Wenn ich auf einer Party bin,
dauert es üblicherweise nicht lange,
bis die Leute herausgefunden haben,
dass ich Wissenschaftlerin bin und Sex untersuche.
Und dann kommen die Fragen.
Und die Fragen folgen alle demselben Muster.
Sie beginnen immer mit:
"Ein Freund hat mir erzählt...",
und dann enden sie immer mit
"stimmt das etwa?"
Und meistens
kann ich die Fragen sogar beantworten,
aber manchmal muss ich einfach sagen,
"Tut mir wirklich leid,
aber das weiß ich nicht,
denn ich bin keine solche Ärztin."
Das heißt, ich bin keine Medizinerin,
sondern komparative Biologin, die Anatomie erforscht.
Ich schaue mir viele verschiedene Tierspezies an
und versuche die Funktionsweise ihrer Gewebe und Organe herauszufinden,
wenn alles noch funktioniert,
anstatt herauszufinden,
wie man Dinge repariert, wenn sie nicht mehr funktionieren,
wie es so viele von Ihnen tun.
Und ich suche nach den Ähnlichkeiten und Unterschieden
in den Lösungen, die sich für grundlegende
biologische Probleme entwickelt haben.
Heute möchte ich darlegen,
dass dies gar kein
esoterisches, weltfremdes Vorhaben ist,
welches wir an unseren Universitäten vorfinden,
sondern dass breite Studien
über Spezies, Gewebearten und Organapparate
zu Erkenntnissen führen können,
die direkte Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben.
Und das trifft sowohl auf mein aktuelles Projekt zu,
in dem es um Geschlechterunterschiede im Gehirn geht,
als auch meine etwas reifere Arbeit
über die Anatomie und Funktion von Penissen.
Und jetzt wissen Sie auch, wieso ich auf Parties gern gesehener Gast bin.
(Lachen)
Heute werde ich Ihnen ein Beispiel
aus meiner Penis-Forschung geben,
um Ihnen zu zeigen, wie Wissen,
das beim Untersuchen eines Organapparats gewonnen wird,
Erkenntnisse für einen ganz anderen liefern kann.
Dem Publikum muss ich es ja wohl nicht weiter erklären –
letzte Woche musste ich es meiner Neunjährigen erklären –
Penisse sind Strukturen, die Spermien von einem
Individuum zu einem anderen transportieren.
Und auf der Folie hinter mir
sehen Sie nur einen winzigen Teil
der zahlreichen Varianten in der Tierwelt.
Die anatomische Variation ist enorm.
Es gibt Muskelschläuche, modifizierte Beine, modifizierte Flossen,
und natürlich den fleischigen, aufpumpbaren Zylinder der Säugetiere,
mit dem wir alle vertraut sind –
oder zumindest die Hälfte von Ihnen.
(Lachen)
Und diese unglaubliche Vielfalt sehen wir,
weil sie eine sehr effektive Lösung
für ein sehr grundlegendes biologisches Problem ist,
denn die Spermien müssen in der Lage sein,
zu den Eiern zu gelangen und Zygoten formen zu können.
Der Penis selbst wird für interne Befruchtung gar nicht gebraucht,
aber wenn die Evolution interne Befruchtung entwickelt,
bringt das oft den Penis mit sich.
Und die häufigste Frage, wenn ich anfange, darüber zu reden, ist:
"Woher kommt denn dein Interesse für dieses Feld?"
Und die Antwort sind Skelette.
Man würde nicht annehmen, dass Penisse und Skelette
sehr viel miteinander zu tun haben.
Das liegt nämlich daran, dass wir bei Skeletten gern an
steife Hebelsysteme denken,
die Geschwindigkeit oder Kraft bewirken.
Und meine ersten Ausflüge in biologische Forschung
zur Dinosaurier-Paläontologie in meinem ersten Studium
lagen voll und ganz in diesem Bereich.
Aber als ich im Aufbaustudium Biomechanik studierte,
wollte ich ein Dissertationsprojekt finden,
das unser Wissen über Skelettfunktionen wirklich erweitern würde.
Ich verfolgte eine Menge Ansätze.
Und einiges davon ging nicht gut aus.
Aber eines Tages begann ich,
über den Säugetierpenis nachzudenken.
Und er hat wirklich eine seltsame Struktur.
Bevor er für die interne Befruchtung einsatzbereit ist,
muss sein mechanisches Verhalten sich erst
auf dramatische Weise ändern.
Die meiste Zeit ist er ein flexibles Organ.
Leicht zu biegen.
Aber bevor er zur Kopulation zum Einsatz
gebracht wird,
muss er fest werden,
schwer zu verbiegen.
Und dann muss er immer noch funktionieren.
Ein reproduktives System, das beim Einsatz versagt,
produziert ein Individuum, das sich nicht fortpflanzen kann,
und das Individuum wird dann aus dem Genpool geworfen.
Also dachte ich mir: "Dieses Problem
schreit nahezu nach einem Skelettsystem –
nicht einem wie diesem,
eher einem wie diesem –
denn von der Funktion her
ist ein jedes System ein Skelett,
das Gewebe stabilisiert und Kräfte überträgt.
Und ich wusste bereits, dass Tiere wie der Regenwurm hier,
oder sogar die meisten Tiere
ihre Gewebe nicht stabilisieren,
indem sie sie über Knochen spannen.
Sie haben eher den Charakter von verstärkten Wasserbomben.
Sie haben ein Skelett, das wir Hydroskelett nennen.
Und ein Hydroskelett
verwendet zwei Elemente.
Die Stützfunktion des Skeletts wird durch ein Zusammenspiel
einer unter Druck stehenden Flüssigkeit
und einer sie umgebenden Gewebewand hergestellt,
die durch Faserproteine verstärkt und unter Spannung gehalten wird.
Und dieses Zusammenspiel ist essentiell.
Ohne beide Elemente funktioniert die Unterstützung nicht.
Eine Flüssigkeit
ohne eine Wand, die sie umgibt
und den Druck aufrechterhält,
ist eine Pfütze.
Und hat man nur die Wand
ohne Flüssigkeiten darin, die die Wand unter Spannung setzen,
hat man einen feuchten Lappen.
Schaut man sich einen Penis im Querschnitt an,
sieht man viele der typischen Merkmale
eines Hydroskeletts.
Es gibt eine zentrale Region
von schwammigen Schwellkörpern,
die sich mit Flüssigkeit füllen – in diesem Fall Blut –
und von einer Gewebewand umgeben sind,
die mit einem steifen Strukturprotein namens Kollagen angereichert ist.
Aber als ich dieses Projekt begann,
war die beste Erklärung, die ich für die Erektion finden konnte, die,
dass die Wand diese schwammigen Gewebe umgibt
und die schwammigen Gewebe sich mit Blut füllen,
der Druck sich erhöht und – voilà! – der Penis erigiert ist.
Und das erklärte für mich auch die Vergrößerung –
klar: mehr Flüssigkeiten, mehr expandierende Gewebe –
aber es erklärte die Erektion nicht wirklich.
Denn es gab in dieser Erklärung keinen Mechanismus,
der diese Struktur schwer zu biegen machte.
Und niemand hatte sich die Wandgewebe systematisch angeschaut.
Also dachte ich mir, in Skeletten sind Wandgewebe wichtig.
Sie müssen Teil der Erklärung sein.
Und das war der Moment,
an dem mein Studienbetreuer sagte:
"Moooment! Moment mal. Warte mal."
Denn nach sechs Monaten, die ich darüber geredet hatte,
hatte er wohl endlich kapiert,
dass es mir mit dieser Penis-Sache ernst war.
(Lachen)
Also musste ich mich setzen und er warnte mich.
Er sagte: "Sei vorsichtig, wenn du diesen Weg wählst.
Ich weiß nicht, ob das Projekt funktionieren wird."
Denn er hatte Angst, dass ich geradewegs in eine Falle lief.
Ich nahm mir eine sozial befremdliche Frage vor
mit einer Antwort, die er für nicht
sonderlich interessant hielt.
Und das lag daran, dass
jedes Hydroskelett,
das wir bis dato in der Natur gefunden hatten,
über dieselben Grundelemente verfügte.
Es hatte die Flüssigkeit in der Mitte,
die sie umgebende Wand,
und die verstärkenden Fasern in der Wand
waren in einer Kreuzhelixform
um die Längsachse des Skeletts angeordnet.
Das Bild hinter mir
zeigt ein Stück solchen Gewebes
in einem der Kreuzhelix-Skelette.
Sie sehen in diesem Schnitt die Wandoberfläche.
Die Pfeile zeigen die Längsachse an.
Und Sie können zwei Faserschichten sehen,
eine ist blau, die andere gelb,
die schräg nach links und rechts ausgerichtet sind.
Und wenn wir uns nicht nur ein kleines Segment anschauen würden,
würden wir sehen, wie die Fasern in Helixform
um die Längsachse des Skeletts verlaufen –
ein bisschen wie eine Fingerfalle,
wo man die Finger reinsteckt und sie dann steckenbleiben.
All diese Skelette haben besondere Verhaltensmuster,
die ich in einem Film demonstrieren werde.
Es ist ein Modellskelett,
das ich aus einem Stück Stoff gemacht habe,
das um einen aufgeblasenen Ballon gewickelt ist.
Der Stoff ist diagonal geschnitten.
Sie können also die Helixform der Fasern sehen,
und diese Fasern ordnen sich bei der Skelettbewegung neu an,
das Skelett ist also flexibel.
Es verlängert oder verkürzt sich und ist leicht biegbar,
wenn externe oder interne Kräfte darauf wirken.
Mein Betreuer hatte die Sorge,
dass das Wandgewebe des Penis
einfach dem anderer Hydroskelette entspräche.
Wie wird dein Beitrag aussehen?
Was für eine neue Sache trägst du
zu unserem biologischen Wissen bei?
Und ich dachte mir: "Ja, da hat er verdammt recht."
Also dachte ich darüber sehr, sehr lange nach.
Und eine Sache störte mich immer weiter,
und zwar, wenn sie funktionieren,
dann wackeln Penisse nicht.
(Lachen)
Da musste also etwas Interessantes passieren.
Ich machte mich also daran, Wandgewebe zu gewinnen,
bereitete es so auf, dass es erigiert war,
schnitt es auf und präparierte es so,
damit ich es mir unter dem Mikroskop anschauen konnte,
überzeugt davon, eine Art Kreuzhelixform aus Kollagen vorzufinden.
Aber stattdessen sah ich dies.
Es gibt eine äußere und eine innere Schicht.
Der Pfeil zeigt die Längsachse des Skeletts an.
Das überraschte mich sehr.
Alle, denen ich das zeigte,
waren darüber wirklich überrascht.
Wieso waren alle darüber überrascht?
Weil wir wussten, dass es theoretisch
noch eine andere Art gab,
Fasern in einem Hydroskelett anzuordnen,
und zwar mit Fasern, die mit 0° und 90°
entlang der Längsachse der Struktur verlaufen.
Doch niemand hatte es je zuvor in der Natur gesehen.
Und jetzt hatte ich so etwas vor mir.
Diese Fasern in dieser Ausrichtung
verleihen dem Skelett ein sehr, sehr anderes Verhalten.
Ich werde Ihnen ein Modell zeigen,
das aus denselben Materialien gemacht ist.
Es ist also aus demselben Baumwollgewebe,
demselben Ballon, mit demselben Innendruck.
Der einzige Unterschied ist der,
dass die Fasern anders angeordnet sind.
Und hier sehen Sie, dass im Gegensatz zur Kreuzhelix
das Modell dem Ziehen und Stauchen widersteht,
wie auch dem Verbiegen.
Das sagt uns, dass die
Wandgewebe viel mehr Funktionen haben,
als nur die Gefäßgewebe zu bedecken.
Sie sind ein fester Teil des Penisskeletts.
Wenn die Wand um das erektile Gewebe nicht da wäre,
wenn sie nicht so verstärkt wäre,
dann würde sich die Form ändern,
aber der geschwollene Penis wäre biegsam
und die Erektion würde einfach nicht funktionieren.
Diese Beobachtung hat offensichtliche medizinische
Anwendungen bei Menschen,
aber ich denke, sie ist auch in einem weiteren Sinne wichtig,
wenn es um das Design von Prothesen, weichen Robotern geht,
im Prinzip allem,
wo Änderungen in der Form und Steifheit wichtig sind.
Ich fasse zusammen:
Vor zwanzig Jahren
sagte mir ein Studienbetreuer,
als ich an der Uni auftauchte und sagte:
"Ich bin irgendwie an Anatomie interessiert",
"Anatomie ist eine tote Wissenschaft."
Er hätte nicht weiter daneben liegen können.
Ich glaube fest, dass wir noch viel zu lernen haben,
was die normale Struktur und Funktion unserer Körper angeht.
Nicht nur über seine Genetik und Molekularbiologie,
sondern am fleischigen Ende der Skala.
Unsere Zeit ist begrenzt.
Oft konzentrieren wir uns auf eine Krankheit,
ein Modell, ein Problem,
aber meine Erfahrung sagt mir,
dass wir uns die Zeit nehmen sollten,
Ideen systemübergreifend anzuwenden,
einfach um zu schauen, wohin wir so kommen.
Denn wenn uns Ideen über wirbellose Skelette
Erkenntnisse über
die reproduktiven Systeme von Säugetieren geben können,
dann warten vielleicht viele andere verrückte und produktive
Verbindungen da draußen darauf, von uns gefunden zu werden.
Danke.
(Beifall)