1 00:00:00,000 --> 00:00:02,901 Ich liebe Rätsel, 2 00:00:02,901 --> 00:00:07,313 und mich fasziniert das größte, ungelöste Rätsel der Wissenschaft, 3 00:00:07,313 --> 00:00:09,661 vielleicht, weil es persönlich ist. 4 00:00:09,661 --> 00:00:11,539 Es geht darum, wer wir sind, 5 00:00:11,539 --> 00:00:14,166 da muss ich einfach neugierig sein. 6 00:00:14,166 --> 00:00:16,185 Das Mysterium ist folgendes: 7 00:00:16,185 --> 00:00:19,210 Was ist die Beziehung zwischen unserem Hirn 8 00:00:19,210 --> 00:00:21,246 und unseren bewussten Erfahrungen, 9 00:00:21,246 --> 00:00:23,891 wie etwa dem Geschmack von Schokolade 10 00:00:23,891 --> 00:00:26,755 oder dem Gefühl von Samt? 11 00:00:26,755 --> 00:00:28,991 Dieses Mysterium ist nicht neu. 12 00:00:28,991 --> 00:00:32,598 1868 schrieb Thomas Huxley: 13 00:00:32,598 --> 00:00:37,156 "Wie kann etwas so Außergewöhnliches wie ein Bewusstseinszustand, 14 00:00:37,156 --> 00:00:41,404 hervorgerufen durch einen Reiz des Nervensystems, 15 00:00:41,404 --> 00:00:43,325 genau so unerklärlich sein 16 00:00:43,325 --> 00:00:48,018 wie die Erscheinung des Dschinns aus Aladdins Lampe." 17 00:00:49,268 --> 00:00:51,695 Huxley wusste, dass Gehirnaktivität 18 00:00:51,695 --> 00:00:54,819 und bewusste Erfahrungen zusammenhängen, 19 00:00:54,819 --> 00:00:56,978 aber er wusste nicht, warum. 20 00:00:56,978 --> 00:01:00,529 Der damaligen Wissenschaft war es ein Rätsel. 21 00:01:00,529 --> 00:01:02,625 Seither hat die Wissenschaft 22 00:01:02,625 --> 00:01:05,801 viel über die Hirntätigkeit gelernt, 23 00:01:05,801 --> 00:01:08,050 aber die Verbindung zwischen Hirntätigkeit 24 00:01:08,050 --> 00:01:10,680 und bewusster Erfahrung blieb ein Rätsel. 25 00:01:10,680 --> 00:01:14,555 Warum haben wir so wenige Fortschritte gemacht? 26 00:01:14,555 --> 00:01:19,414 Einige Experten glauben, uns fehlten die nötigen Konzepte 27 00:01:19,414 --> 00:01:23,883 und die Intelligenz, um das Rätsel zu lösen. 28 00:01:23,883 --> 00:01:28,117 Wir fordern von keinem Affen, Probleme der Quantenmechanik zu lösen. 29 00:01:28,117 --> 00:01:32,487 Und so können wir auch von uns eine Lösung des Rätsels nicht erwarten. 30 00:01:32,487 --> 00:01:35,661 Ich sehe das anders, optimistischer. 31 00:01:35,661 --> 00:01:38,875 Ich meine, wir sind von einer falschen Annahme ausgegangen. 32 00:01:38,875 --> 00:01:42,209 Wenn wir das beheben, könnten wir das Problem lösen. 33 00:01:42,209 --> 00:01:44,971 Heute erkläre ich Ihnen, was diese Annahme ist, 34 00:01:44,971 --> 00:01:47,905 warum sie falsch und wie sie zu korrigieren ist. 35 00:01:47,905 --> 00:01:49,778 Fangen wir mit einer Frage an: 36 00:01:49,778 --> 00:01:52,866 Sehen wir die Realität, wie sie wirklich ist? 37 00:01:52,866 --> 00:01:54,561 Ich öffne meine Augen, 38 00:01:54,561 --> 00:02:00,800 und nehme etwas wahr, das ich beschreibe als: 'rote Tomate, einen Meter entfernt'. 39 00:02:00,606 --> 00:02:03,336 Dadurch glaube ich daran, 40 00:02:03,336 --> 00:02:06,771 dass einen Meter entfernt eine rote Tomate liegt. 41 00:02:06,771 --> 00:02:12,415 Ich schließe meine Augen wieder, und nehme nur Grau wahr. 42 00:02:12,425 --> 00:02:18,071 Liegt nun in der Realität einen Meter entfernt immer noch eine rote Tomate? 43 00:02:18,361 --> 00:02:21,913 Ich glaube schon, aber könnte ich falsch liegen? 44 00:02:21,913 --> 00:02:26,511 Könnte ich die Natur meiner Wahrnehmung falsch interpretieren? 45 00:02:27,351 --> 00:02:30,551 Wir haben dies schon öfters getan. 46 00:02:30,551 --> 00:02:34,620 Wir dachten, die Erde sei flach, weil sie flach aussieht. 47 00:02:34,620 --> 00:02:37,586 Pythagoras fand heraus, dass wir falsch lagen. 48 00:02:37,586 --> 00:02:41,598 Dann glaubten wir, die Erde sei das regungslose Zentrum des Universums, 49 00:02:41,603 --> 00:02:43,766 wieder, weil es eben so aussah. 50 00:02:44,406 --> 00:02:48,982 Kopernikus und Galileo fanden heraus, dass wir wieder falsch lagen. 51 00:02:48,982 --> 00:02:52,015 Galileo fragte sich, ob wir unsere Erfahrungen 52 00:02:52,015 --> 00:02:54,608 auch in anderen Sachen fehlinterpretieren. 53 00:02:54,608 --> 00:02:59,917 Er schrieb: "Ich glaube, Geschmack, Gerüche, Farben etc. 54 00:02:59,917 --> 00:03:02,281 befinden sich im Bewusstsein. 55 00:03:02,291 --> 00:03:08,413 Ohne Lebewesen gäbe es diese Eigenschaften nicht." 56 00:03:08,955 --> 00:03:11,280 Das ist eine verblüffende Behauptung. 57 00:03:11,184 --> 00:03:12,905 Könnte Galileo richtig liegen? 58 00:03:12,905 --> 00:03:17,593 Missinterpretieren wir unsere Erfahrungen wirklich so arg? 59 00:03:17,593 --> 00:03:20,874 Was sagt die moderne Wissenschaft dazu? 60 00:03:20,884 --> 00:03:25,928 Neurowissenschaftler sagen, dass ein Drittel der Hirnrinde 61 00:03:25,928 --> 00:03:27,786 am Sehen beteiligt ist. 62 00:03:27,786 --> 00:03:31,292 Wenn Sie Ihre Augen öffnen und sich im Raum umschauen, 63 00:03:31,292 --> 00:03:35,564 arbeiten Milliarden Neuronen und Billionen Synapsen. 64 00:03:35,564 --> 00:03:37,172 Das ist überraschend, 65 00:03:37,172 --> 00:03:39,813 denn wenn wir überhaupt daran denken, 66 00:03:39,813 --> 00:03:42,650 stellen wir uns das Sehen wie eine Kamera vor. 67 00:03:42,650 --> 00:03:46,590 Man macht einfach ein Bild der objektiven Realität, wie sie ist. 68 00:03:46,590 --> 00:03:50,290 Tatsächlich funktioniert ein Teil des Sehens wie eine Kamera: 69 00:03:50,290 --> 00:03:54,929 Das Auge hat eine Linse, welche ein Bild an die Rückwand des Auges wirft, 70 00:03:54,929 --> 00:03:58,319 wo 130 Millionen Fotorezeptoren sitzen. 71 00:03:58,319 --> 00:04:02,219 Das Auge ist also wie eine 130-Megapixel-Kamera. 72 00:04:02,219 --> 00:04:07,402 Das erklärt aber die Milliarden Neuronen und Billionen Synapsen nicht, 73 00:04:07,402 --> 00:04:09,324 die am Sehen beteiligt sind. 74 00:04:09,324 --> 00:04:11,433 Was tun diese Neuronen? 75 00:04:11,433 --> 00:04:13,420 Neurowissenschaftler erklären uns, 76 00:04:13,420 --> 00:04:20,368 dass sie wahrgenommene Formen, Objekte, Farben und Bewegung in Echtzeit erzeugen. 77 00:04:20,368 --> 00:04:23,920 Es scheint, als würden wir diesen Raum fotografieren, wie er ist. 78 00:04:23,920 --> 00:04:27,226 In Wirklichkeit erzeugen wir alles, was wir sehen. 79 00:04:27,226 --> 00:04:30,407 Wir konstruieren nicht die ganze Welt, 80 00:04:30,407 --> 00:04:33,552 sondern nur das, was wir gerade brauchen. 81 00:04:33,552 --> 00:04:36,622 Es gibt viele überzeugende Beispiele, 82 00:04:36,622 --> 00:04:38,720 dass wir das, was wir sehen, konstruieren. 83 00:04:38,720 --> 00:04:40,623 Ich zeige Ihnen nur zwei: 84 00:04:41,643 --> 00:04:46,529 In diesem Beispiel sehen Sie rote Flächen, aus denen etwas ausgeschnitten wurde. 85 00:04:46,529 --> 00:04:49,470 Wenn ich die jetzt drehe, 86 00:04:49,470 --> 00:04:53,427 sehen Sie plötzlich einen Würfel, der aus dem Bildschirm kommt. 87 00:04:54,447 --> 00:04:57,040 Der Bildschirm ist natürlich flach, 88 00:04:57,040 --> 00:04:59,640 dieser 3D-Würfel, den Sie wahrnehmen, 89 00:04:59,640 --> 00:05:02,617 muss also von Ihnen konstruiert sein. 90 00:05:03,397 --> 00:05:05,310 Im nächsten Beispiel 91 00:05:05,310 --> 00:05:09,534 sehen Sie leuchtende blaue Balken mit klarer Kontur 92 00:05:09,534 --> 00:05:12,718 sich über ein Punktefeld bewegen. 93 00:05:13,658 --> 00:05:16,845 Doch kein einziger Punkt bewegt sich. 94 00:05:16,845 --> 00:05:20,976 Die Punkte ändern lediglich ihre Farbe zwischen jedem Einzelbild, 95 00:05:20,976 --> 00:05:23,927 von Blau zu Schwarz oder Schwarz zu Blau. 96 00:05:23,927 --> 00:05:25,761 Wenn das schnell genug geht, 97 00:05:25,761 --> 00:05:29,476 erschafft Ihr visuelles System die leuchtenden blauen Balken 98 00:05:29,476 --> 00:05:32,147 mit den Kanten und der Bewegung. 99 00:05:32,147 --> 00:05:34,817 Das sind nur zwei von vielen Beispielen, 100 00:05:34,817 --> 00:05:37,580 dass wir das, was wir sehen, selber erschaffen. 101 00:05:37,580 --> 00:05:40,253 Neurowissenschaftler gehen noch weiter. 102 00:05:41,195 --> 00:05:46,496 Sie behaupten, wir rekonstruieren die Realität. 103 00:05:46,496 --> 00:05:50,722 Eine Sinneserfahrung, die Sie als rote Tomate beschreiben, 104 00:05:50,722 --> 00:05:54,855 ist tatsächlich eine akkurate Rekonstruktion 105 00:05:54,855 --> 00:05:57,180 der Eigenschaften einer echten Tomate, 106 00:05:57,180 --> 00:06:01,475 die auch dann existieren würde, wenn Sie nicht hinsähen. 107 00:06:01,475 --> 00:06:04,788 Warum sprechen Neurowissenschaftler nicht nur vom Konstruieren, 108 00:06:04,788 --> 00:06:06,598 sondern vom Rekonstruieren? 109 00:06:06,598 --> 00:06:12,337 Die übliche Begründung dafür ist eine evolutionsbedingte. 110 00:06:12,341 --> 00:06:15,684 Diejenigen unserer Vorfahren, die am besten sehen konnten, 111 00:06:15,684 --> 00:06:20,233 hatten einen Vorteil im Wettbewerb mit den weniger gut sehenden, 112 00:06:20,233 --> 00:06:23,536 und gaben ihre Gene mit größerer Wahrscheinlichkeit weiter. 113 00:06:23,536 --> 00:06:26,380 Wir sind die Nachkommen derer, die akkurater sehen konnten, 114 00:06:26,380 --> 00:06:29,149 also nehmen wir an, dass unsere Wahrnehmung, 115 00:06:29,149 --> 00:06:31,680 in den meisten Fällen richtig ist. 116 00:06:31,680 --> 00:06:35,375 Das steht auch so in den Schulbüchern. 117 00:06:35,375 --> 00:06:37,369 Ein Beispiel dafür ist: 118 00:06:37,369 --> 00:06:40,169 "Evolutionär gesehen ist das Sehen nützlich, 119 00:06:40,169 --> 00:06:43,383 gerade weil es so akkurat ist." 120 00:06:43,383 --> 00:06:48,181 Dahinter steckt, dass genauere Wahrnehmung anpassungsfähiger ist. 121 00:06:48,181 --> 00:06:50,325 Sie gibt einem einen Überlebensvorteil. 122 00:06:50,325 --> 00:06:51,740 Ist das wirklich richtig? 123 00:06:51,740 --> 00:06:55,027 Ist das die richtige Interpretation der Evolutionstheorie? 124 00:06:55,027 --> 00:06:58,150 Gucken wir uns dafür ein paar Beispiele der Natur an. 125 00:06:58,800 --> 00:07:01,238 Der australische Prachtkäfer 126 00:07:01,238 --> 00:07:04,349 hat Rillen im Panzer, glänzt und ist braun. 127 00:07:04,349 --> 00:07:06,694 Die Weibchen können nicht fliegen. 128 00:07:06,694 --> 00:07:10,711 Das Männchen fliegt herum und sucht nach einem schicken Weibchen. 129 00:07:10,711 --> 00:07:14,659 Wenn er eines gefunden hat, landet er und paart sich. 130 00:07:14,659 --> 00:07:17,130 Es gibt noch eine weitere Spezies in der Wildnis. 131 00:07:17,130 --> 00:07:18,464 Homo Sapiens. 132 00:07:18,464 --> 00:07:21,531 Das Männchen hat ein großes Hirn, 133 00:07:21,531 --> 00:07:25,519 welches er für die Jagd auf kaltes Bier einsetzt. 134 00:07:25,519 --> 00:07:26,948 (Lachen) 135 00:07:26,948 --> 00:07:29,542 Und wenn er eins findet, trinkt er es aus, 136 00:07:29,542 --> 00:07:32,932 und schmeißt die Flasche in die Wildnis. 137 00:07:32,932 --> 00:07:37,180 Die Flaschen haben auch Rillen, glänzen, 138 00:07:37,180 --> 00:07:41,320 und haben genau das richtige Braun, um diese Käfer in Stimmung zu bringen. 139 00:07:42,582 --> 00:07:46,765 Die Männchen setzen sich auf die Flaschen, und versuchen, sich zu paaren. 140 00:07:47,582 --> 00:07:50,369 Sie verlieren jegliches Interesse an den Weibchen. 141 00:07:50,369 --> 00:07:54,572 Ein typischer Fall in dem das Männchen, das Weibchen durch die Flasche ersetzt. 142 00:07:54,572 --> 00:07:57,519 (Lachen) (Applaus) 143 00:07:59,402 --> 00:08:01,863 Diese Käferart wäre fast ausgestorben. 144 00:08:02,443 --> 00:08:06,752 Australien musste die Flaschen ändern, um seine Käfer zu retten. 145 00:08:06,752 --> 00:08:08,332 (Lachen) 146 00:08:09,752 --> 00:08:13,960 Die Männchen hatten doch Tausende oder sogar Millionen von Jahren 147 00:08:13,960 --> 00:08:16,398 ihre Weibchen erfolgreich finden können. 148 00:08:16,398 --> 00:08:20,692 Es schien, als könnten sie die wirkliche Realität sehen -- aber nein. 149 00:08:20,692 --> 00:08:23,889 Die Evolution gab ihnen eine Abkürzung. 150 00:08:23,889 --> 00:08:28,425 Ein Weibchen ist alles Unebene, Glänzende und Braune, 151 00:08:28,425 --> 00:08:30,701 je größer, desto besser. 152 00:08:30,701 --> 00:08:32,535 (Lachen) 153 00:08:32,535 --> 00:08:37,815 Selbst beim Krabbeln über die Flasche, merkten die Männchen ihren Fehler nicht. 154 00:08:37,815 --> 00:08:41,590 Jetzt sagen Sie vielleicht: "Käfer, diese einfachen Kreaturen ... 155 00:08:41,590 --> 00:08:43,759 Aber Säugetieren passiert so etwas nicht, 156 00:08:43,759 --> 00:08:46,155 die brauchen keine Tricks." 157 00:08:46,165 --> 00:08:49,428 Ich führe das nicht weiter aus, Sie wissen, was ich meine. 158 00:08:49,948 --> 00:08:51,428 (Lachen) 159 00:08:52,178 --> 00:08:55,336 Das wirft eine wichtige, fachliche Frage auf: 160 00:08:55,336 --> 00:09:00,537 Bevorzugt die natürliche Selektion das Sehen der Realität, wie sie ist? 161 00:09:01,777 --> 00:09:05,352 Zum Glück müssen wir nicht viel herumraten, 162 00:09:05,352 --> 00:09:08,976 da die Evolutionstheorie eine mathematisch akkurate ist. 163 00:09:08,976 --> 00:09:12,147 Wir können es mit den Gleichungen der Evolution herausfinden. 164 00:09:12,147 --> 00:09:15,953 Wir lassen verschiedene Organismen in künstlichen Welten konkurrieren 165 00:09:15,953 --> 00:09:18,350 und sehen, welche überleben und Erfolg haben, 166 00:09:18,350 --> 00:09:21,806 wessen Wahrnehmungssystem am besten geeignet ist. 167 00:09:21,806 --> 00:09:25,891 Ein Schlüsselbegriff dieser Gleichungen ist die Tauglichkeit. 168 00:09:25,891 --> 00:09:29,466 Stellen Sie sich dieses Steak vor: 169 00:09:29,466 --> 00:09:33,458 Welchen Einfluss hat es auf die Tauglichkeit eines Tieres? 170 00:09:33,458 --> 00:09:39,604 Die Tauglichkeit eines hungrigen Löwen verbessert es; 171 00:09:39,879 --> 00:09:44,903 die eines gut genährten Löwen, der sich paaren will, nicht. 172 00:09:45,823 --> 00:09:49,924 Und die Tauglichkeit eines Hasen verbessert es keinesfalls. 173 00:09:49,924 --> 00:09:54,048 Die Tauglichkeit hängt daher von der Realität, wie sie ist, ab; 174 00:09:54,048 --> 00:09:58,236 aber auch vom Organismus, seiner Situation und Handlung. 175 00:09:58,236 --> 00:10:01,789 Tauglichkeit ist also nicht das Gleiche wie die Realität, wie sie ist. 176 00:10:01,789 --> 00:10:05,272 Es ist die Tauglichkeit -- nicht die Realität, wie sie ist -- 177 00:10:05,272 --> 00:10:09,451 die in der Gleichung der Evolution die zentrale Rolle spielt. 178 00:10:09,451 --> 00:10:12,294 In meinem Labor 179 00:10:12,294 --> 00:10:16,417 haben wir Hunderttausende Evolutionssimulationen durchgeführt, 180 00:10:16,417 --> 00:10:19,482 in vielen zufällig gewählten Welten, 181 00:10:19,482 --> 00:10:23,661 mit Organismen, die dort um die Ressourcen konkurrieren. 182 00:10:23,661 --> 00:10:27,980 Einige Organismen sehen die ganze Realität, 183 00:10:27,980 --> 00:10:29,869 andere nur einen Teil 184 00:10:29,869 --> 00:10:31,974 und wieder andere gar nichts davon, 185 00:10:31,974 --> 00:10:34,216 nur ihre Tauglichkeit und Anpassung. 186 00:10:34,216 --> 00:10:35,906 Wer gewinnt? 187 00:10:35,906 --> 00:10:41,140 Es tut mir leid, das sagen zu müssen, aber die Wahrnehmung der Realität 188 00:10:41,140 --> 00:10:44,164 stirbt in fast jeder Simulation aus. 189 00:10:44,164 --> 00:10:46,365 Organismen, die nichts von der Realität sehen 190 00:10:46,365 --> 00:10:48,702 und nur auf Tauglichkeit und Anpassung setzen, 191 00:10:48,702 --> 00:10:53,660 lassen alle anderen aussterben, die die Realität wahrnehmen, wie sie ist. 192 00:10:53,660 --> 00:11:00,085 Wir sehen, dass die Evolution akkurate Wahrnehmung nicht favorisiert. 193 00:11:00,085 --> 00:11:03,668 Diese Realitätswahrnehmungen sterben aus. 194 00:11:03,668 --> 00:11:05,428 Das ist überraschend. 195 00:11:05,428 --> 00:11:09,198 Wie kann ungenaues Sehen 196 00:11:09,198 --> 00:11:11,190 einen Überlebensvorteil bringen? 197 00:11:11,190 --> 00:11:13,303 Das widerspricht dem Bauchgefühl. 198 00:11:13,303 --> 00:11:15,538 Erinnern wir uns an den Prachtkäfer: 199 00:11:15,538 --> 00:11:18,899 Er hat für Tausende, vielleicht Millionen Jahre 200 00:11:18,899 --> 00:11:21,593 mit seinen Tricks und Kniffen überlebt. 201 00:11:21,593 --> 00:11:24,770 Die Evolutionsgleichungen sagen, 202 00:11:24,770 --> 00:11:30,113 dass alle Organismen, uns eingeschlossen, im selben Boot wie der Käfer sitzen. 203 00:11:30,113 --> 00:11:32,676 Wir sehen die Realität nicht, wie sie ist. 204 00:11:32,676 --> 00:11:36,637 Wir sind durch Tricks und Kniffe geprägt, die uns am Leben halten. 205 00:11:36,637 --> 00:11:40,614 Wir müssen unserem Bauchgefühl also auf die Sprünge helfen. 206 00:11:40,614 --> 00:11:45,485 Wie kann das Nicht-Wahrnehmen der Realität nützlich sein? 207 00:11:45,485 --> 00:11:49,154 Zum Glück gibt es dafür eine hilfreiche Metapher: 208 00:11:49,154 --> 00:11:51,986 Die Desktopoberfläche Ihres Computers. 209 00:11:51,986 --> 00:11:56,119 Denken Sie an das blaue Symbol für einen TEDTalk, den Sie schreiben. 210 00:11:56,119 --> 00:12:00,123 Es ist blau und rechteckig, 211 00:12:00,123 --> 00:12:03,314 und in der unteren, rechten Ecke. 212 00:12:03,324 --> 00:12:08,195 Heißt das, dass die Textdatei im Computer auch blau, rechteckig, 213 00:12:08,200 --> 00:12:11,955 und in der unteren, rechten Ecke ist? 214 00:12:11,955 --> 00:12:13,278 Natürlich nicht. 215 00:12:13,278 --> 00:12:17,987 Wer das glaubt, versteht den Sinn der Benutzeroberfläche nicht. 216 00:12:17,987 --> 00:12:21,082 Sie soll nicht die Realität des Computers zeigen, 217 00:12:21,082 --> 00:12:23,429 sondern diese Realität verstecken. 218 00:12:23,429 --> 00:12:26,194 Mit den Dioden, Widerständen und Megabytes an Software 219 00:12:26,194 --> 00:12:27,708 will man sich nicht befassen. 220 00:12:27,708 --> 00:12:28,911 Täten Sie das, 221 00:12:28,911 --> 00:12:32,734 kämen Sie nie dazu, Texte zu schreiben oder Bilder zu bearbeiten. 222 00:12:32,734 --> 00:12:37,128 Das Prinzip ist also, dass die Evolution uns eine Oberfläche gegeben hat, 223 00:12:37,128 --> 00:12:41,443 die die Realität versteckt und unser Lernverhalten leitet. 224 00:12:41,443 --> 00:12:44,461 Raum und Zeit, wie Sie sie gerade wahrnehmen, 225 00:12:44,461 --> 00:12:46,635 sind Ihr Desktop; 226 00:12:46,635 --> 00:12:51,372 physische Objekte sind nur die Symbole darauf. 227 00:12:52,192 --> 00:12:54,413 Da gibt es einen naheliegenden Einwand: 228 00:12:54,413 --> 00:12:58,361 Hoffman, wenn dieser Zug, der mit 300 km/h auf dich zukommt, 229 00:12:58,361 --> 00:13:00,822 nur ein Symbol auf deinem Bildschirm ist, 230 00:13:00,822 --> 00:13:02,737 warum springst du dann nicht davor? 231 00:13:02,737 --> 00:13:05,143 Und wenn du samt deiner Theorie fort bist, 232 00:13:05,143 --> 00:13:08,709 wissen wir, dass der Zug mehr ist, als ein Symbol auf dem Desktop. 233 00:13:08,709 --> 00:13:11,910 Ich würde aus dem selben Grund, nicht vor den Zug springen, 234 00:13:11,920 --> 00:13:16,448 aus dem ich dieses Symbol nicht einfach in den Papierkorb verschieben würde: 235 00:13:16,448 --> 00:13:19,539 Nicht, weil ich das Symbol "wörtlich" nehme -- 236 00:13:19,539 --> 00:13:22,934 die Datei ist weder blau noch rechteckig -- 237 00:13:22,934 --> 00:13:25,260 aber ich nehme es trotzdem ernst. 238 00:13:25,260 --> 00:13:27,291 Ich könnte Wochen an Arbeit verlieren. 239 00:13:27,291 --> 00:13:29,845 In ähnlicher Weise hat die Evolution 240 00:13:29,845 --> 00:13:34,811 uns mit Wahrnehmungs-Symbolen geprägt, die uns am Leben halten sollen. 241 00:13:34,811 --> 00:13:37,276 Wir nehmen sie besser ernst. 242 00:13:37,276 --> 00:13:39,814 Sehen Sie eine Schlange, heben Sie sie nicht auf. 243 00:13:39,814 --> 00:13:43,150 Stehen Sie an einer Klippe, springen Sie nicht hinunter. 244 00:13:43,150 --> 00:13:46,650 Die Symbole sollen uns schützen und wir sollten sie ernst, 245 00:13:46,650 --> 00:13:49,148 aber nicht "wörtlich" nehmen. 246 00:13:49,148 --> 00:13:51,671 Das ist ein logischer Fehler. 247 00:13:51,671 --> 00:13:54,876 Ein anderer Einwand: Das ist doch alles nichts Neues. 248 00:13:54,876 --> 00:13:58,800 Physiker sagen schon lange, dass das Metall des Zuges fest aussieht, 249 00:13:58,800 --> 00:14:03,188 aber größtenteils leerer Raum mit herum flitzenden mikroskopischen Teilchen ist. 250 00:14:03,188 --> 00:14:04,676 Das ist also nichts Neues. 251 00:14:04,676 --> 00:14:06,880 Das stimmt nicht ganz. 252 00:14:06,880 --> 00:14:10,920 Genau so könnte man sagen, dass das blaue Symbol auf dem Desktop 253 00:14:10,920 --> 00:14:13,219 nicht die Realität des Computers ist, 254 00:14:13,219 --> 00:14:16,678 dann seine gute alte Lupe herausholen, ganz nah dran gehen, 255 00:14:16,678 --> 00:14:18,489 die kleinen Pixel sehen 256 00:14:18,489 --> 00:14:20,950 und diese für die Realität des Computers halten. 257 00:14:20,950 --> 00:14:24,758 Falsch. Sie sind immer noch auf dem Desktop, darum geht es. 258 00:14:24,758 --> 00:14:27,754 Diese kleinen Teilchen sind immer noch in Raum und Zeit, 259 00:14:27,754 --> 00:14:30,145 immer noch auf der Benutzeroberfläche. 260 00:14:30,145 --> 00:14:34,227 Ich behaupte also etwas viel Radikaleres als die Physiker. 261 00:14:34,227 --> 00:14:36,200 Zuletzt könnten Sie einwenden, 262 00:14:36,200 --> 00:14:38,759 dass wir alle den Zug sehen, 263 00:14:38,759 --> 00:14:41,801 ihn also keiner von uns selbst konstruiert. 264 00:14:41,801 --> 00:14:43,891 Erinnern Sie sich aber an dieses Beispiel: 265 00:14:43,891 --> 00:14:47,087 Hier sehen wir alle einen Würfel, 266 00:14:47,087 --> 00:14:49,070 aber der Bildschirm ist flach, 267 00:14:49,070 --> 00:14:52,926 also ist der Würfel ein Konstrukt. 268 00:14:53,736 --> 00:14:55,779 Wir sehen alle diesen Würfel, 269 00:14:55,779 --> 00:15:00,408 weil jeder Einzelne von uns, diesen Würfel selbst konstruiert. 270 00:15:00,408 --> 00:15:02,698 Das Gleiche gilt für den Zug. 271 00:15:02,698 --> 00:15:07,180 Wir sehen alle einen Zug, weil wir alle den Zug sehen, den wir konstruieren. 272 00:15:07,180 --> 00:15:10,733 Das gleiche gilt für alle anderen physischen Objekte. 273 00:15:11,853 --> 00:15:17,491 Wir tendieren dazu, unsere Wahrnehmung als Fenster zur echten Realität zu sehen. 274 00:15:17,491 --> 00:15:19,304 Die Evolutionstheorie zeigt uns, 275 00:15:19,304 --> 00:15:24,543 dass das eine falsche Interpretation unserer Wahrnehmungen ist. 276 00:15:24,543 --> 00:15:28,639 Die Realität ist eher wie ein 3D-Bildschirm, 277 00:15:28,639 --> 00:15:31,936 der die Komplexität der wirklichen Welt verstecken 278 00:15:31,936 --> 00:15:34,400 und unser Lernverhalten leiten soll. 279 00:15:34,282 --> 00:15:37,438 Der Raum, wie Sie ihn wahrnehmen, ist Ihr Desktop. 280 00:15:37,438 --> 00:15:40,588 Die physischen Objekte sind die Symbole darauf. 281 00:15:41,456 --> 00:15:45,126 Wir glaubten, die Erde sei flach, weil es so aussieht; 282 00:15:45,520 --> 00:15:48,777 wir glaubten, die Erde wäre das unbewegliche Zentrum der Realität, 283 00:15:48,777 --> 00:15:50,378 weil es so aussieht. 284 00:15:50,378 --> 00:15:51,520 Wir lagen falsch. 285 00:15:51,520 --> 00:15:54,280 Wir haben unsere Wahrnehmungen falsch interpretiert. 286 00:15:54,720 --> 00:15:58,319 Jetzt glauben wir, dass Raumzeit und Objekte 287 00:15:58,319 --> 00:16:01,469 die Beschaffenheit der Realität sind, wie diese wirklich ist. 288 00:16:01,469 --> 00:16:05,377 Die Evolutionstheorie beweist uns wieder, dass wir falsch liegen. 289 00:16:05,377 --> 00:16:10,416 Wir interpretieren den Inhalt unserer Sinneswahrnehmungen falsch. 290 00:16:10,416 --> 00:16:12,947 Etwas existiert auch dann, wenn man wegschaut, 291 00:16:12,947 --> 00:16:16,007 aber es sind weder die Raumzeit noch physische Objekte. 292 00:16:16,007 --> 00:16:19,530 Es fällt uns so schwer, die Raumzeit und Objekte loszulassen, 293 00:16:19,530 --> 00:16:22,691 wie dem Prachtkäfer seine Flasche. 294 00:16:22,691 --> 00:16:27,279 Warum? Weil wir blind sind für unsere eigene Blindheit. 295 00:16:27,969 --> 00:16:30,596 Aber wir haben gegenüber dem Käfer einen Vorteil: 296 00:16:30,596 --> 00:16:32,544 Wissenschaft und Technologie. 297 00:16:32,544 --> 00:16:35,316 Mit dem Blick durch die Linse des Teleskops, 298 00:16:35,316 --> 00:16:39,571 entdeckten wir, dass die Erde nicht das unbewegte Zentrum der Realität ist 299 00:16:39,571 --> 00:16:42,801 und mit dem Blick durch die Linse der Evolutionstheorie, 300 00:16:42,801 --> 00:16:44,771 dass die Raumzeit und Objekte 301 00:16:44,771 --> 00:16:47,039 nicht die Beschaffenheit der Realität sind. 302 00:16:47,039 --> 00:16:51,424 Bei einer Wahrnehmungserfahrung, die ich als rote Tomate beschreibe, 303 00:16:51,424 --> 00:16:54,361 interagiere ich mit der Realität, 304 00:16:54,361 --> 00:16:59,571 aber diese Realität ist keine rote Tomate, und auch nichts Ähnliches. 305 00:16:59,571 --> 00:17:04,862 Auch wenn ich etwas wahrnehme, das ich als Löwen oder Steak beschreibe, 306 00:17:04,862 --> 00:17:06,820 interagiere ich mit der Realität, 307 00:17:06,820 --> 00:17:09,978 aber diese ist weder Löwe noch Steak. 308 00:17:09,978 --> 00:17:11,998 Und hier ist das Beste: 309 00:17:11,998 --> 00:17:16,688 Wenn ich eine Wahrnehmungserfahrung mache, die ich als Hirn oder Neuronen beschreibe, 310 00:17:16,688 --> 00:17:18,778 interagiere ich mit der Realität, 311 00:17:18,778 --> 00:17:22,307 aber diese ist weder Gehirn noch Neuronen, 312 00:17:22,307 --> 00:17:25,795 und ihnen auch kein bisschen ähnlich. 313 00:17:27,185 --> 00:17:30,634 Diese Realität, was auch immer sie ist, 314 00:17:30,634 --> 00:17:35,309 ist der wahre Ursprung von Ursache und Wirkung in der Welt -- 315 00:17:35,309 --> 00:17:38,227 nicht die Gehirne oder die Neuronen. 316 00:17:38,227 --> 00:17:40,827 Die beiden haben keine kausalen Kräfte. 317 00:17:40,827 --> 00:17:43,428 Sie verursachen weder unsere Wahrnehmungserfahrungen 318 00:17:43,428 --> 00:17:45,216 noch unser Verhalten. 319 00:17:45,216 --> 00:17:48,862 Hirne und Neuronen sind eine arteigene Reihe an Symbolen -- ein Trick. 320 00:17:50,362 --> 00:17:53,872 Was bedeutet das für das Rätsel des Bewusstseins? 321 00:17:53,883 --> 00:17:57,916 Es eröffnet neue Möglichkeiten. 322 00:17:57,916 --> 00:18:03,611 Zum Beispiel, dass Realität eine große Maschine ist, 323 00:18:03,611 --> 00:18:06,420 die unsere bewussten Erfahrungen verursacht. 324 00:18:06,420 --> 00:18:10,000 Ich bezweifle das, aber es ist eine Untersuchung wert. 325 00:18:10,000 --> 00:18:15,609 Vielleicht ist Realität ein großes, interagierendes Netz bewusster Kräfte, 326 00:18:15,609 --> 00:18:21,182 einfach und komplex, die gegenseitig ihre Erfahrungen verursachen. 327 00:18:21,182 --> 00:18:24,432 Das ist nicht so verrückt, wie es sich anhört, 328 00:18:24,432 --> 00:18:26,596 und ich erforsche es gerade. 329 00:18:26,596 --> 00:18:28,658 Aber hier ist der Knackpunkt: 330 00:18:28,658 --> 00:18:31,979 Wenn wir von unserer ebenso sehr intuitiven, 331 00:18:31,979 --> 00:18:35,903 wie falschen These über die Beschaffenheit der Realität abkommen, 332 00:18:35,903 --> 00:18:40,291 eröffnet uns das neue Denkweisen über das größte Rätsel des Lebens. 333 00:18:41,251 --> 00:18:45,517 Ich wette, dass die Realität faszinierender 334 00:18:45,517 --> 00:18:49,834 und unerwarteter aussehen wird, als wir sie uns je vorgestellt haben. 335 00:18:49,834 --> 00:18:54,652 Die Evolutionstheorie stellt uns vor das ultimative Wagnis: 336 00:18:54,652 --> 00:18:59,870 Anzuerkennen, dass es beim Wahrnehmen nicht um das Sehen der Wahrheit geht, 337 00:18:59,870 --> 00:19:02,930 sondern darum, Kinder zu haben. 338 00:19:02,930 --> 00:19:08,200 Und nebenbei: Selbst diesen TED gibt es nur in Ihrem Kopf. 339 00:19:08,200 --> 00:19:10,244 Vielen Dank. 340 00:19:10,244 --> 00:19:15,282 (Applaus) 341 00:19:15,282 --> 00:19:18,732 Chris Anderson: Don, bleiben Sie hier. 342 00:19:19,366 --> 00:19:24,221 CA: Wenn das wirklich Sie sind, danke. 343 00:19:24,221 --> 00:19:27,322 Das wirft so viele Fragen auf. 344 00:19:27,322 --> 00:19:32,701 Der Gedanke, dass die Evolution nicht die Realität bevorzugt, 345 00:19:32,701 --> 00:19:35,970 könnte manche Menschen sehr verstören. 346 00:19:35,970 --> 00:19:39,870 Untergräbt das nicht all unsere Bestrebungen und Befähigungen 347 00:19:39,870 --> 00:19:42,345 zu glauben, die Wahrheit denken zu können, 348 00:19:42,345 --> 00:19:45,490 vielleicht sogar einschließlich Ihrer eigenen Theorie? 349 00:19:45,490 --> 00:19:49,944 Donald Hoffman: Das hält uns nicht von erfolgreicher Wissenschaft ab. 350 00:19:49,944 --> 00:19:52,756 Wir haben eine Theorie, die sich als falsch herausstellt: 351 00:19:52,756 --> 00:19:57,215 Die Wahrnehmung gleicht der Realität, und die Realität gleich der Wahrnehmung. 352 00:19:57,215 --> 00:19:58,900 Das hat sich als falsch erwiesen. 353 00:19:58,900 --> 00:20:00,518 Dann verwerfen wir diese Theorie. 354 00:20:00,518 --> 00:20:02,931 Wir können trotzdem, viele weitere Theorien 355 00:20:02,931 --> 00:20:04,882 über die Natur der Realität aufstellen. 356 00:20:04,882 --> 00:20:08,606 Es ist ein Fortschritt, zu verstehen, dass eine unserer Theorien falsch war. 357 00:20:08,606 --> 00:20:11,193 Die Wissenschaft geht weiter ihren Gang. Kein Problem. 358 00:20:11,193 --> 00:20:13,794 CA: Sie glauben also, es ist möglich -- (Lachen) -- 359 00:20:13,794 --> 00:20:17,904 Schön und gut, aber ich glaube, dass uns die Evolution 360 00:20:17,904 --> 00:20:20,321 dennoch zu Einsichten führen kann. 361 00:20:20,321 --> 00:20:22,864 DH: Ja. Das ist ein guter Punkt. 362 00:20:22,864 --> 00:20:27,391 In den Evolutions-Simulationen ging es speziell um Wahrnehmung, 363 00:20:27,391 --> 00:20:30,349 und sie zeigen, dass unsere Wahrnehmungen so geformt wurden, 364 00:20:30,349 --> 00:20:32,734 uns die Realität nicht so zu zeigen wie sie ist. 365 00:20:32,734 --> 00:20:36,122 Das muss aber nicht für unsere Logik oder Mathematik gelten. 366 00:20:36,122 --> 00:20:39,744 Wir haben dazu keine Simulationen durchgeführt, aber ich wette, 367 00:20:39,744 --> 00:20:42,775 dass Logik und Mathematik unter dem Selektionsdruck stehen, 368 00:20:42,775 --> 00:20:45,495 zumindest in Richtung Wahrheit zu deuten. 369 00:20:45,495 --> 00:20:48,027 Logik und Mathe sind nicht einfach. 370 00:20:48,027 --> 00:20:51,712 Wir lösen nicht alles richtig, aber zumindest deutet der Selektionsdruck 371 00:20:51,712 --> 00:20:54,308 nicht konstant von wahrer Mathematik und Logik weg. 372 00:20:54,308 --> 00:20:57,713 Wir müssen jeden kognitiven Bereich einzeln betrachten, 373 00:20:57,713 --> 00:21:00,252 und sehen, was die Evolution damit macht. 374 00:21:00,252 --> 00:21:03,682 Was für Wahrnehmung stimmt, muss nicht für Mathe und Logik stimmen. 375 00:21:03,682 --> 00:21:09,977 CA: Sie schlagen eine moderne George-Berkeley-Weltsicht vor: 376 00:21:09,998 --> 00:21:12,947 Bewusstsein schafft Materie, und nicht andersherum. 377 00:21:12,947 --> 00:21:14,899 DH: Es ist schon ein wenig anders. 378 00:21:14,899 --> 00:21:18,701 Als Deist war Berkeley der Meinung, 379 00:21:18,701 --> 00:21:21,768 dass die ultimative Natur der Realität Gott ist, und so weiter, 380 00:21:21,768 --> 00:21:23,850 dahin muss ich ihm nicht folgen. 381 00:21:23,850 --> 00:21:26,902 Es unterscheidet sich also ziemlich von Berkeley. 382 00:21:26,902 --> 00:21:31,235 Ich nenne es bewussten Realismus. Es ist eine ganz andere Sichtweise. 383 00:21:31,235 --> 00:21:35,570 CA: Ich könnte noch Stunden darüber reden, und hoffe, die Gelegenheit zu haben. 384 00:21:35,570 --> 00:21:37,298 Vielen Dank. DH: Danke. (Applaus)