Das ist Pleurobot. Pleurobot ist ein Roboter, der eine Salamander-Art genau nachahmt, die Pleurodeles waltl heißt. Pleurobot kann laufen und auch schwimmen. Warum haben wir diesen Roboter entworfen? Dieser Roboter wurde als Instrument für die Neurowissenschaften entworfen. Wir entwarfen ihn zusammen mit Neurobiologen, um zu verstehen, wie sich Tiere bewegen, und besonders wie das Rückenmark die Fortbewegung steuert. Aber je länger ich in der Biorobotik arbeite, desto mehr beeindruckt mich die Fortbewegung der Tiere. Denkt man an schwimmende Delfine, an rennende oder herum springende Katzen oder an uns Menschen, wenn wir joggen oder Tennis spielen, dann machen wir erstaunliche Dinge. Unser Nervensystem löst ein sehr schwieriges Steuerungsproblem. Es muss etwa 200 Muskeln perfekt koordinieren, denn bei schlechter Koordination, fällt man um oder bewegt sich ungünstig fort. Mein Ziel ist es zu verstehen, wie das funktioniert. Es gibt vier Hauptbausteine für die Fortbewegung von Tieren. Der erste Baustein ist nur der Körper. Genau genommen sollten wir niemals unterschätzen, wieweit die Biomechanik die Fortbewegung bei Tieren bereits vereinfacht hat. Dann haben wir das Rückenmark und dort finden sich Reflexe -- Mehrfachreflexe, die eine sensomotorische Koordinationsschleife zwischen neuronaler und mechanischer Aktivität erzeugen. Der dritte Baustein sind zentrale Mustergeneratoren. Das sind sehr interessante Schaltkreise im Rückenmark von Wirbeltieren, die aus sich selbst heraus sehr koordinierte, rhythmische Aktivitätsmuster erzeugen, obwohl sie nur sehr einfache Eingangssignale erhalten. Diese Eingangssignale, die während der Fortbewegung die gesamte Aktivität des Rückenmarks ausrichten, entstammen der absteigenden Neuromodulation höherer Hirnregionen, wie der motorischen Rinde, dem Kleinhirn und den Basalganglien. Aber interessant ist, dass bereits der einfache Baustein Rückenmark das Fortbewegungsproblem mit dem Körper weitgehend bewältigt. Sie wissen vermutlich: Wenn man einem Huhn den Kopf abschlägt, läuft es noch eine Weile herum, was zeigt, dass nur der untere Teil, das Rückenmark und der Körper, das Fortbewegungsproblem bereits weitgehend bewältigen. Wie das funktioniert, ist sehr schwer zu verstehen. Erstens ist es sehr schwierig, die Rückenmarksaktivität aufzuzeichnen. Die Elektroden lassen sich leichter in die motorische Rinde implantieren als ins Rückenmark, weil es durch die Rückenwirbel geschützt ist. Speziell beim Menschen ist es schwierig. Die zweite Schwierigkeit ist, dass Fortbewegung die Folge der sehr komplexen und dynamischen Interaktion zwischen diesen vier Bausteinen ist. Die Rolle jedes einzelnen lässt sich nur schwer herausfinden. Hier können Bioroboter wie Pleurobot und mathematische Modelle wirklich helfen. Was ist Biorobotik? Biorobotik ist ein sehr reges Forschungsgebiet in der Robotik, in dem Menschen durch Tiere angeregt werden, Roboter auf den Einsatz im Freien vorzubereiten, so zum Beispiel als Service-, Such- und Rettungsroboter oder Feldroboter. Das große Ziel ist hier, Anregungen durch Tiere zu erhalten, damit Roboter in schwierigem Gelände zurecht kommen: Treppen, Berge, Wälder -- Orte, wo Roboter immer noch Schwierigkeiten haben und Tiere es besser können. Der Roboter kann ein wunderbares wissenschaftliches Instrument sein. Bei einigen Projekten setzt man Roboter als Arbeitshilfe für Neurowissenschaften, Biomechanik oder Hydrodynamik ein. Das ist genau der Zweck von Pleurobot. In meinem Labor arbeiten wir mit Neurobiologen wie Jean-Marie Cabelguen aus Bordeux in Frankreich zusammen und wollen Rückenmark-Modelle erstellen, die wir an Robotern überprüfen. Wir wollen hier einfach anfangen. Also beginnen wir mit einfachen Tieren wie Neunaugen, sehr primitive Fische, und befassen uns dann allmählich mit komplexerer Fortbewegung wie bei Salamandern, aber auch bei Katzen und Menschen, bei Säugetieren. Hier wird ein Roboter ein interessantes Instrument, um unsere Modelle zu überprüfen. Eigentlich ist Pleurobot für mich ein Traum, der wahr wird. Vor ungefähr 20 Jahren erstellte ich bereits während meiner Promotion Simulationen der Fortbewegung von Neunaugen und Salamandern am Computer. Aber ich wusste immer, dass meine Simulationen nur Näherungen waren. Ähnlich der Simulation der Physik von Wasser, Schlamm oder komplexem Boden ist es schwierig, das sauber im Computer zu simulieren. Warum also keinen Roboter unter realen Bedingungen benutzen? Unter allen diesen Tieren bevorzuge ich den Salamander. Sie fragen sich vielleicht warum. Von einem evolutionären Standpunkt ist ein Amphibium ein zentrales Tier. Es verbindet auf großartige Weise das Schwimmen, wie bei Aalen oder Fischen zu beobachten, und die vierbeinige Fortbewegung wie bei Säugetieren: Katzen und Menschen. Der heutige Salamander ist sehr nah an den ersten Landwirbeltieren dran, also ist er fast ein lebendes Fossil, der uns den Zugang zu unseren Vorfahren, den Vorfahren aller vierbeinigen Landbewohner, eröffnet. Der Salamander schwimmt, indem er sich wie ein Aal fortbewegt. Vom Kopf bis zum Schwanz breitet sich eine laufende Welle der Muskelaktivität aus. Stellt man den Salamander auf den Boden, wechselt er zum sogenannten gehenden Trab. In diesem Fall ergibt sich eine periodische Aktivierung der Gliedmaßen, die sehr schön koordiniert wird, mit dieser beständigen Wellenbewegung des Körpers. Das ist die Gangart, die man hier beim Pleurobot sehen kann. Ein überraschender und faszinierender Aspekt, ist die Tatsache, dass das alles nur das Rückenmark und der Körper hervorruft. Wenn man einem Salamander das Gehirn entfernt -- es ist nicht so schön, wenn man den Kopf entfernt -- und das Rückenmark auf niedrigem Niveau elektrisch stimuliert, wird eine dem Gehen ähnliche Gangart ausgelöst. Stimuliert man ein wenig mehr, beschleunigt sich die Gangart. An einem gewissen Punkt ist eine Schwelle, die automatisch zum Schwimmen überleitet. Das ist erstaunlich. Nur den allgemeinen Antrieb zu ändern, als ob man das Gaspedal für die Neuromodulation in den absteigenden Bahnen zum Rückenmark drückt, bewirkt einen Wechsel zwischen zwei unterschiedlichen Gangarten. Das Gleiche hat man bei Katzen beobachtet. Wenn man das Rückenmark einer Katze stimuliert, erfolgt der Wechsel zwischen Schritt, Trab und Galopp. Oder Vögel wechseln zwischen Gehen, auf einem niedrigem Stimulationsniveau, und dem Flügelschlag auf einem hohen Stimulationsniveau. Das zeigt wirklich, dass das Rückenmark ein sehr ausgeklügelter Fortbewegungsregler ist. Wir untersuchten die Fortbewegung der Salamander genauer und hatten Zugang zu einem Röntgen-Video-Gerät von Professor Martin Fischer von der Universität Jena. Daher hatten wir ein Gerät, um alle Knochenbewegungen im Detail aufzuzeichnen. Das taten wir. Wir fanden hauptsächlich heraus, welche Knochen wichtig sind und trugen ihre Bewegung in 3D zusammen. Wir trugen eine ganze Datenbank für Bewegungen auf dem Land als auch im Wasser zusammen, für motorisches Verhalten, das ein echtes Tier zeigen kann. Dann war es unsere Aufgabe, das bei unserem Roboter nachzubilden. Wir führten einen Optimierungsprozess durch, um den richtigen Aufbau zu finden, die Motoren zu platzieren und alles miteinander zu verbinden, damit wir die Bewegungen so gut wie möglich wiederholen können. So wurde Pleurobot lebendig. Sehen wir nun, wie nah es am echten Tier dran ist. Hier sehen Sie einen fast unmittelbaren Vergleich zwischen dem Gehen eines echten Tieres und Pleurobot. Hier ist eine fast direkte Nachbildung der Gangart zu sehen. Wenn man zurückspult, sieht man es in Zeitlupe noch besser. Aber noch besser: Er kann auch schwimmen. Dafür haben wir einen Trockenanzug, den wir über den Roboter ziehen -- (Lachen) -- und so kann man ins Wasser gehen und die Schwimmarten nachbilden. Wir waren sehr froh, weil das schwierig zu bewerkstelligen ist. Die physikalischen Bedingungen der Interaktion sind komplex. Unser Roboter ist viel größer als das kleine Tier. Wir mussten eine dynamische Skalierung der Frequenzen vornehmen, um die selben physikalischen Bedingungen vorliegen zu haben. Aber am Ende stimmte es sehr stark überein und wir waren sehr froh darüber. Kommen wir nun zum Rückenmark. Zusammen mit Jean-Marie Cabelguen bildeten wir die Schaltkreise des Rückenmarks ab. Sehr interessant ist, dass der Salamander sehr primitive Schaltkreise behalten hat, die denen beim Neunauge sehr ähneln -- diesem primitiven aalgleichen Fisch. Im Laufe der Evolution wurden neue neuronale Oszillatoren hinzugefügt, um die Gliedmaßen zu steuern, die für die Fortbewegung da sind. Wo sich diese neuronalen Oszillatoren befinden, ist bekannt, aber wir erstellten ein mathematisches Modell, um zu erkennen, wie sie verkoppelt sein sollten, um den Übergang zwischen zwei Bewegungsarten zu bewirken. Wir testeten das auf der Platine eines Roboters. So sieht das Ganze aus. Hier sieht man eine frühere Version von Pleurobot, die vollständig durch unser Rückenmark-Modell gesteuert wird, das in die Roboterplatine programmiert wurde. Wir senden über eine Fernsteuerung die zwei Signale an den Roboter, die ein Salamander durch die absteigenden Bahnen von höheren Hirnregionen erhalten würde. Wir können mit diesen Signalen die Geschwindigkeit, den Kurs und die Gangart vollständig steuern. Zum Beispiel: Bei niedrigem Stimulationsniveau ergibt sich die gehende Fortbewegung und bei hoher Stimulation wechselt es ab einem bestimmten Punkt sehr schnell in die schwimmende Fortbewegung. Zuletzt kann man das Wenden sehr schön vollführen, indem man das Rückenmark auf einer Seite mehr stimuliert als auf der anderen. Ich glaube, es ist wirklich schön, wie die Natur die Steuerung aufteilt, indem sie viel Verantwortung an das Rückenmark abgibt, sodass die höheren Hirnregionen sich nicht um jeden Muskel kümmern müssen. Sie müssen sich nur um die Regulierung auf hohem Niveau kümmern, während das Rückenmark die Aufgabe hat, alle Muskeln zu koordinieren. Nun zur Fortbewegung der Katze und der Wichtigkeit von Biomechanik. Das ist ein weiteres Projekt, bei dem wir die Biomechanik von Katzen untersuchten. Wir wollten erkennen, wie sehr die Gestalt die Fortbewegung unterstützt. Wir fanden drei wichtige Kriterien bei den Eigenschaften der Gliedmaßen. Die erste: Das Katzenbein hat mehr oder weniger den Aufbau eines Stromabnehmers. Ein Pantograph ist eine mechanische Struktur, die das obere und das untere Segment immer parallel ausrichtet -- also ein einfaches geometrisches System, das die internen Bewegungsabläufe der Segmente koordiniert. Eine zweite Eigenschaft der Katzenglieder ist deren Leichtigkeit. Die meisten Muskeln befinden sich am Rumpf, was gut ist, weil die Gliedmaßen dann eine geringe Trägheit haben und schnell bewegt werden können. Das elastische Verhalten der Katzenglieder ist die letzte wichtige Eigenschaft, um Stöße und Kräfte abzufedern. Auf diese Weise haben wir Cheetah-Cub entworfen. Also bitten wir Cheetah-Cub auf die Bühne. Das ist Peter Eckert, der zu diesem Roboter promoviert, und wie sie sehen, ist er ein niedlicher kleiner Roboter. Er sieht ein wenig wie ein Spielzeug aus, wird aber tatsächlich als wissenschaftliches Instrument genutzt, um die Eigenschaften der Katzenbeine zu untersuchen. Er ist sehr nachgiebig, sehr leicht und auch sehr elastisch, so dass man ihn leicht nach unten drücken kann und er nicht zerbricht. Er springt nur hoch. Diese elastische Eigenschaft ist auch sehr wichtig. An diesen drei Beinsegmenten erkennt man auch ein wenig die Eigenschaften eines Pantografen. Interessant ist, dass diese sehr dynamische Gangart bloß im offenen Regelkreis erreicht wird, das bedeutet, keine Sensoren, keine komplizierten Rückkopplungsschleifen. Das ist interessant, das heißt, dass bereits die Mechanik diese sehr schnelle Gangart stabilisiert und dass im Grunde bereits wirklich gute Mechanik die Fortbewegung vereinfacht. Inwieweit wir die Fortbewegung sogar ein wenig stören können, sehen Sie im nächsten Video. Wir lassen den Roboter über eine Stufe gehen und er fällt nicht um, was uns überrascht hat. Das ist eine kleine Störung. Ich erwartete, dass der Roboter sofort umfallen würde, weil es keine Sensoren und schnelle Rückkopplungsschleifen gibt. Doch nein, allein die Mechanik stabilisierte den Gang und der Roboter fiel nicht um. Macht man die Stufen größer und hat Hindernisse, braucht man selbstverständlich die ganzen Steuerschleifen und Reflexe. Aber wichtig ist hier, dass für kleine Störungen die Mechanik passend ist. Das ist eine sehr wichtige Botschaft von der Biomechanik und der Robotik an die Neurowissenschaft, die besagt: Unterschätzt nicht, wieweit der Körper die Fortbewegung unterstützt. Inwiefern betrifft das die menschliche Fortbewegung? Menschliche Fortbewegung ist komplexer als die von Katzen oder Salamandern, aber gleichzeitig ähnelt das Nervensystem von Menschen denen anderer Wirbeltiere. Besonders das Rückenmark ist die wichtigste Steuerung der Fortbewegung beim Menschen. Deshalb hat die Verletzung des Rückenmarks diese dramatischen Auswirkungen. Die Person kann halbseitig oder beidseitig gelähmt werden. Das Gehirn verliert die Verbindung zum Rückenmark. Es verliert die Neuromodulation über die absteigenden Bahnen, um die Fortbewegung zu beginnen und anzupassen. Ein großes Ziel der Neuroprothetik ist, diese Verbindung wiederzubeleben, indem elektrische oder chemische Stimulation eingesetzt wird. Es gibt mehrere Teams auf der Welt, die genau das machen, insbesondere an der EPFL: meine Kollegen Grégoire Courtine und Silvestro Micera, mit denen ich zusammenarbeite. Aber um das ordentlich zu machen, ist es sehr wichtig zu verstehen, wie das Rückenmark funktioniert, wie es mit dem Körper interagiert und wie das Gehirn mit dem Rückenmark kommuniziert. Hier werden die Roboter und Modelle, die ich heute vorgestellt habe, hoffentlich eine wichtige Rolle spielen, im Hinblick auf diese sehr wichtigen Ziele. Danke! (Applaus) Bruno Giussani: Auke, ich habe in deinem Labor andere Roboter gesehen, die in Verunreinigungen schwammen und dabei den Grad der Verschmutzung maßen. Aber bei diesem erwähntest du in deinem Vortrag als Nebenprojekt "Suchen und Retten", und er hat eine Kamera in seiner Nase. Auke Ijspeert: Allerdings! Wir haben einige Spin-Off-Projekte, wo wir die Roboter für Such- und Rettungsmaßnahmen einsetzen möchten. Dieser Roboter sieht Sie jetzt. Der große Traum ist bei einer schwierigen Sachlage, wie zusammengestürzten oder gefluteten Gebäuden, wo der Einsatz eines Rettungsteams oder von Rettungshunden sehr gefährlich ist, einen Roboter hinzuschicken, der kriechen, schwimmen und gehen kann, mit einer Kamera alles ansieht und Überlebende erkennt, und möglicherweise die Kommunikation mit dem Überlebenden herstellt. BG: Angenommen natürlich, der Überlebende erschreckt nicht davor. AI: Ja, wir sollten vermutlich das Aussehen ein wenig verändern, weil ein Überlebender vielleicht an einem Herzinfarkt stirbt, nur weil er besorgt ist, dass er aufgefressen wird. Aber durch das Verändern des Aussehens und der Robustheit können wir eine gute Arbeitshilfe daraus machen. BG: Vielen Dank! Danke an dich und dein Team.