Hallo zusammen. Ich habe eine besondere Botschaft: Jeder Mensch ist eine Geschichte. Sie sind eine Geschichte. Das klingt jetzt etwas klischeehaft, aber es ist die Wahrheit. Jeder von Ihnen hat etwas Einzigartiges, aber doch Universelles, das er teilen kann und das bei allen hier im Saal Anklang findet. Ich heiße Nora und das ist Arie. Wir sind die Gründer des Projekts "Human Postcards". Es handelt sich um eine Reihe von kurzen Videoporträts, die die faszinierenden Geschichten "normaler" Menschen erzählen. Ich möchte Ihnen heute erzählen, was ich aus den mehr als 100 Interviews mit Menschen aus aller Welt gelernt habe. Bei genauerer Betrachtung kann man einen roten Faden erkennen, das heißt Gedanken, Gefühle und Erfahrungen, die uns alle einen. Meine Mutter ist ein politischer Flüchtling aus Polen und ich habe als Einwanderertochter sehr viele tolle Fähigkeiten geerbt. Ich verstecke z. B. immer Geld in Kleidung und Taschen, falls ich mich einmal aus einer heiklen Situation freikaufen muss. Ich weiß auch, wie ich Essensreste viermal hintereinander aufwärmen kann, ohne dass Sie merken, dass Sie dasselbe Huhn wie an Tag 1 essen. Jawohl, das weiß ich. Ich glaube auch an den Rat meiner Mutter, dass das Wissen der einzige Besitz ist, den einem keiner nehmen kann. Es ist der einzige Besitz, den ich zu jeder Zeit überall hin mitnehmen kann. Meine Mutter sagte mir auch: "Menschen sind eine Wissensquelle. Höre ihnen gut zu und stelle ihnen so viele Fragen wie möglich." Und das tat ich auch. Sobald ich genug Geld gespart hatte, begann ich die Welt zu bereisen. Ich hörte den Menschen zu, stellte ihnen Fragen, um von ihren Erfahrungen, Perspektiven und einzigartigen Lebensläufen zu lernen und um so auch mich selbst besser verstehen zu können. Infolgedessen waren die Highlights meiner Reisen nie die Landschaften oder die Architektur der besuchten Orte, sondern vielmehr die Menschen. Mit der Zeit wurde das Verlangen größer, diese Treffen mit jemandem zu teilen. Ich wollte eine Postkarte versenden, nur um zu sagen: "Ich habe diesen Menschen getroffen. Dieser Mensch existiert. Das ist ein Teil dieses Menschens. Das Leben ist schön!" Dieses Verlangen führte mich dazu, das Projekt "Human Postcards" (Menschliche Postkarten) zu starten. Am Anfang von "Human Postcards" stand eine menschliche Reklametafel. Stellen Sie sich eine von Londons belebtesten Straßen vor. Menschen eilen unaufhörlich von A nach B; Menschen beim Einkaufen oder auf dem Weg zur Arbeit, Touristen, Menschen in Bussen oder Autos. Inmitten all dieser Hektik steht ein Mann still. Er macht in seinem hellgrünen Anzug Werbung für ein Golfgeschäft in der Nähe. Ich ging täglich an ihm vorbei. Jeden Tag stand er stundenlang da, während wir an ihm vorbeirauschten oder ihm auswichen wie einer Säule, die uns im Weg steht. Nach einiger Zeit fragte ich mich jedoch, wie ich mit seiner Geschichte all diese gestressten Menschen auf ihn aufmerksam machen könnte; ob ich ihnen den Menschen hinter der Reklametafel zeigen könnte. Nachdem ich ihn einige Tage beobachtet hatte, ging ich schließlich auf ihn zu. Ich hatte keinen Plan. Ich filmte ihn mit meinem Handy und stellte ihm ein paar Fragen. Ich erfuhr, dass er aus Bangladesch war und dort als Lehrer arbeitete. Während er auf dieser Straße stand, rezitierte er oft Gedichte in seinem Kopf. Nach unserem Gespräch eilte ich nach Hause, um das Ton- und Bildmaterial zu schneiden. Das Ergebnis erzeugte bei mir Gänsehaut. Ihn in der Menschenmenge, fast unsichtbar, stehen zu sehen und dennoch eine Art innere Stimme zu hören, war so bewegend, so aufrüttelnd. In dem Moment war "Human Postcards" geboren. Das Projekt "Human Postcards" ist eine fortlaufende Internetreihe, um die inspirierenden und meist kraftvollen Botschaften "normaler" Menschen weltweit festzuhalten. Ich erschuf das Projekt 2015 mit meinem Partner und Verlobten Arie van der Poel, einem Tontechniker aus Neuseeland. Zusammen produzierten wir mehr als 100 einzigartige Postkarten in 11 Ländern. Jede Postkarte dauert eine Minute und greift einen Aspekt oder eine Idee aus dem Leben der Person auf. Ich muss zugeben, dass es für mich vor allem eine gute Ausrede ist, um neue Leute kennen zu lernen und Ihnen, wie Mama sagte so viele Fragen zu stellen, wie ich will. Unser Projekt kann ich am besten erklären, indem ich Ihnen die wunderbaren Leute, die wir treffen durften, vorstelle. Ich beginne mit Jake, einem dreifach Amputierten. Jake verlor beide Beine und einen Arm in einem Schneesturm in Grönland, wo er arbeitete. Wir stellten ihm ein paar Fragen über seine Reise und die Genesung. Ich zeige Ihnen nun Jakes Postkarte. (Video beginnt) (Ein Mann lacht) Jake: Ich bin amputiert wegen Frostbeulen. Um ehrlich zu sein, würde ich wahrscheinlich nicht mehr tauschen wollen. Ich wurde immer gefragt: "Wenn du wählen könntest, möchtest du deine Beine oder deinen Arm zurück?" Ich sagte immer: "Ich möchte meinen Arm zurück haben. Ich kann ohne Beine leben." Nun bin ich glücklich so, wie ich bin. Das bin ich. Das gibt mir hoffentlich eine ganz neue Sicht der Dinge. Man trainiert plötzlich Dinge, an die man vorher nur gedacht hatte. Wie man ein guter Mensch ist. Wie man im Wald auf die Toilette geht. Einfache Dinge wie diese werden plötzlich zu Herausforderungen. Es ist nicht immer einfach, es zu tun, aber es ist einfach, es zu probieren. (Video endet) (Applaus) Nora Jaccaud: Danke. Die nächste Postkarte ist von dem achtjährigen Jungen Iñaki. Ich stellte ihm eine meiner Lieblingsfragen: "Was ist das Schönste, was dir in deinem Leben passiert ist? Hier kommt die Antwort. Iñakis Postkarte an Sie. (Video beginnt) (Vögel zwitschern) Iñaki: Das Schönste in meinem Leben war, das ich geboren wurde. Wir sollten alle dankbar sein für unsere Geburt, sonst wären wir nicht hier. Wir hätten kein Leben und wären nichts. Nicht einmal ein Staubkorn in der Luft. Einfach nichts. Manchmal frage ich mich, wie es wäre, nichts zu sein, nicht zu existieren, aber das geht nicht, denn ich lebe. Ich bin nicht nichts, sondern tatsächlich jemand, der lebt, der sich bewegen, fühlen, riechen und schmecken kann. Ich kann denken und das beste aus meinem Leben machen. Ich bin hier, anstatt nichts zu sein. (Video endet) NJ: Ein beeindruckender kleiner Junge. Bedenken Sie, dass Sie in ihrem Alltag umgeben sind von solchen Menschen. Wir sind alle gewöhnliche Menschen mit außergewöhnlichen Sichtweisen, wenn man uns die Chance gibt, uns auszudrücken. Die letzten zwei Jahre sind mein Partner und ich um die Welt gereist mit dem einzigen Ziel, die Menschen, die wir trafen, zu befragen und zu filmen. Je mehr Interviews wir führten, desto mehr wurde uns bewusst, dass Zuhören nicht nur Nehmen, wie meine Mutter immer sagte, sondern auch Geben bedeutet. Wenn du jemandem zuhörst, gibst du ihm Raum und Zeit, um sich auszudrücken, um seine Ideen zu sammeln. Du gibst dieser Person die Möglichkeit, dein Interesse, deine Liebe und dein Mitgefühl zu spüren. Diese Erkenntnis ist nicht wirklich neu und die Botschaften unserer Postkarten sind auch nicht bahnbrechend, wie so viele der TED-Vorträge, die ich mir angesehen habe. Ich würde unser Projekt so beschreiben: Jeden Morgen mache ich Yoga und jeden Morgen bin ich erstaunt darüber, wie steif sich mein Körper anfühlt. Ich muss ihn daran erinnern, dass er sich biegen, bewegen und verdrehen kann. Das gilt auch für unser Gehirn, das erinnert werden muss. Wir sollten nicht nur nach großen Ideen streben, denn jede Idee hat Potenzial, wenn man nur genau zuhört. Wenn ich Ihnen zum Beispiel erzähle, dass das Atmen wichtig ist, will ich nicht Ihre Atmung kontrollieren, sondern vielleicht Ihr Bewusstsein mehr auf das Atmen lenken. Jetzt oder später. Die Botschaften, die ich am meisten von interviewten Personen schätze, sind die simpelsten und reinsten Ideen. James, zum Beispiel. Er hat den Krebs überlebt und erinnert uns daran, dass eine Herausforderung helfen kann, sich selbst neu zu erfinden. Ibu Robin Lim, eine indonesische Hebamme, erzählt Müttern, dass sie weltweit den wichtigsten Job haben. Sie sagt ihnen: "Ihr seid Aktivistinnen für den Weltfrieden. Es liegt in euren Händen, dass die Kinder lernen, was Frieden ist." Oder George, ein 10-jähriger Junge aus einer Kleinstadt. Er macht Kunsthandwerk aus recycelten Materialien. Er sagt uns ganz klug: "Vielleicht werden wir eines Tages keine Wolle oder Baumwolle mehr haben. Wir sollten es schätzen, solange es noch da ist." Ich möchte Ihnen am Ende meines Vortrags eine einfache Frage mitgeben, die Sie der nächsten Person, die Sie treffen, stellen können. Es kann jemand sein, den Sie kennen. Es kann die Person sein, die neben Ihnen sitzt. Es kann der Kassierer im Geschäft sein, wenn niemand hinter Ihnen wartet. Fragen Sie sie, was das Schönste war, das in ihrem Leben passiert ist. Wir haben diese Frage weltweit gestellt und ich versichere Ihnen, dass Sie mit aufrichtigen Geschichten belohnt werden. Jeder ist eine Geschichte, von der Sie lernen können. Die Personen links und rechts von Ihnen sind eine Geschichte. Wenn Sie sich etwas mehr Zeit nehmen und sich genauer mit ihnen beschäftigen, können Sie Leuten, die vielleicht denken, sie hätten nichts Besonders zu erzählen, diese großartigen Geschichten entlocken. Sie stärken gleichzeitig sich und andere. Danke. (Applaus)