Hans Rosling: Ich stelle Ihnen 3 Multiple-Choice-Fragen. Benutzen Sie dieses Gerät, um zu antworten. Die erste Frage ist: Wie hat sich die Zahl der Todesfälle pro Jahr durch Naturkatastrophen während des letzten Jahrhunderts verändert? Hat sie sich mehr als verdoppelt, blieb sie weltweit etwa gleich oder hat sie sich mehr als halbiert? Antworten Sie bitte mit A, B oder C. Ich sehe viele Antworten. Das geht viel schneller als bei mir an der Uni. Die sind so langsam. Die denken und denken immer weiter. Oh, sehr gut. Hier kommt die nächste Frage: Wie lange gingen heute 30-jährige Frauen weltweit zur Schule? Sieben, fünf oder drei Jahre? A, B oder C? Bitte antworten Sie. Und hier die nächste Frage: Wie hat sich in den letzten 20 Jahren der Anteil der Menschen auf der Welt verändert, die in extremer Armut leben? Extreme Armut -- nicht ausreichend Essen für den Tag. Hat er sich fast verdoppelt, ist er etwa gleich geblieben, oder hat er sich halbiert? A, B oder C? Nun, die Antworten. Sie sehen Todesfälle wegen Naturkatastrophen in diesen Diagrammen hier, von 1900 bis 2000. Im Jahr 1900 gab es ca. eine halbe Million Menschen, die jährlich in Naturkatastrophen starben: Überschwemmungen, Erdbeben, Vulkanausbruch, Dürren usw. Wie hat sich das also verändert? Gapminder hat die schwedische Bevölkerung befragt. So haben sie geantwortet. Die Schweden antworteten so: 50 % dachten, es hätte sich verdoppelt, 38 % sagten etwa gleich, 12 % sagten, es hätte sich halbiert. Das sind die besten Daten von Katastrophenforschern, und es geht rauf und runter, hier kommt der Zweite Weltkrieg, und danach beginnen sie zu fallen und fallen immer weiter, es steht bei weniger als der Hälfte. Die Welt wurde immer besser darin, im Laufe der Jahrzehnte, die Menschen davor zu schützen. Nur 12 % der Schweden wissen das. Also ging ich in den Zoo und fragte die Schimpansen. (Gelächter) (Applaus) Die Schimpansen sehen keine Nachrichten, daher wählten die Schimpansen wahllos aus, die Schweden antworten also falscher als zufällig. Also, wie haben Sie sich geschlagen? Das sind Sie. Die Schimpansen haben Sie geschlagen. (Gelächter) Aber es war knapp. Sie waren dreimal besser als die Schweden, aber das reicht nicht. Sie sollten sich nicht mit den Schweden vergleichen. Sie müssen höhere Ziele in der Welt haben. Sehen wir uns die nächste Frage an: Frauen in der Schule. Sie sehen, dass Männer 8 Jahren gingen. Wie lange gingen Frauen zur Schule? Wir haben die Schweden danach gefragt, und das gibt Ihnen einen Hinweis, nicht? Die richtige Antwort ist wahrscheinlich die, die die wenigsten Schweden wählten, oder? (Gelächter) Mal schauen. Los geht's. Ja, ja, Frauen sind fast gleichauf. Das ist die US-Bevölkerung. Und das sind Sie. Hier sieht man Sie. Oh. Gratulation, Sie sind zweimal so gut wie die Schweden, aber ich muss Ihnen nicht sagen ... Wie kommt das? Ich denke, es ist so, dass jeder weiß, dass es Länder und Regionen gibt, wo Mädchen große Schwierigkeiten haben. Sie dürfen nicht zur Schule gehen, und das ist abstoßend. Aber im Großteil der Welt, wo die meisten Menschen leben, in den meisten Ländern gehen die Mädchen zur Schule, in etwa genau so lange wie Jungs. Nicht, dass Gleichberechtigung herrschte, keinesfalls. Sie unterliegen immer noch furchtbaren Beschränkungen, aber Schulbildung gibt es heutzutage. Wir zielen an der Mehrheit vorbei. Wenn man antwortet, bezieht man sich auf die schlimmsten Orte, und für die stimmt das, aber das lässt die Mehrheit außer Acht. Was ist mit Armut? Es ist ganz klar, dass sich Armut hier fast halbiert hat. Als wir das US-Volk befragten, lagen nur 5 % richtig. Und Sie? Ah, Sie lagen fast gleichauf mit den Schimpansen. (Gelächter) (Applaus) Das Bisschen, nur einige von Ihnen! Es gibt vorgefasste Meinungen. Und in vielen reichen Ländern glaubt man, dass man extreme Armut nie besiegen kann. Natürlich glauben sie das, denn sie wissen gar nicht, was passiert ist. Denkt man an die Zukunft, muss man als Erstes die Gegenwart kennen. Das waren einige der ersten Fragen in der Testphase des "Ignorance Project" der Gapminder-Stiftung, die wir durchführten. Und dieses Projekt wurde letztes Jahr gestartet, von meinen Boss sowie meinem Sohn, Ola Rosling. (Gelächter) Er ist Mitbegründer und Leiter, und er wollte, so sagte Ola mir, dass wir systematischer sein sollten beim Kampf gegen verheerende Ignoranz. Schon die Tests offenbaren, dass viele in der Bevölkerung falscher liegen als der Zufall, daher müssen wir uns mit Vorurteilen befassen. Eine der wichtigsten vorgefassten Ideen gilt der globalen Einkommensverteilung. Sehen Sie hier. So war es im Jahr 1975. Es zeigt die Anzahl von Personen je Einkommen, von 1 Dollar pro Tag -- (Applaus) Hier sehen Sie damals einen Auswuchs bei etwa 1 Dollar pro Tag. Und dann gab es einen Auswuchs etwa zwischen 10 bis 100 Dollar. Die Welt bestand aus zwei Gruppen. Es war eine Kamelwelt, wie ein Kamel mit zwei Höckern, die Armen und die Reichen, und einige wenige dazwischen. Aber sehen Sie, wie sich das geändert hat: Was sich ändert, wenn ich weiterschaue, ist die gewachsene Weltbevölkerung und die Verschmelzung der Höcker. Die unteren Höcker sind mit dem oberen verschmolzen, das Kamel ist gestorben und wir haben eine Dromedar-Welt, mit nur einem Höcker. Der Anteil der Armen hat abgenommen. Es ist immer noch entsetzlich, dass so viele in extremer Armut leben. Es gibt immer noch diese Gruppe von fast 1 Milliarde hier, aber das kann heute beendet werden. Die aktuelle Herausforderung ist, davon wegzukommen und zu verstehen, wo die Mehrheit ist. Und das zeigt sich bei dieser Frage ganz klar. Wir fragten, wie viel Prozent der einjährigen Kinder weltweit, erhielten die Grundimpfungen gegen Masern und anderes, die es schon jahrelang gibt: 20, 50 oder 80 %? Das haben die US-Bevölkerung und die Schweden geantwortet. Hier die Schweden: Klar, was die richtige Antwort ist. (Gelächter) Wer zum Henker ist Professor für Weltgesundheit in diesem Land? Nun, das bin ich. (Gelächter) Das ist sehr schwierig. (Applaus) Dennoch hat Olas Ansatz, unser Wissen wirklich zu messen, Schlagzeilen gemacht, und CNN veröffentlichte die Ergebnisse auf seiner Website, stellte die Fragen, Millionen antworteten. Es gab circa 2 000 Kommentare und das war einer der Kommentare: "Ich wette kein Pressemitglied hat den Test bestanden." Daher sagte Ola mir: "Nimm dieses Gerät. Du bist Gast einer Pressekonferenz. Gib es ihnen und miss, was die Medien wissen." Und meine Damen und Herren, zum ersten Mal die informellen Ergebnisse einer US-Medienkonferenz. Und kürzlich von den EU-Medien. (Gelächter) Sie sehen, das Problem ist nicht, dass Leute die Medien nicht lesen oder hören. Das Problem ist, dass die Medien selbst nicht Bescheid wissen. Wie sollen wir damit umgehen, Ola? Haben wir irgendwelche Ideen? (Applaus) Ola Rosling: Ja, ich habe eine Idee, aber erstmal, es tut mir leid, dass Sie von den Schimpansen geschlagen wurden. Zum Glück kann ich Sie trösten, indem ich Ihnen zeige, dass es im Grunde nicht ihre Schuld war. Dann statte ich Sie mit Tricks aus, um die Schimpansen zukünftig zu schlagen. Und das mache ich jetzt. Schauen wir erst, warum wir so ignorant sind, es beginnt alles an diesem Ort. Das ist Hudiksvall, eine Stadt in Nordschweden. Das ist die Umgebung, in der ich aufwuchs. Es ist ein Viertel mit einem großen Problem. Genau das gleiche Problem, dass in allen Vierteln existierte, in denen Sie aufwuchsen. Es war nicht repräsentativ. Es vermittelte mir ein verzerrtes Bild vom Leben auf diesem Planeten. Das ist der erste Teil des Ignoranz-Puzzles: Persönliche Vorurteile. Verschiedene Erfahrungen durch Gruppen und Leute, und dann beginnen wir mit der Schule und es kommt das nächste Problem hinzu. Ich mag Schulen, aber Lehrer neigen dazu, veraltete Weltanschauungen zu lehren, weil sie etwas lernten, als sie zur Schule gingen, und jetzt beschreiben sie diese Welt ihren Schülern ohne böse Absichten, und diese Bücher sind natürlich veraltet, in einer sich ändernden Welt. Und es gibt keine Methode, um das Lehrmaterial aktuell zu halten. Darauf konzentrieren wir uns daher. Wir haben also veraltete Fakten, zusätzlich zu unseren persönlichen Vorurteilen. Als Nächstes kommen die Nachrichten. Ein exzellenter Journalist weiß, welche Geschichte er wählen muss, um Schlagzeilen zu machen. Die Leute werden sie lesen, weil sie spektakulär ist. Ungewöhnliche Ereignisse sind interessanter, oder? Und sie werden übertrieben, vor allem Dinge, die uns ängstigen. Ein Haiattacke auf eine schwedische Person wird in Schweden wochenlang Schlagzeilen machen. Diese drei verzerrten Informationsquellen sind schon sehr schwer zu überwinden. Sie bombardieren uns und statten unseren Geist mit zahlreichen seltsamen Gedanken aus. Hinzu kommt genau das, was uns menschlich macht, unsere menschliche Intuition. In der Evolution war sie von Vorteil. Sie half zu generalisieren und schnelle Schlüsse zu ziehen. Sie half uns zu übertreiben, wovor wir Angst hatten, und wir suchen Zusammenhänge, wo keine sind, das verschafft uns eine illusorische Zuversicht, bei der wir glauben, die besten Autofahrer zu sein, überdurchschnittlich gut. Jeder antwortete darauf: "Ich fahre besser Auto." Das war evolutionär gut, aber was die Weltsicht betrifft, so steht sie aus diesem Grund auf dem Kopf. Zunehmende Trends fallen in Wirklichkeit, und andersrum. In diesem Fall nutzen die Schimpansen unsere Intuition gegen uns, und sie wird zu unserer Schwäche statt zur Stärke. Es sollte unsere Stärke sein, nicht wahr? Wie lösen wir also solche Probleme? Zuerst müssen wir es messen und dann müssen wir es heilen. Indem wir es messen, verstehen wir das Muster der Ignoranz. Letztes Jahr starteten wir einen Pilot und wir sind jetzt sicher, dass wir weltweit auf einiges an Ignoranz stoßen. Die Idee ist im Grunde, dies auf alle Domänen oder Dimensionen der globalen Entwicklung auszuweiten, wie Klima, gefährdete Arten, Menschenrechte, Gleichberechtigung, Energie, Finanzen. Es gibt Fakten in all den verschiedenen Sektoren, und Organisationen, die versuchen, diese Fakten bekannt zu machen. Ich habe daher begonnen, einige davon zu kontaktieren, wie WWF, Amnesty International und UNICEF. Und ich fragte sie: "Was sind Ihre bevorzugten Fakten, die die Öffentlichkeit nicht kennt?" Ich sammele diese Fakten. Stellen Sie sich eine lange Liste, z.B. mit 250 Fakten, vor. Wir fragen die Öffentlichkeit und sehen, wo sie schlecht punkten. Man erhält eine Kurzliste mit miesen Resultaten, wie die paar Beispiele von Hans, und wir finden problemlos diese Art von furchtbaren Resultaten. Was macht man also mit dieser Auswahlliste. Wir verwandeln sie in ein Wissenszertifikat, ein Globales-Wissens-Zertifkat, das man nutzen kann, als große Organisation, als Schule, als Universität, oder etwa als Nachrichtenagentur, um sich selbst als global sachkundig zu zertifizieren. Das bedeutet im Grunde, dass wir keine Leute anstellen, die wie Schimpansen abschneiden. Natürlich sollte man das nicht. Vielleicht sitzen Sie in 10 Jahren, wenn das Projekt erfolgreich ist, in einem Vorstellungsgespräch und müssen diese verrückten globalen Fragen beantworten. Wir kommen jetzt zu den praktischen Tricks. Wie schneidet man erfolgreich ab? Es gibt natürlich die Möglichkeit, sich nächtelang hinzusetzen und alle Fakten auswendig zu lernen, indem man all diese Berichte liest. Das wird tatsächlich nie passieren. Selbst Hans glaubt nicht, dass das eintreten wird. Die Leute haben keine Zeit. Menschen mögen Abkürzungen, und hier sind die Abkürzungen. Unsere Intuition muss wieder zur Stärke werden. Wir müssen verallgemeinern. Ich zeige Ihnen jetzt einige Tricks, wie die falschen Annahmen in Faustregeln umgewandelt werden. Beginnen wir mit der ersten Fehlannahme. Die ist sehr weit verbreitet: Alles wird immer schlimmer. Sie hörten es. Sie haben es selbst gedacht. Die andere Denkweise ist, dass die Dinge sich verbessern. Man sitzt also vor einer Frage und ist unsicher. Dann sollte man "verbessern" raten. Wählen Sie nicht "schlechter". Das wird Ihnen helfen, besser abzuschneiden. (Applaus) Das war der erste Trick. Es gibt Reiche und Arme und die Lücke vergrößert sich. Das ist eine arge Ungleichheit. Ja, es ist eine ungleiche Welt, aber die Daten zeigen nur einen Höcker. Fühle ich mich unsicher, wähle ich "die meisten Menschen sind in der Mitte". Das hilft Ihnen, richtig zu antworten. Die nächste vorgefasste Meinung ist, dass Länder und Leute erst sehr reich sein müssen, um sich sozial entwickeln zu können, wie Mädchen in Schulen und für Naturkatastrophen gerüstet zu sein. Nein, nein, nein. Das ist falsch. Schauen Sie: Dieser große mittlere Höcker beinhaltet schon Mädchen in Schulen. Wenn Sie unsicher sind, wählen Sie: "die Mehrheit hat das schon", wie Elektrizität, Mädchen in Schulen, und solche Sachen. Das sind nur Faustregeln, daher sind sie nicht immer gültig, aber so kann man verallgemeinern. Sehen wir uns eine letzte an. Wenn etwas -- ja, das ist ein gutes [Beispiel] -- Haie sind gefährlich. Richtig, aber sie sind nicht so wichtig in den globalen Statistiken, das möchte ich damit sagen. Ich habe selbst Angst vor Haien. Sobald ich eine Frage über Dinge sehe, die ich fürchte, wie etwa Erdbeben, andere Religionen -- vielleicht habe ich Angst vor Terroristen oder Haien -- alles, was mich berührt, übertreiben Sie vermutlich das Problem. Das ist eine Faustregel. Es gibt auch schöne gefährliche Dinge. Haie töten nur sehr wenige. So sollten sie denken. Mit diesen vier Faustregeln werden sie wahrscheinlich besser antworten als die Schimpansen, denn die Schimpansen können das nicht. Sie können diese Regeln nicht generalisieren. Hoffentlich können wir Ihre Welt umdrehen und die Schimpansen schlagen. (Applaus) Das ist ein systematischer Ansatz. Die Frage dabei ist, ob das wichtig ist. Ja, es ist wichtig, Armut zu verstehen, extreme Armut und wie sie zu bekämpfen ist, und wie man Mädchen in die Schule bringt. Wenn wir erkennen, dass es erfolgreich ist, können wir es verstehen. Aber ist es für alle anderen wichtig, wen interessieren die Reichen am Ende dieser Skala? Ich meine ja, es ist extrem wichtig, aus dem gleichen Grund. Hat man eine aktuelle, faktenbasierte Weltsicht, hat man die Chance zu verstehen, was die Zukunft als Nächstes bringt. Gehen wir zu den zwei Höckern im Jahr 1975 zurück. Da wurde ich geboren, und ich habe den Westen gewählt. Das sind die heutigen EU-Länder und Nordamerika. Schauen wir, wie der Rest gegenüber dem Westen dasteht, bezogen auf den Reichtum. Das sind die Leute, die es sich leisten können, im Urlaub ins Ausland zu fliegen. 1975 lebten nur 30 % davon außerhalb der EU und Nordamerikas. Aber das hat sich verändert. Schauen wir erst die Änderungen bis 2014 an. Heute liegt das bei 50/50. Die westliche Dominanz ist ab heute vorbei. Das ist schön. Was passiert also als Nächstes? Sehen Sie den Riesenhöcker? Haben Sie gesehen, wie er sich bewegte. Ein kleiner Versuch: Ich ging zur Website des IWF, Internationaler Währungsfond. Sie haben eine Prognose für den Pro-Kopf-BIP der nächsten 5 Jahre. Ich kann das nutzen, um 5 Jahre in die Zukunft zu gehen -- angenommen, die Einkommensungleichheit jedes Landes bleibt gleich. Ich tat das, ging aber noch weiter. Ich nutzte diese 5 Jahre für die nächsten 20 Jahre, bei gleichem Wachstum, nur als Test, um zu sehen, was passieren könnte. Betrachten wir die Zukunft. 2020 sind 57 % im Rest [der Welt]. 2025 63 Prozent. 2030, 68. Und 2035 wird der Westen im reichen Verbrauchermarkt unterlegen sein. Das sind nur Vorhersagen des zukünftigen Pro-Kopf-BIP. 73 % der reichen Konsumenten werden außerhalb von Nordamerika und Europa leben. Ja, ich denke, es ist eine gute Idee für ein Unternehmen, das Zertifikat zu nutzen, um sicherzustellen, dass man zukünftig faktenbasierte Entscheidungen trifft. Vielen Dank. (Applaus) Bruno Giussani: Hans und Ola Rosling!