grünen Box im allerletzten Moment fürs Abbiegen. Hier wechseln wir die Spur und der Fahrer links beschließt dasselbe. Hier fährt jemand über eine rote Ampel, und wir weichen aus. Hier das gleiche mit einem Radfahrer. Natürlich reagiert das Fahrzeug sicher. Dann gibt es Leute, die Verrücktes tun. Er hier drängelt sich zwischen zwei selbstfahrende Autos. Da fragt man sich schon: "Warum macht der das?!" (Lachen) Jetzt habe ich Sie mit vielen Infos überschüttet. Ein Beispiel möchte ich noch kurz näher erklären. Hier sehen wir noch einmal die Szene mit dem Radfahrer. Sie erkennen vielleicht, dass man den Radfahrer noch gar nicht sehen kann. Das Auto aber kann es: Er ist die kleine blaue Box. Das erkennen wir anhand von Laserdaten. Das ist nicht so leicht zu verstehen. Ich wechsle mal die Darstellung. Haben Sie öfter mit Laserdaten zu tun, erkennen Sie da oben ein paar Punkte in der Kurve. Genau da. Das blaue Kästchen ist der Radfahrer. Unsere Ampel ist rot, die Ampel des Radlers zeigt schon gelb. Das sehen Sie, wenn Sie die Augen zusammenkneifen. Aber der Radfahrer fährt einfach weiter. Unsere Ampel ist jetzt grün, die des Radlers rot. Wir schließen daraus, dass er die komplette Kreuzung überqueren wird. Leider haben die Fahrer neben uns nicht so gut aufgepasst. Sie fahren schon los und zum Glück reagiert der Radler, er weicht aus und schafft es über die Kreuzung. Und ab durch die Mitte. Sie sehen, wir haben schon erstaunliche Fortschritte gemacht. Heute sind wir ziemlich überzeugt, dass diese Technologie auf den Markt kommen wird. Wir fahren täglich 4,8 Mio. Kilometer im Simulator. Unsere Autos haben also ziemlich viel Erfahrung. Wir freuen uns darauf, die Technologie auf die Straße zu bringen. Wir glauben, ein selbstfahrendes Auto ist sinnvoller als der Ansatz mit Assistenzsystemen, weil es um so viel geht. Während meines Vortrags heute sind 34 Menschen auf amerikanischen Straßen gestorben. Wann sind wir marktreif? Schwer zu sagen, denn die Aufgabe ist enorm komplex. Aber das hier sind meine beiden Jungs. Der ältere ist 11 und das heißt: In nur 4,5 Jahren kann er seinen Führerschein machen. Mein Team und ich setzen alles daran, das zu verhindern. Danke! (Lachen) (Applaus) Chris Anderson: Chris, ich habe noch eine Frage. Chris Urmson: Klar. CA: Dieses "Gehirn" eurer Autos ist schon ziemlich verblüffend. Was diese Debatte über Assistenzsysteme und fahrerlose Autos angeht -- also, da läuft ja tatsächlich eine große Debatte. Einige Unternehmen, beispielsweise Tesla, entscheiden sich für Assistenzsysteme. Meinst du, das ist eine Sackgasse? Wenn man diese Systeme weiterentwickelt und keinen Fahrer mehr braucht, denkt sich der Fahrer: "Das fühlt sich sicher an", klettert nach hinten und etwas Schlimmes passiert. CU: Ja, ganz genau. Ich sage auch klar, dass Assistenzsysteme unglaublich wichtig sind. Sie können übergangsweise viele Leben retten. Aber nun haben wir die Chance, Menschen wie Steve das Fahren zu ermöglichen und größte Sicherheit zu erreichen. Wir haben die Chance, unsere Städte zu verändern, indem wir hässliche Parkplätze in der Stadt selbst nach draußen verlagern. Das ist der einzige Weg. CA: Wir werden eure Fortschritte gespannt verfolgen. Vielen Dank, Chris. CU: Danke. (Appplaus)