WEBVTT 00:00:07.366 --> 00:00:11.939 Wie oft wird der Refrain in deinem Lieblingslied wiederholt? 00:00:11.939 --> 00:00:16.572 Und überlege mal: Wie viele Male hast du es dir schon angehört? 00:00:16.572 --> 00:00:21.519 Wahrscheinlich hast du den Refrain schon dutzende, wenn nicht hunderte Male gehört, 00:00:21.519 --> 00:00:25.239 und nicht nur bei westlichen Popsongs wiederholt sich viel. 00:00:25.239 --> 00:00:30.792 Wiederholung ist ein Bestandteil der Musik, der in jeder Kultur vorhanden ist. 00:00:30.792 --> 00:00:34.455 Aber warum basiert Musik so sehr auf Wiederholung? 00:00:34.455 --> 00:00:39.704 Psychologen nennen es den "Effekt des bloßen Kontakts". 00:00:39.704 --> 00:00:44.084 Menschen bevorzugen Dinge, mit denen sie bereits in Kontakt waren. 00:00:44.084 --> 00:00:48.135 Es kommt z. B. ein Lied im Radio, das wir nicht besonders mögen. 00:00:48.135 --> 00:00:51.421 Aber dann hören wir dieses Lied beim Einkaufen, im Kino 00:00:51.421 --> 00:00:53.606 und an der Straßenecke wieder. 00:00:53.606 --> 00:00:56.311 Bald klopfen wir im Rhythmus, singen den Text mit 00:00:56.311 --> 00:00:58.555 und laden das Lied sogar herunter. 00:00:58.555 --> 00:01:02.135 Der Effekt des bloßen Kontakts wirkt nicht nur bei Liedern. 00:01:02.135 --> 00:01:06.164 Er funktioniert auch bei vielen anderen Dingen, von Formen bis hin zu Werbespots. 00:01:06.164 --> 00:01:10.016 Aber warum sind Wiederholungen in der Musik so vorherrschend? 00:01:10.016 --> 00:01:14.505 Um dies zu untersuchen, ließen Psychologen Leute Musikstücke anhören, 00:01:14.505 --> 00:01:16.960 die genaue Wiederholung vermieden. 00:01:16.960 --> 00:01:20.281 Sie hörten Ausschnitte der Stücke, entweder in der ursprünglichen Form 00:01:20.281 --> 00:01:24.623 oder einer digital bearbeiteten Version, die Wiederholungen enthielt. 00:01:24.623 --> 00:01:26.675 Zwar wurden die Originalversionen 00:01:26.675 --> 00:01:29.726 von einigen der angesehensten Komponisten des 20. Jht verfasst 00:01:29.726 --> 00:01:33.984 und die Versionen mit Wiederholungen ohne Feingefühl technisch zusammengemixt, 00:01:33.984 --> 00:01:38.647 aber die Leute fanden die zweite Gruppe unterhaltsamer, interessanter 00:01:38.647 --> 00:01:43.250 und dachten, dass vielmehr diese von Menschen komponiert worden waren. 00:01:43.250 --> 00:01:45.718 Musikalische Wiederholung ist unwiderstehlich. 00:01:45.718 --> 00:01:48.694 Denk z. B. an den Muppets-Klassiker "Mana Mana". 00:01:48.694 --> 00:01:50.049 Hat man ihn einmal gehört, 00:01:50.049 --> 00:01:53.181 ist es fast unmöglich nach "Mana Mana" 00:01:53.181 --> 00:01:56.547 nicht "Du, duu, du, du, du" zu singen. 00:01:56.547 --> 00:01:58.671 Wiederholung verbindet jeden Teil der Musik 00:01:58.671 --> 00:02:02.092 ganz unwiderstehlich mit dem darauffolgenden. 00:02:02.092 --> 00:02:06.122 Wenn du ein paar Töne hörst, stellst du dir schon vor, was als Nächstes kommt. 00:02:06.122 --> 00:02:08.366 Im Kopf singst du unbewusst mit, 00:02:08.366 --> 00:02:11.609 und ohne dass du es merkst, fängst du an, laut mitzusummen. 00:02:11.609 --> 00:02:15.383 Neue Studien zeigen: Wenn Leute einen sich wiederholenden Musikteil hören, 00:02:15.383 --> 00:02:18.617 ist es wahrscheinlicher, dass sie sich dazu bewegen oder mitklopfen. 00:02:18.617 --> 00:02:22.630 Wiederholung lädt uns ein, am Musikstück mitzuwirken 00:02:22.630 --> 00:02:25.081 anstatt nur passiv zuzuhören. 00:02:25.081 --> 00:02:26.622 Die Forschung zeigt auch, 00:02:26.622 --> 00:02:30.410 dass Zuhörer ihre Aufmerksamkeit auf musikalische Wiederholungen lenken 00:02:30.410 --> 00:02:34.136 und bei jedem neuen Hören auf andere Aspekte achten. 00:02:34.136 --> 00:02:36.970 Beim ersten Hören bemerkst du die Melodie, 00:02:36.970 --> 00:02:41.971 aber beim nächsten Mal hörst du darauf, wie der Gitarrist die Tonhöhe beugt. 00:02:41.971 --> 00:02:46.183 Das kommt auch in der Sprache vor. Man nennt es "semantische Sättigung". 00:02:46.183 --> 00:02:48.984 Wiederholst du ein Wort wie z. B. "Atlas" immer wieder, 00:02:48.984 --> 00:02:52.002 hörst du auf, über die Bedeutung des Wortes nachzudenken, 00:02:52.002 --> 00:02:54.696 und konzentrierst dich stattdessen auf den Klang: 00:02:54.696 --> 00:02:57.390 Seltsam, wie das "L" dem "T" folgt. 00:02:57.390 --> 00:02:59.211 So kann Wiederholung 00:02:59.211 --> 00:03:01.032 neue Klangwelten erschließen, 00:03:01.032 --> 00:03:02.853 die beim ersten Mal unzugänglich sind. 00:03:02.853 --> 00:03:04.592 Dass das "L" dem "T" folgt, 00:03:04.592 --> 00:03:07.221 ist ästhetisch nicht so relevant für das Wort "Atlas", 00:03:07.221 --> 00:03:09.394 aber wie der Gitarrist die Tonhöhe beugt, 00:03:09.394 --> 00:03:11.667 kann sehr viel ausdrücken. 00:03:11.667 --> 00:03:14.370 Die Illusion von sprachlichem Singsang zeigt, 00:03:14.370 --> 00:03:17.779 wie einfach das Wiederholen eines Satzes die Aufmerksamkeit des Hörers 00:03:17.779 --> 00:03:20.690 auf Tonhöhe und zeitliche Aspekte lenkt, 00:03:20.690 --> 00:03:22.641 so dass wiederholte, gesprochene Sprache 00:03:22.641 --> 00:03:26.144 sich in der Tat so anhört, als würde gesungen werden. 00:03:26.144 --> 00:03:29.185 Einen ähnlichen Effekt haben beliebige Klangabschnitte. 00:03:29.185 --> 00:03:33.430 Leute bewerten beliebig gehörte Abschnitte in der Wiederholungsschleife 00:03:33.430 --> 00:03:37.624 als musikalischer als Abschnitte, die sie nur einmal gehört haben. 00:03:37.624 --> 00:03:41.181 Wiederholung erleichtert die Orientierung am Klang, 00:03:41.181 --> 00:03:46.063 den wir als musikalisch empfinden und an dem wir uns entlang "hangeln" -- 00:03:46.063 --> 00:03:49.632 in Gedanken sind wir bereits beim nächsten Ton. 00:03:49.632 --> 00:03:51.974 Diese Art des Hörens macht uns auch 00:03:51.974 --> 00:03:54.316 für musikalische Ohrwürmer anfällig, 00:03:54.316 --> 00:03:56.660 wobei Musikabschnitte sich im Kopf festsetzen 00:03:56.660 --> 00:04:00.419 und immer wieder abgespielt werden, wie in einer Wiederholungsschleife. 00:04:00.419 --> 00:04:03.109 Kritikern sind musikalische Wiederholungen oft peinlich, 00:04:03.109 --> 00:04:05.382 sie finden sie kindisch oder verdummend, 00:04:05.382 --> 00:04:09.752 aber Wiederholung, fernab jeglicher Peinlichkeiten, ist ein Hauptmerkmal, 00:04:09.752 --> 00:04:14.109 das zu dem führt, was wir als Musikalität bezeichnen.