1 00:00:06,711 --> 00:00:09,112 Das Gebiet rund um den Nordpol 2 00:00:09,112 --> 00:00:12,042 mag wie eine gefrorene und trostlose Gegend wirken, 3 00:00:12,042 --> 00:00:13,722 wo sich niemals etwas ändert. 4 00:00:13,722 --> 00:00:18,676 Doch tatsächlich ist es ein komplexes und fein abgestimmtes, natürliches System, 5 00:00:18,676 --> 00:00:22,886 und seine extreme Lage macht es für Rückwirkungsprozesse anfällig, 6 00:00:22,886 --> 00:00:27,068 die selbst winzige Veränderungen in der Atmosphäre verstärken können. 7 00:00:27,068 --> 00:00:29,992 Tatsächlich bezeichnen Forscher die Arktis oft 8 00:00:29,992 --> 00:00:32,072 als den Kanarienvogel im Kohlebergwerk, 9 00:00:32,072 --> 00:00:35,810 wenn es darum geht, die Auswirkungen des Klimawandels vorherzusagen. 10 00:00:35,810 --> 00:00:39,663 Eine wichtige Art klimatischer Rückwirkung hat mit Reflektivität zu tun. 11 00:00:39,663 --> 00:00:41,836 Weiße Oberflächen wie Schnee und Eis 12 00:00:41,836 --> 00:00:46,027 können Sonnenenergie sehr wirksam ins All zurückwerfen, 13 00:00:46,027 --> 00:00:50,739 während dunklere Land- und Wasserflächen viel mehr einfallendes Licht absorbieren. 14 00:00:50,739 --> 00:00:54,874 Erwärmt sich die Arktis auch nur leicht, schmilzt etwas Schnee und Eis, 15 00:00:54,874 --> 00:00:57,831 wodurch Boden und Ozean darunter freigelegt werden. 16 00:00:57,831 --> 00:01:00,446 Die erhöhte Wärme, die diese Flächen aufnehmen, 17 00:01:00,446 --> 00:01:03,246 verursacht noch stärkeres Schmelzen usw. 18 00:01:03,246 --> 00:01:07,111 Obwohl die Arktis sich momentan in der Erwärmungsphase befindet, 19 00:01:07,111 --> 00:01:09,365 kann auch das Gegenteil eintreffen. 20 00:01:09,365 --> 00:01:12,527 Ein kleiner Temperaturrückgang ließe stärker gefrieren, 21 00:01:12,527 --> 00:01:15,642 und die Menge an reflektierendem Schnee und Eis würde zunehmen. 22 00:01:15,642 --> 00:01:18,484 Das hätte weniger Absorption von Sonnenlicht zur Folge 23 00:01:18,484 --> 00:01:22,607 und eine Abkühlungsphase wie in vergangenen Eiszeiten. 24 00:01:22,607 --> 00:01:26,304 Das arktische Meereis bestimmt auch einen anderen Rückwirkungsprozess 25 00:01:26,304 --> 00:01:27,781 durch Isolierung. 26 00:01:27,781 --> 00:01:30,396 Durch die Bildung einer Schicht an der Ozeanoberfläche 27 00:01:30,396 --> 00:01:33,446 dient das Eis als Puffer zwischen der kalten arktischen Luft 28 00:01:33,446 --> 00:01:36,192 und dem wärmeren Wasser darunter. 29 00:01:36,192 --> 00:01:39,450 Doch wenn es irgendwo dünner wird, bricht oder schmilzt, 30 00:01:39,450 --> 00:01:41,282 entweicht Wärme aus dem Ozean 31 00:01:41,282 --> 00:01:45,720 und erwärmt die Atmosphäre, sodass wiederum mehr Eis schmilzt. 32 00:01:45,720 --> 00:01:48,961 Das sind beides Beispiele für positive Rückwirkungsschleifen, 33 00:01:48,961 --> 00:01:50,791 nicht, weil sie etwas Gutes bewirken, 34 00:01:50,791 --> 00:01:55,025 sondern weil die anfängliche Veränderung in dieselbe Richtung verstärkt wird. 35 00:01:55,025 --> 00:01:57,520 Eine negative Rückwirkungsschleife liegt dagegen vor, 36 00:01:57,520 --> 00:02:02,011 wenn die anfängliche Veränderung zu entgegengesetzten Auswirkungen führt. 37 00:02:02,011 --> 00:02:05,086 Eisschmelze bewirkt auch eine Art negative Rückwirkung, 38 00:02:05,086 --> 00:02:08,457 indem sie Feuchtigkeit in die Atmosphäre entlässt. 39 00:02:08,457 --> 00:02:11,979 Dies steigert die Menge und Dicke der Wolken, 40 00:02:11,979 --> 00:02:15,326 welche die Atmosphäre abkühlen, indem sie mehr Sonnenlicht blockieren. 41 00:02:15,326 --> 00:02:20,071 Doch wegen der kurzen arktischen Sommer ist diese negative Schleife kurzlebig. 42 00:02:20,071 --> 00:02:22,634 Das restliche Jahr über, wenn Sonnenlicht knapp ist, 43 00:02:22,634 --> 00:02:24,969 führen erhöhte Feuchtigkeit und Wolken 44 00:02:24,969 --> 00:02:28,325 zur Erwärmung der Oberfläche, indem sie die Erdwärme einfangen 45 00:02:28,325 --> 00:02:32,571 und die negative Rückwirkungsschleife für den Großteil des Jahres umkehren. 46 00:02:32,571 --> 00:02:35,109 Während negative Schleifen Stabilität begünstigen, 47 00:02:35,109 --> 00:02:37,809 indem sie ein System ins Gleichgewicht steuern, 48 00:02:37,809 --> 00:02:40,280 führen positive Rückwirkungsschleifen 49 00:02:40,280 --> 00:02:43,890 durch immer stärkere Abweichungen zur Destabilisierung eines Systems. 50 00:02:43,890 --> 00:02:47,123 Der kürzlich gestiegene Einfluss von positiven Rückwirkungen 51 00:02:47,123 --> 00:02:49,966 könnte sich weit außerhalb der Arktis bemerkbar machen. 52 00:02:49,966 --> 00:02:54,036 Auf einem wärmer werdenden Planeten bewirken sie, dass sich der Nordpol 53 00:02:54,036 --> 00:02:57,132 schneller als der Äquator erwärmt. 54 00:02:57,132 --> 00:03:00,298 Die geringeren Temperaturunterschiede zwischen den beiden Regionen 55 00:03:00,298 --> 00:03:02,502 können zu langsameren Jetstreams führen, 56 00:03:02,502 --> 00:03:05,176 und zu einer weniger linearen atmosphärischen Zirkulation 57 00:03:05,176 --> 00:03:06,686 in den mittleren Breiten, 58 00:03:06,686 --> 00:03:09,324 wo der größte Teil der Weltbevölkerung lebt. 59 00:03:09,324 --> 00:03:12,301 Viele Wissenschaftler befürchten, dass Wetterumschwünge 60 00:03:12,301 --> 00:03:14,869 länger andauern und extremer werden, 61 00:03:14,869 --> 00:03:16,702 sodass aus kurzfristigen Schwankungen 62 00:03:16,702 --> 00:03:22,189 anhaltende Kälteeinbrüche, Hitzewellen, Dürreperioden und Überschwemmungen werden. 63 00:03:22,189 --> 00:03:25,753 Die arktische Sensibilität dient also nicht nur als Frühwarnsystem 64 00:03:25,753 --> 00:03:28,128 für den Klimawandel auf dem restlichen Planeten. 65 00:03:28,128 --> 00:03:30,973 Arktische Rückwirkungsschleifen können uns viel direkter 66 00:03:30,973 --> 00:03:32,593 und unmittelbarer beeinflussen. 67 00:03:32,593 --> 00:03:34,654 Wie Klimaforscher zu warnen pflegen, 68 00:03:34,654 --> 00:03:38,447 was in der Arktis passiert, bleibt nicht immer in der Arktis.