Die Gesundheit unseres Körpers
war uns schon immer wichtig,
aber wir wussten nicht immer,
worauf es ankommt.
Nehmen wir etwa die alten Ägypter,
die bestimmte Körperteile
für das Jenseits konservierten,
während sie andere Teile entfernten,
wie zum Beispiel dieses.
Während sie Magen, Lungen,
Leber etc. sorgfältig konservierten,
zerstückelten sie das Gehirn, entfernten
es durch die Nase und warfen es weg.
Ergibt ja auch Sinn,
wer braucht schon ein Gehirn?
Was wäre, wenn wir eine Art
vernachlässigtes Organ hätten,
von gleichem Gewicht wie das Gehirn
und in mancher Hinsicht ebenso
individuell charakteristisch,
das wir jedoch kaum verstehen
und folglich unterschätzt wird?
Würden neue Erkenntnisse andeuten,
dass dieses Organ
entscheidend für uns ist,
würden Sie nicht mehr
darüber erfahren wollen?
Tatsächlich haben wir
so etwas: unseren Darm --
genauer gesagt, dessen Mikroben.
Nicht nur die Darmmikroben sind wichtig,
sondern Mikroben im ganzen Körper
beeinflussen viele unserer
charakteristischen Merkmale.
Zum Beispiel werden einige von uns
wesentlich häufiger als andere
von Mücken gestochen.
Tatsächlich ist
diese Campinglegende wahr.
Mich stechen Mücken z. B. selten,
doch meine Partnerin Amanda
zieht ganze Schwärme an.
Grund sind unterschiedliche Hautmikroben
und deren ausgeschiedene Substanzen,
die von Mücken wahrgenommen werden.
Weiterhin sind Mikroben aus
medizinischer Sicht sehr wichtig.
So entscheiden unsere Darmmikroben,
ob bestimmte Schmerzmittel
giftig für die Leber sind
oder ob ein Medikament
Herzerkrankungen heilt.
Bei Fruchtfliegen entscheiden Mikroben,
mit wem sie Sex haben wollen.
Bei Menschen haben wir das
noch nicht nachgewiesen,
aber das ist vielleicht nur
eine Frage der Zeit. (Lachen)
Mikroben führen unzählige Funktionen aus.
Sie unterstützen unsere Verdauung,
stimulieren unser Immunsystem,
helfen uns Krankheiten abzuwehren,
und vielleicht beeinflussen sie
sogar unser Verhalten.
Wie sieht eine Landkarte
all dieser Mikrobenverbände aus?
Nicht gerade wie diese, die eigentlich
dessen Biodiversität veranschaulicht.
Verschiedene Regionen unserer Welt
zeichnen sich durch charakteristische
Landschaften und Organismen aus,
wie in diesen 3 Beispielen gezeigt.
Mikrobiologie ist ähnlich,
auch wenn ich zugeben muss,
dass alle Mikroben unter dem
Mikroskop gleich aussehen.
Statt sie visuell zu bestimmen,
betrachten wir ihre DNA-Sequenz.
Im "Human Microbiome Project",
vom NIH mit 155 Millionen Euro gefördert,
kommen Hunderte Forscher zusammen,
um die As, Ts, Gs und Cs
aller menschlichen Mikroben zu kartieren.
Alle zusammen gefasst, sieht das so aus.
Schwer zu sagen, wer wo lebt, oder?
Mein Labor entwickelt
computergestützte Technologien,
um die Terabytes an DNA-Sequenzen
in eine anschauliche Form zu bringen.
Die Daten des menschlichen Mikrobioms von
250 gesunden Freiwilligen sehen so aus.
Jeder Punkt repräsentiert
alle komplexen Mikroben
eines gesamten Mikrobenverbandes.
Ich sagte ja, die sehen alle gleich aus.
Jeder einzelne Punkt steht
für den Mikrobenverband
einer Körperregion
eines gesunden Teilnehmers.
Sie sehen verschiedene Bereiche
der Darstellung in verschiedenen Farben,
fast wie getrennte Kontinente.
Verschiedene Körperregionen
weisen verschiedene Mikroben auf.
Wir haben hier die Mundflora in Grün;
die Hautflora gegenüber in Blau;
die Vaginalflora in Violett
und ganz unten die Darmflora in Braun.
Erst in den letzten Jahren
haben wir herausgefunden,
dass die Mikroben der verschiedenen
Körperregionen sehr unterschiedlich sind.
Vergleicht man die Mikroben
von Mund und Darm einer Person,
findet man enorme Unterschiede
zwischen diesen Mikrobenverbänden.
Der Unterschied ist größer als zwischen
Mikroben dieses Riffs und dieser Prärie.
Das ist ziemlich bemerkenswert.
Ein halber Meter Abstand
im menschlichen Körper
weist größere mikrobiologische
Unterschiede auf
als Hunderte Kilometer auf der Erde.
Weiterhin sind die Bakterien
gleicher Körperregionen
bei jedem Menschen verschieden.
Sie wissen sicher, dass alle Menschen
eine sehr ähnliche DNA haben.
Ihre DNA ist zu 99,99 % identisch
mit der Ihres Sitznachbars.
Das trifft nicht auf Ihre Darmflora zu;
die nur zu 10 % mit der Darmflora
Ihres Nachbars übereinstimmt.
Das entspricht dem Unterschied zwischen
Bakterien dieser Prärie und dieses Waldes.
Die verschiedenen Mikroben erfüllen,
wie erwähnt, verschiedene Funktionen:
Nahrungsverdauung, Einfluss
auf verschiedene Krankheiten,
den Abbau von Medikamenten usw.
Aber wie machen sie all das?
Unsere Darmmikroben
machen zwar nur 1,5 kg aus,
aber sie sind uns zahlenmäßig überlegen.
Wie hoch sind sie in der Überzahl?
Das hängt davon ab, wie wir
unseren Körper definieren.
Nehmen wir die Zellen.
Jeder von uns besteht
aus ca. 10 Billionen Zellen,
während wir bis zu 100 Billionen
Mikrobenzellen beherbergen.
Sie sind uns also 10 : 1 überlegen.
Oder wir sagen, dass uns
die menschliche DNA prägt.
Jeder von uns hat ca. 20 000 Gene,
je nachdem, wie man zählt,
und 2 bis 20 Millionen mikrobieller Gene.
Egal, wie man es betrachtet,
unsere mikrobischen Symbionten
sind gewaltig in der Überzahl.
Wir hinterlassen nicht nur menschliche
DNA, sondern auch mikrobielle DNA,
auf allem, was wir berühren.
Vor ein paar Jahren
zeigten wir in einer Studie,
dass die Handfläche einer
Person mit 95 % Genauigkeit
deren regelmäßig genutzter
Computermaus zugeordnet werden kann.
Dies wurde vor ein paar Jahren
wissenschaftlich veröffentlicht
und kam außerdem
in der Serie "CSI: Miami" vor,
dann muss es ja stimmen.
(Lachen)
Woher kommen unsere Mikroben eigentlich?
Wenn Sie, wie ich, Hunde und Kinder haben,
hegen Sie sicher schlimme Vermutungen,
die übrigens alle wahr sind.
Nicht nur die Mikroben
ihrer Computerausrüstung
stimmen mit Ihnen überein,
sondern auch die Ihres Hundes.
Mikrobenverbände in Erwachsenen
sind jedoch relativ stabil,
selbst wenn Sie mit
jemandem zusammen wohnen,
behalten Sie Ihre mikrobische Identität
über Wochen, Monate, sogar Jahre hinweg.
Unsere ersten Mikrobenverbände werden
durch die Art unserer Geburt bestimmt.
Babys, die normal geboren werden,
haben Mikroben der Vaginalflora,
während Babys, die per
Kaiserschnitt auf die Welt kommen,
Hautmikroben haben.
Es könnte ein Zusammenhang
zwischen Gesundheitsproblemen
und der Geburt per Kaiserschnitt bestehen.
Zum Beispiel werden erhöhte Fälle
von Asthma, Allergien
und gar Fettleibigkeit mit
Mikroben in Verbindung gebracht.
Bis vor Kurzem kamen Säugetiere
nur über den Geburtskanal auf die Welt.
Das Fehlen dieser schützenden Mikroben,
mit denen wir uns im Laufe
der Evolution entwickelt haben,
könnte Grund für diverse Symptome sein,
die mit dem Mikrobiom zusammenhängen.
Als meine Tochter vor ein paar Jahren per
Notfall-Kaiserschnitt auf die Welt kam,
beschlossen wir, ihren Körper
der Vaginalflora auszusetzen,
wie im Fall einer natürlichen Geburt.
Es ist schwer zu sagen, ob dies
ihre Gesundheit beeinflusste.
Auch wenn wir sie lieben,
ihr Einzelfall erlaubt keine
allgemeingültige Aussage.
Sie ist nun 2 Jahre und hatte
noch keine Ohrentzündung.
Drücken wir weiterhin die Daumen.
Nun untersuchen wir weitere
Kinder in klinischen Studien
und prüfen, ob dies generell
einen schützenden Effekt hat.
Die Art der Geburt bestimmt
unsere ersten Mikroben.
Wie geht es danach weiter?
Hier sind wieder die Daten
des Human Microbiome Projects.
Jeder Punkt steht für eine Körperregion
eines der 250 gesunden
erwachsenen Teilnehmer.
Man weiß, wie sich Kinder
körperlich und geistig entwickeln.
Hier sehen Sie zum ersten Mal,
wie sich das Kind meines Kollegen
mikrobiell entwickelt.
Wir sehen, wie sich die Stuhlmikroben
dieses Babys, die Darmflora,
über fast 2½ Jahren im wöchentlich
Abstand verändern.
Beginnend am 1. Tag, dem gelben Punkt,
sehen wir zunächst Vaginalflora,
wie es durch die Geburt zu erwarten war.
Im Laufe der 2½ Jahre
bewegt er sich nach unten
und gleicht am Ende der Darmflora
eines gesunden Erwachsenen.
Jetzt geht es los.
Beobachten Sie, was passiert.
Jeder Sprung entspricht einer Woche.
Die wöchentliche Veränderung der
Stuhlmikroben dieses Kindes ist größer,
als der Unterschied zwischen
gesunden Erwachsenen,
der Human Microbiome Project-Kohorte,
unten in Braun dargestellt.
Wie Sie sehen, erreicht er nun
die Darmflora eines Erwachsenen.
Jetzt sind es ungefähr 2 Jahre.
Nun passiert etwas Bemerkenswertes,
wegen einer Ohrenentzündung
bekommt er Antibiotika
und es folgt eine enorme
Veränderung seiner Darmflora,
die sich schnell wieder normalisiert.
Ich zeige es Ihnen noch einmal.
Innerhalb dieser wenigen Wochen
sehen wir einen starken Rückschlag,
größer als in monatelanger Entwicklung,
der sich sofort wieder normalisiert.
Bis zum Tag 838, dem Ende des Videos,
besitzt er die Darmflora
eines gesunden Erwachsenen,
trotz der Wirkung des Antibiotikums.
Das ist sehr interessant, denn es
wirft grundlegende Fragen auf.
Welchen Effekt haben Antibiotika auf
Kinder? Welche Rolle spielt das Alter?
Sind Behandlungen
von Kleinkindern kritisch,
da sich das Mirkobiom so stark verändert,
oder ist es wie ein Steinwurf
ins stürmische Meer,
wo ziehende Kreise
von Wellen verwischt werden?
Behandelt man Babys in den
ersten 6 Monaten mit Antibiotika,
neigen sie später wahrscheinlicher
zu Fettleibigkeit,
als ohne oder nach späterer Behandlung.
Die Wirkung von frühen Behandlungen
auf die Darmflora und spätere Gesundheit
ist vermutlich enorm
und wird noch kaum verstanden.
Das ist beeindruckend.
Antibiotika verursachen somit
nicht nur resistente Bakterien,
was ein wichtiges Problem ist,
sondern sie zerstören vielleicht
auch unsere Darmflora.
Es ist zu befürchten, dass wir Antibiotika
eines Tages ebenso verachten
wie die Metallwerkzeuge der alten Ägypter,
mit denen sie das Gehirn der Leichen
vor der Mumifizierung zerstückelten.
Ich erwähnte all die wichtigen
Funktionen von Mikroben.
Seit den letzten Jahren werden sie
mit einer weiten Palette
von Krankheiten verbunden,
wie chronisch-entzündliche Darmerkrankung,
Herzerkrankung, Darmkrebs
und sogar Fettleibigkeit.
Fettleibigkeit wird vermutlich
stark davon beeinflusst.
Eine Untersuchung der Darmflora
kann heute zu 90 % voraussagen,
ob eine Person fettleibig ist oder nicht.
Das ist zwar beeindruckend,
als medizinischer Test
jedoch vernachlässigbar,
denn man erkennt fettleibige Menschen
auch ohne Analyse ihrer Darmflora.
Doch selbst die Sequenz des
kompletten Genoms, der menschlichen DNA,
würde Fettleibigkeit mit nur 60 %
Wahrscheinlichkeit voraussagen.
Beeindruckend, oder?
Die 1,5 kg Mikroben,
die wir in uns herumtragen,
sind wichtiger für manche Krankheiten
als jedes Gen unseres Genoms.
In Mäusen ist viel mehr möglich.
In Mäusen werden diverse Krankheiten
mit Mikroben verbunden,
u. a. Multiple Sklerose, Depression,
Autismus und Fettleibigkeit.
Aber sind die mikrobiellen Unterschiede
Ursache oder Konsequenz
dieser Krankheiten?
Um das zu klären, können wir Mäuse
in einer sterilen Umwelt ohne
eigene Mikroben heranziehen.
Dann können wir potentiell
interessante Mikroben hinzufügen
und die Entwicklung beobachten.
Nehmen wir Mikroben
von einer fettleibigen Maus
und transplantieren sie in
eine genetisch normale Maus,
die in einer Umwelt ohne Mikroben
herangewachsen ist,
wird die Maus dicker als mit
Mikroben von einer normalen Maus.
Der Grund dafür ist faszinierend.
Manchmal helfen die Mikroben mit einer
effizienteren Verdauung der Nahrung,
sodass der Energiegewinn größer ist.
In anderen Fällen verändern die Mikroben
das Verhalten der Mäuse,
sodass sie mehr als
eine normale Maus essen
und nur bei unbegrenzter
Nahrungszufuhr dick werden.
Sehr beachtlich, nicht wahr?
Mikroben beeinflussen also
das Verhalten von Säugetieren.
Funktioniert dieses Experiment auch
zwischen verschiedenen Arten?
Nimmt man die Mikroben
einer fettleibigen Person
und transplantiert sie
in mikrobenfreie Mäuse,
werden die Mäuse auch dicker als bei
Mikroben von einer schlanken Person.
Wir können auch einen
Mikrobenverband erstellen,
der keine Gewichtszunahme verursacht
oder der gegen Mangelernährung hilft.
Die Gates-Stiftung finanziert ein Projekt,
das Kinder in Malawi untersucht,
die Kwashiorkor haben,
eine schwere Form von Mangelernährung.
Transplantiert man die
Kwashiorkor-Mikroben in Mäuse,
verlieren diese in 3 Wochen
30 % ihres Gewichtes.
Erhalten sie die gleiche Diät mit
Erdnussbutter, wie Kinder in der Klinik,
erlangen sie ihr normales Gewicht zurück.
Erhalten die Mäuse jedoch Mikroben
eines gesunden Zwillings der
Kwashiorkor-Gemeinde, passiert nichts.
Das ist toll, denn es ermöglicht
vielleicht Therapieversuche
mit der Darmflora einzelner Personen
in zahlreichen Mäusen
und folglich die Entwicklung
individueller Therapien.
Jeder sollte die Möglichkeit haben,
sich an dieser Entwicklung zu beteiligen.
Vor ein paar Jahren starteten wir
das Projekt "American Gut [Darm]",
in dem jeder seinen Platz auf
der mikrobiellen Karte finden kann.
Heute ist es mit mehr als
8 000 gemeldeten Teilnehmern
das größte wissenschaftliche
Crowdfunding-Projekt.
Man schickt seine Probe ein,
wir bestimmen die DNA der Mikroben
und senden das Ergebnis zurück.
Außerdem veröffentlichen wir die Ergbnisse
für Wissenschaftler, Erzieher
und interessierte Bürger anonymisiert,
um Zugang zu den Daten zu ermöglichen.
Besuchern unseres Labors am
BioFrontiers-Institut erklären wir,
dass wir mit Lasern
und Robotern Kot untersuchen,
doch das interessiert
nicht unbedingt jeden.
(Lachen)
Sie interessiert es bestimmt,
deshalb habe ich ein paar Päckchen
zum Teilnehmen mitgebracht,
falls Sie es selbst probieren wollen.
Warum tun wir das?
Anhand der Mikroben können wir
nicht nur unsere Gesundheit bewerten,
sondern auch Krankheiten heilen können.
Das konnten wir vor Kurzem
grafisch darstellen,
zusammen mit Kollegen
der Universität Minnesota.
Hier ist wieder die Darstellung
des menschlichen Mikrobioms.
Diesmal füge ich die Mikroben
von Leuten mit C. difficile hinzu,
einer starken Durchfallerkrankung,
bei der man bis zu 20-mal täglich muss.
Eine 2 Jahre dauernde
Antibiotika-Therapie war erfolglos,
bevor sie Kandidaten
für diesen Versuch wurden.
Was passiert, wenn wir etwas Stuhl
eines gesunden Spenders,
ganz unten als Stern gezeigt,
in die Patienten transplantieren?
Bekämpfen die guten Mikroben
die schlechten und fördern die Heilung?
Schauen Sie, was passiert.
Vier dieser Patienten erhalten
nun ein Transplantat
des gesunden Spenders ganz unten,
und man sieht, wie sich die Darmflora
sofort radikal verändert.
Einen Tag nach der Transplantation klingen
alle Symptome ab, der Durchfall ist weg,
die Patienten sind wieder gesund
und ähneln der Darmflora des Spenders.
Und es gibt keinen Rückfall.
(Beifall)
Wir sind ganz am Anfang dieser Entdeckung.
Wir beginnen zu verstehen, dass sich
Mikroben auf diese Krankheiten auswirken,
von chronischen Darmerkrankungen
bis hin zu Fettleibigkeit,
vielleicht sogar Autismus und Depression.
Wir müssen eine Art
mikrobielles GPS entwickeln,
dass uns nicht nur zeigt,
wo wir uns im Moment befinden,
sondern auch, was unser Ziel ist
und wie wir es erreichen können.
Und es muss so einfach sein, dass
selbst ein Kind es verwenden kann.
(Lachen)
Danke.
(Beifall)